Arno Strohmeyer / Norbert Spannenberger (Hgg.): Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa; Bd. 45), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2013, 389 S., 7 s/w-Abb., ISBN 978-3-515-10434-0, EUR 58,00
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Der bisherige Blick auf die habsburgisch-osmanischen Beziehungen sei äußerst einseitig, so die Ausgangsüberlegung von Arno Strohmeyer und Norbert Spannenberger in ihrem Sammelband 'Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen'. Obwohl den acht 'Türkenkriegen' insgesamt über 65 Friedensverträge oder Waffenstillstandsabkommen gegenüber stünden, komme den Kriegen im öffentlichen Bewusstsein ein ungleich höherer Stellenwert zu (11f.). Dies gelte auch für die geschichtswissenschaftliche Forschung, die damit ein "einseitiges oder verzerrtes Geschichtsbild" befördert habe (17). Der Band ist ein Versuch, dieses Bild zu korrigieren.
Wie bei Sammelbänden häufig üblich, tragen die 21 Beiträge in deutscher und englischer Sprache zum Ziel der Herausgeber in unterschiedlicher Weise bei. Während die Perspektive des Friedens nahezu durchweg eingehalten wird, bleibt die der 'Interkulturalität' jedoch etwas vage. Es scheint zumindest so, dass dem Band ein vornehmlich 'totalitätsorientiertes' Kulturverständnis zugrunde liegt, demzufolge Interkulturalität die Übersetzung "zwischen ganzen, gleichsam totalen Sinnsystemen" meint. [1] Denn, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, die besondere Herausforderung der habsburgisch-osmanischen Friedensvermittlung habe darin bestanden, dass "tief greifende kulturelle Differenzen" bzw. eine "radikale Verschiedenheit" beide Kulturräume getrennt habe (19-21). Ernst Petritsch spricht in seinem Beitrag davon, dass die "kulturellen Gegensätze [...] enorm und wohl auch unüberwindlich waren" (160). Hier ließe sich einwenden, dass eine solche Aussage höchstens das Ergebnis, nicht jedoch der Ausgangspunkt einer Untersuchung der habsburgisch-osmanischen Beziehungen sein sollte. Und wie Dennis Dierks in seinem sehr anregenden Beitrag zu Recht betont, hat die jüngere Forschung die Vorstellung "einer essentiellen kulturellen Andersartigkeit der Osmanen" doch erheblich relativiert. Inzwischen stehen vielmehr verstärkt "die engen politischen, ökonomischen und kulturellen Verflechtungen zwischen dem Osmanischen Reich und dem christlichen Europa" im Mittelpunkt des Interesses (311). Kulturelle Differenzen, darauf weist Dierks hin, hat es eben auch innerhalb Europas gegeben. Die Herausforderung bestehe daher darin, die Besonderheiten des Osmanischen Reichs herauszuarbeiten, ohne es zu einem "exotischen Sonderling" zu stilisieren (312).
Gut ein Drittel der Beiträge beschäftigt sich mit habsburgisch-osmanischen Grenzregionen, besonders dem Fürstentum Siebenbürgen, das als osmanischer Vasallenstaat eine gewisse Zwischenstellung einnahm. Hier ist vor allem der Beitrag von Gábor Kármán positiv hervorzuheben, der dem Phänomen nachgeht, dass Siebenbürgen als einziger osmanischer Tributärstaat auf dem Westfälischen Friedenskongress vertreten war. Um jeden Preis versuchten die dort beteiligten Mächte, den Eindruck einer osmanischen Einflussnahme auf den Friedensprozess zu vermeiden. Denn das Osmanische Reich gehörte zwar rein faktisch zum europäischen Staatensystem, eine Beteiligung des 'Erbfeinds der Christenheit' hätte die Friedensverhandlungen aber vor erhebliche legitimatorische Probleme gestellt (177-183). Deutlich zeigt sich hier, wie der europäisch-osmanische Gegensatz vor allem auch auf diskursiver Ebene hergestellt wurde.
