Kathryne Beebe: Pilgrim and Preacher. The Audiences and Observant Spirituality of Friar Felix Fabri (1437/8-1502) (= Oxford Historical Monographs), Oxford: Oxford University Press 2014, XVIII + 270 S., 1 s/w-Abb., 3 Karten, ISBN 978-0-19-871707-2, GBP 60,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Johannes Grabmayer: Europa im späten Mittelalter 1250-1500. Eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt: Primus Verlag 2004
Sarah Neumann: Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil - Wettstreit - Ehrensache, Ostfildern: Thorbecke 2010
Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt/M.: Campus 2013
Der vorliegende Band untersucht die Rezeptionsbedingungen von Felix Fabris Predigten und Berichten über seine beiden Pilgerfahrten in den Vorderen Orient. Es handelt sich um die Druckversion einer Oxforder Dissertation aus dem Jahre 2007. Das fünfte Kapitel über virtuelle Pilgerschaft, weibliche Spiritualität und dominikanische Observanzbewegung stellt die Umarbeitung eines 2008 erschienen Aufsatzes dar (178-210).
Die erste Reise führte den Ulmer Dominikaner im Jahre 1480 nach Jerusalem, die zweite 1483/84 ebenfalls ins Heilige Land, weiter zum Katharinenkloster auf den Sinai und bis nach Assuan am Nil. Nach seiner Rückkehr predigte der praedicator generalis seiner Ordensprovinz häufig über seine Fahrten: vor Ordensbrüdern in seinem Konvent, vor weiblichen Religiosen in anderen Klöstern und vor Laien in Ulm und Umgebung.
Fabri hinterließ verschiedene Reisebeschreibungen im Manuskript, die zu seinen Lebzeiten mehrfach kopiert und weitergereicht, im Unterschied zur "Peregrinatio in Terram Sanctam" seines Mitreisenden Bernhard von Breidenbach von 1486 aber nicht gedruckt wurden: das kurze "Gereimte Pilgerbüchlein" über seine erste Reise, das längere "Pilgerbuch" in Prosa zu Ehren der adligen Gesellschaft, die er als Kaplan auf seiner zweiten Reise begleitete, beide auf Deutsch, das detailreiche lateinische "Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem" für seine Ulmer Brüder über beide Reisen sowie den auf Deutsch verfaßten "Sionpilger". Letztere Schrift war speziell für weibliche Religiosen, für die Fabri als Prediger und Seelsorger tätig war, als "virtual pilgrimage" gedacht (4), ein Werk, das seine Leser oder Hörer auf eine spirituelle Reise ins Heilige Land nehmen wollte, weil diese nicht persönlich reisen durften oder konnten, also "Armchair Pilgrims" bleiben mußten (129).
Die einzelnen Werke werden hier in ihrem Entstehungs- und Überlieferungszusammenhang, besonders in Sammelhandschriften, dargestellt sowie Marginalia und Textgliederungen der Manuskripte in Betracht gezogen, um zu Aussagen über den jeweiligen Rezipientenkreis zu gelangen. Dafür werden auch exemplarisch Textvergleiche zwischen ihnen angestellt (über das erste Erblicken des Heiligen Landes und über die Helenakapelle in der Grabeskirche, 112-122). Damit sollen Antworten auf Fragen wie die folgenden gefunden werden: "How were they reading him? As an interesting story? A practical guide? Out of professional interest in pilgrimage in the Holy Land? Or as a more abstract spiritual exercise?" (153). Die Fragestellungen sind an sich interessant, insbesondere weil sie in Verbindung zur dominikanischen Observanzbewegung ihrer Zeit gestellt werden. Allerdings bleibt die Untersuchung zu punktuell, als dass überzeugende Antworteten gegeben werden könnten.
Zutreffend ist die Beobachtung, dass die Predigt und detailreiche Pilgerliteratur eines Felix Fabri für eine "new, contemplative spirituality of place" am Ende des Mittelalters spreche (215), was ebenso an zeitgenössischen Altarretabeln zu erkennen sei, die das Heilsgeschehen vor der Kulisse der eigenen Heimat stattfinden lassen, oder an nachgebauten Heiligen Gräbern, die Golgatha ins Abendland verpflanzen. Fabris Hörer und Leser sollten sich durch seine realistischen Darstellungen selbst als Teil des Heilsgeschehens imaginieren können. "And, in an act of contemplative crusade, they claimed Jerusalem and the holy sites for their communities; for their convents; for their towns; for themselves." (218) Dafür spräche, dass Fabri seinen Pilgerbericht im Evagatorium nicht einfach mit der Rückreise enden lassen wollte, sondern mit der Beschreibung seiner Vaterstadt und Heimat (dann aber separat als eigenes Buch verfasst: Descriptio Sueviae/Tractatus de civitate Ulmensi).
Der Band bietet eine kleine s/w Abbildung aus dem Katharinenfresko im Ulmer Münster, drei Karten zu Fabris Pilgerreisen, zur Lage religiöser Institutionen im Südwesten, mit denen er in Verbindung stand, und zu den Orten der Manuskriptüberlieferung sowie eine Reihe von nützlichen Tabellen zur Überlieferung, Zusammensetzung der Sammelhandschriften und Marginalien. In einem Appendix wird eine knappe Beschreibung der handschriftlichen Überlieferung der Pilgerschriften Fabris nach Werken und Fundorten gegeben.
Das Buch geht einigen interessanten Fragen an einem prominenten Beispiel nach. Es ist gründlich, aber nicht ohne Redundanzen und kommt nicht immer zu überzeugenden Antworten.
Uwe Israel