Rezension über:

Margarete van Ess / Klaus Rheidt (Hgg.): Baalbek - Heliopolis. 10.000 Jahre Stadtgeschichte (= Zaberns Bildbände zur Archäologie - Sonderbände der Antiken Welt), Mainz: Philipp von Zabern 2014, 200 S., 181 Farb-, 39 s/w-Abb., 28 Pläne und Karten, ISBN 978-3-8053-4765-5, EUR 39,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Michael Blömer
Forschungsstelle Asia Minor, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Michael Blömer: Rezension von: Margarete van Ess / Klaus Rheidt (Hgg.): Baalbek - Heliopolis. 10.000 Jahre Stadtgeschichte, Mainz: Philipp von Zabern 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 4 [15.04.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/04/26062.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Margarete van Ess / Klaus Rheidt (Hgg.): Baalbek - Heliopolis

Textgröße: A A A

Das Ensemble antiker Bauten von Baalbek - Heliopolis in Libanon ist eine der faszinierendsten Ruinenlandschaften der Welt. Ihrem Reiz erlag auch Kaiser Wilhelm II., der nach einem Besuch im Jahr 1898 Forschungen an diesem Ort initiierte. Deren Ergebnisse bilden bis heute eine wichtige Grundlage für das Wissen über die Stadt und das monumentale Heiligtum des Iuppiter Heliopolitanus. Die umfangreichen Grabungsarbeiten späterer Jahrzehnte sind dagegen oft nur lückenhaft publiziert, was nicht zuletzt der wechselvollen politischen Geschichte Libanons geschuldet ist. Um diesen Missstand zu beheben, war 2002 ein deutsch-libanesisches Kooperationsprojekt ins Leben gerufen worden, in dessen Rahmen Funde und Befunde aus zahlreichen unpublizierten Altgrabungen aufgearbeitet und umfangreiche Nachuntersuchungen durchgeführt wurden. Dabei ist erstmals auch das Umland der Stadt in die Untersuchung einbezogen worden. Einen sehr guten Überblick über die Resultate dieses inzwischen abgeschlossenen Großprojektes bietet das vorliegende Buch. Ungewöhnlich dabei ist, dass neu gewonnene Forschungsergebnisse in einem Band vorgestellt werden, der sich dezidiert auch an ein Nicht-Fachpublikum richtet. Der Spagat zwischen wissenschaftlicher Präzision und öffentlichkeitswirksamer Präsentation ist jedoch in den meisten Beiträgen vorbildlich gelungen. Vieles wird freilich nur sehr kurz angerissen, so dass für eine angemessene Beurteilung zahlreicher interessanter Einzelbeobachtungen die angekündigten Abschlusspublikationen abgewartet werden müssen.

Insgesamt umfasst der Band 24 Einzelbeiträge. Sie decken ein breites Themenspektrum ab, das von Darstellungen der naturräumlichen Bedingungen, der Forschungsgesichte und der vorhellenistische Phase Baalbeks über Einzeldarstellungen bekannter und weniger bekannter Bauwerke der Blütezeit des Heiligtums bis hin zu übergreifenden Essays zur Stadtentwicklung reicht. Auch außerstädtische Bereiche wie Nekropolen, Steinbrüche und die Besiedlung des Umlandes sind Beiträge gewidmet, ebenso einzelnen Fundgattungen wie den Skulpturen, den Mosaiken und der Keramik. Mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse der jüngsten Forschungen im Heliopolitanus-Heiligtum von Carnuntum wird zudem eine interessante Perspektive auf die Verehrung der heliopolitanischen Götter außerhalb von Baalbek eröffnet.

Der Schwerpunkt des Bandes liegt freilich auf den Ergebnissen der Bauforschung. Hier ist in der Tat sehr viel geleistet worden, wie neben dem Beitrag von Daniel Lohmann zum Jupitertempel vor allem die Ergebnisse der Forschungen zu den peripheren Kultanlagen zeigen. Zu nennen sind vor allem das Quellheiligtum von Ras el-Ain, der Merkur-Tempel auf dem Sheikh Abdallah und das Heiligtum im Areal Santa Barbara. Bemerkenswert sind auch die Resultate der Forschungen am Peristylgebäude im Areal Bustan el-Khan, bei dem es sich um das größte bekannte Bankettgebäude der Antike handelt, und in der benachbarten monumentale Thermenanlage. Beiden Bauten hatten vor Beginn des Projektes kaum Beachtung gefunden.