Bedauerlich ist, dass der Sammelband eine vornehmlich westliche Perspektive auf die habsburgisch-osmanischen Beziehungen einnimmt. Ausnahme sind die beiden Beiträge von Marlene Kurz und Nadim Zahirović, die sich dezidiert mit osmanischen Friedensvorstellungen auseinandersetzen, sowie Hedda Reindl-Kiels Aufsatz über das osmanische Geschenkverständnis. Noch bedauerlicher ist, dass sich dieser eurozentrische Blick sogar teilweise in der Argumentation einzelner Beiträge wiederfindet. So lobt etwa Teréz Oborni stolz das außerordentliche diplomatische und politische Geschick des siebenbürgischen Fürsten Stephan Báthory - bezeichnenderweise heißt der Beitrag auch "The Artful Diplomacy of István Báthory and the Survival of the Principality of Transylvania". Ähnlich tendenziös ist Ekkehard Eickhoffs Aufsatz über die "Selbstbehauptung Venedigs gegen das Osmanische Reich", wo er unter anderem den "große[n] Mut" der venezianischen Seeleute, die "Risikofreude und Zähigkeit der Führungsschicht" oder die Furchtlosigkeit venezianischer Diplomaten gegenüber den Osmanen würdigt (bes. 129-136). Nicht weniger problematisch erscheint es, wenn Jan Paul Niederkorn in seinem Beitrag der Frage nachgeht, "wie die potentiellen Opfer", d. h. die europäischen Länder, "die allesamt an der Aufrechterhaltung des Friedens interessiert waren", mit der Bedrohung durch das kriegswütige Osmanische Reich umgingen (96). Auch wenn er einräumt, dass es sich bei vielen frühneuzeitlichen Vorstellungen über die Osmanen um Klischees gehandelt habe, so stützt er sich dann doch ausschließlich auf diese Deutungen.
Viele Beiträge lassen sich mit Gewinn lesen: So etwa derjenige von Zsuzsa Barbarics-Hermanik, in dem sie die äußerst spannende Biographie des siebenbürgischen Renegaten İbrahim Müteferrika sehr genau rekonstruiert, der als Diplomat für die Osmanen mit ganz verschiedenen westeuropäischen Ländern verhandelte (wobei die im Titel angeführte 'Transkulturalität' in ihrem Beitrag heuristisch keine Rolle spielt). Spannend erscheint auch das von Harriet Rudolph vorgestellte Forschungsprojekt einer kulturgeschichtlich ausgerichteten Wirtschaftsgeschichte über die "ökonomischen Grundlagen der vormodernen Diplomatie im europäischen Vergleich". Weiterführend sind zudem Arno Strohmeyers Überlegungen dazu, welche Rolle Vorstellungen von Freundschaft in der habsburgisch-osmanischen Friedensvermittlung spielten. Er weist auch darauf hin, dass es sich bei den kulturellen Differenzen zwischen Habsburgern und Osmanen unter anderem um frühneuzeitliche Wahrnehmungen bzw. um "Alteritätskonstruktionen" handelte (223).
Insgesamt bleibt etwas fraglich, ob die Akzentuierung des Friedens wirklich eine so grundlegende Perspektivverschiebung bedeutet, wie dies die Herausgeber annehmen - zumindest was die wissenschaftliche Forschung anbelangt. Auch in den hier versammelten Beiträgen spielt der Krieg weiterhin eine grundlegende Rolle - wahrscheinlich ist das Schreiben über den Frieden gar nicht ohne das Schreiben über den Krieg möglich. Daneben ist auch die habsburgisch-osmanische Diplomatie doch keineswegs ein unterbelichtetes Thema. Anders sieht dies für die "öffentlichen Geschichtsbilder" aus, denen sich die Herausgeber explizit zuwenden (12-17). Hier kann es nur wünschenswert sein, wenn die Perspektive eines unweigerlichen 'Clash of Cultures' hinter die der Kooperation zurücktritt. Dazu kann der Band einen wichtigen Beitrag leisten.
Anmerkung:
[1] Vgl. dazu A. Reckwitz: Kulturelle Differenzen aus praxeologischer Perspektive. Kulturelle Globalisierung jenseits von Modernisierungstheorie und Kulturessentialismus, in: Kulturen vergleichen. Sozial- und kulturwissenschaftliche Grundlagen und Kontroversen. Hgg. von Ilja Srubar / Joachim Renn / Ulrich Wenzel, Wiesbaden 2005, 92-111, Zitat: 106.
Florian Kühnel