Rezension über:

Göran Rydén u.a. (ed.): Sweden in the Eighteenth-Century World. Provincial Cosmopolitans, Aldershot: Ashgate 2013, XIV + 355 S., 16 Farb-, 33 s/w-Abb., ISBN 978-1-4094-6588-1, GBP 75,00
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Rezension von:
Thomas Eisentraut
Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Archäologisches Landesmuseum Schleswig
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Eisentraut: Rezension von: Göran Rydén u.a. (ed.): Sweden in the Eighteenth-Century World. Provincial Cosmopolitans, Aldershot: Ashgate 2013, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 5 [15.05.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/05/26633.html


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Göran Rydén u.a. (ed.): Sweden in the Eighteenth-Century World

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"Where in the World was Sweden?" lautet die Überschrift des zweiten Kapitels der durch Göran Rydén herausgegebenen Aufsatzsammlung. Die Frage lässt sich nicht nur geografisch sondern auch ideologisch verstehen. In vierzehn Kapiteln befassen sich elf verschiedene Autoren mit den unterschiedlichen Formen und Auswirkungen des Kosmopolitismus in und vor allem für das provinzielle Schweden des 18. Jahrhunderts. Die Publikation stellt das Ergebnis eines wissenschaftlichen Projektes dar, welches von 2010 bis 2011 durchgeführt wurde. Ziel war es, die vielfältige Bedeutung des Kosmopolitismus der Provinz(en) zu untersuchen und dessen tatsächliche Ausprägung pointiert darzustellen.

Der Veröffentlichung sind zwei Aufsätze vorangestellt, die für das elementare Verständnis notwendig sind. Der Herausgeber Göran Rydén, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Uppsala, führt zunächst in die Thematik ein (1-32). Sein Forschungsschwerpunkt ist Schweden aus der globalen Perspektive im 18. Jahrhundert, wobei er vor allem nach den Auswirkungen der globalisierten Welt auf Schweden und die daraus resultierenden Veränderungen fragt. Rydén erklärt ausführlich den Terminus des "Cosmopolitanism" (16) sowie dessen Ausprägung in Schweden (26-29), als auch die Problematik des langen 18. Jahrhunderts, für Schweden der Zeitraum von 1718/21 bis 1809 (27-28). Entsprechend sind sämtliche Beiträge der Publikation im Zeitraum nach der schwedischen Großmachtzeit (schwedisch stormaktstid) und dem Zeitpunkt, als Schweden Finnland an Russland abtreten musste, angesiedelt.

Die Aufsätze sind mit wenigen Ausnahmen - den zwei vorangestellten Beiträgen und einem abschließenden - jeweils mit einem einseitigen Prolog zu den Themen Language, Cultivation, Taste, Liberty, Image, Faith, Peace, Colour, Manners, Slavery und Compassion versehen. Die Vergabe solcher Themenblöcke ist durchaus gerechtfertigt und macht zugleich das unerwartet breite Themenspektrum der einzelnen Studien deutlich. Die Beiträge befassen sich mit dem Austausch von Ideen, Innovationen und den sich verändernden politischen Rahmenbedingungen im damaligen Schweden. Anhand der Biografien einzelner schwedischer Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts wird die Bedeutung des provinziellen Kosmopolitismus herausgearbeitet und nachvollziehbar rekonstruiert.

Schweden fällt im 18. Jahrhundert eine besondere Position zu, da seine natürlichen Ressourcen - Eisen, Kupfer, sowie eine Vielzahl von Rohstoffen für den Schiffbau - das Land bereits seit dem 17. Jahrhundert zu einem wirtschaftlichen global player ersten Ranges gemacht hatten. Ausländische Personen bereisten das Königreich fortwährend, um seine technischen Innovationen zu studieren. Ebenso bereisten Einwohner Schwedens das gesamte übrige Europa. Es war eine Zeit des Austausches, eine Zeit des Kosmopolitismus, die zum überwiegenden Teil auf dem Relikt der adeligen Grandtour aufbaute. Auffällig oft tauchen die Namen von bekannten Persönlichkeiten (Carl De Geer, Christopher Polhem, Bengt Ferrner, Jean Lefebure, Anders Chydenius, Augustin Ehrensvärd) auf, die über grenzüberschreitende Netzwerke verfügten. Die Bevölkerungsarmut trug wesentlich dazu bei, dass die Elite in Schweden äußerst stark vernetzt war (34). Die hohe Mobilitätsrate verknüpft mit einem soliden, wirtschaftlichen Netzwerk war es jedoch, die das Königreich maßgeblich veränderte.