Nach der Darstellung der antiken Stadt und ihrer Heiligtümer wird im letzten Drittel des Buches Baubefunden und Funden aus Spätantike und Mittelalter die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Aus einer Kombination neuer Forschungen und der Auswertung älterer Befunde ergibt sich dabei erstmals ein zusammenhängendes Bild der spätantiken Stadtanlage mit Säulenstraßen und prächtigen Villen. Für die Kenntnis des frühislamischen bis osmanischen Epoche haben sich vor allem die Ausgrabungen im Stadtviertel Bustan Nassif als ertragreich erwiesen, deren Ergebnisse kenntnisreich präsentiert werden. Beiträge zu den Fundmünzen und der Keramik dieser Zeit runden das Bild ab.

Insgesamt bietet der Sammelband einen Überblick zu allen Abschnitten der Entwicklung des Ortes von der Bronzezeit bis zum Ende des osmanischen Reiches, wie es ihn in dieser Dichte bisher nicht gab. Bedauerlich ist allerdings, dass ein zentraler Aspekt weitgehend ausgeklammert wurde. Über die in Baalbek in römischer Zeit verehrten Gottheiten erfährt der Leser so gut wie nichts. [1] Hier wäre es mehr als lohnend gewesen, den aktuellen Forschungsstand und die komplexe Diskussion um den Charakter der heliopolitanischen Götter zusammenzufassen, zumal gerade in den vergangenen Jahren durchaus ein Paradigmenwechsel in ihrer Beurteilung vollzogen wurde. [2]

Dem Zuschnitt der Publikation entsprechend bleiben manche Fragen offen und manche These erscheint diskussionswürdig. In der Präsentation des großen Jupiterheiligtums lässt etwa die Deutung des großen Altars im Vorhof als Aussichtsplattform für Kultteilnehmer ebenso Zweifel aufkommen wie die Interpretation des halbrunden Vorplatzes als kultisches Theater. [3] Hier wird man jedoch, wie bereits gesagt, die angekündigten Abschlusspublikationen abwarten müssen, um sich ein fundiertes Urteil erlauben zu dürfen.

Wie bei den Sonderbänden der Antike Welt üblich, ist das Buch großzügig und qualitätvoll bebildert. Besonders hervorzuheben sind dabei die zahlreichen guten Pläne und Phasenpläne. Die reiche Ausstattung macht es dem Leser leicht, den Ausführungen der Autoren zu folgen und vermittelt ein sehr plastisches Bild von der Stadt und ihren Bauten. Ärgerlich ist hingegen, dass viele der in den Endnoten als Kurzzitat angeführten Titel im Literaturverzeichnis fehlen.

Insgesamt gelingt es dem Band auf anschauliche Weise, ein vielfach neues, stets aber deutlich erweitertes Bild von der langen (Bau)geschichte Baalbeks zu vermitteln. Nicht nur für Studierende wird dieser Band in Zukunft einen fundierten und auch bequemen Zugang zu den Denkmälern der Stadt und ihrer Geschichte bieten. Begrüßenswert ist zudem das Bestreben, neue Forschungsergebnisse nicht nur Spezialisten, sondern auch einer interessierten Öffentlichkeit zeitnah zugänglich zu machen.


Anmerkungen:

[1] Eine Ausnahme bilden die Ausführungen zum Heiligtum Santa Barbara, dessen mögliche Deutung als Musenheiligtum Frederike Hoebel favorisiert, was freilich mit guten Gründen abgelehnt wurde, vgl. J. Aliquot, La vie religieuse au Liban sous l'empire romain (Beirut 2009) 293 f.

[2] A. Kropp, The Gods of Heliopolis (Baalbek) at the National Museum of Beirut. Revisiting Some Questions of Iconography, BAAL 13, 2009, 229-252; A. Kropp, Jupiter, Venus and Mercury of Heliopolis (Baalbek). The Images of the "Triad" and its Alleged Syncretisms, Syria 87, 2010, 229-264.

[3] Bei der vermeintlichen Darstellung des halbrunden Platzes vor den Stufen zum Heiligtum auf einer Münze des Philippus Arabs (Abb. 83) handelt es sich um den üblichen Perlkreis, der das Münzbild rahmt.

Michael Blömer