Eine Form der Globalisierung, hervorgerufen durch neue Absatzmärkte und unter dem Einfluss des Merkantilismus, sowie neue Produkte (Zucker, Tabak, Baumwolle) führten zu einer sozialen und gesellschaftlichen Veränderung in den Mutterländern der Kolonien. Schweden erhielt im Jahr 1784 die Insel Saint-Barthélemy durch einen Tauschvertrag von Frankreich. Diese territoriale Erweiterung trug wesentlich zu einer innenpolitischen Auseinandersetzung mit der Thematik der Sklaverei bei, die durch Holger Weiss ausführlich diskutiert wird (275-300). Aber auch die sogenannte bewaffnete Neutralität spielte für die außenpolitische Entwicklung Schwedens eine wichtige Rolle. Sie stellte eben nicht nur eine rein politische oder wirtschaftliche Notwendigkeit dar, sondern verknüpfte Probleme und Interessenfelder aus unterschiedlichen Bereichen, wie Leos Müller akzentuiert hervorhebt (203-224).

Ein zentrales Element war ferner die Landwirtschaft. Im 18. Jahrhundert war die Nutzung der Ackerflächen an ihre Grenzen gekommen. In der Gesellschaft entwickelte sich das Interesse, aber auch das Bedürfnis, sich über neue Möglichkeiten der Optimierung auszutauschen, was zu zahlreichen Gründungen von Landwirtschaftsgesellschaften führte, sich aber auch im Anbau neuer Produkte, wie dem des Tabaks, niederschlug. Mats Morell widmet seinen Beitrag diesem bisher vernachlässigtem Forschungsbereich (69-92).

Insbesondere die Thematik der Freiheit (schwedisch frihet) spielte im Schweden des 18. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. Nach dem Tod des schwedischen Königs Karl XII. im Jahr 1718 erfolgte ein Dynastiewechsel, verbunden mit einer Aufhebung der königlichen Alleinherrschaft. Die sogenannte Freiheitszeit (schwedisch frihetstid) begann, in der sich ein Protoparteiensystem herausbildete. Diese Periode wurde erst 1772 durch einen Staatsstreich des neuen schwedischen Königs Gustav III. beendet. Der Beitrag von Sonya Petersson (147-174) stellt einen in der Forschung stark vernachlässigten Bereich - die Bedeutung von Gemälden, Kupferstichen und grafischen Inkunabeln für das Bürgertum - ins Zentrum. Carola Nordbäck (177-200) thematisiert die Herausbildung von religiösen Grundüberzeugungen innerhalb des Zeitraumes von 1765-1780, zu denen unter anderem auch das Streben nach Glück gehörte. Eben jener Punkt erhält eine besondere Bedeutung, wenn man nur die unterzeichnete amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom Juli 1776 berücksichtigt.

Die Aufsatzsammlung wird durch voran- und hintangestellte Beiträge, die als eine Art Klammer dienen, eingerahmt. Der einführende sowie der abschließende Beitrag wurde durch den Herausgeber der Publikation, Göran Rydén, der abschließende Beitrag gemeinsam mit Holger Weiss, verfasst. Während des Projektes fanden drei Arbeitstreffen statt. Das erste in der Bergwerksgrube von Leufsta, das letzte in der Festung von Sveaborg. Die beiden Beiträge thematisieren diese historischen Plätze und bilden einen würdevollen Rahmen, der beim Leser ein geschlossenes Bild zurücklässt. Die Publikation lebt von den stark unterschiedlichen Fachgebieten der einzelnen Autoren. Das 14. Kapitel (325-334), das den Titel "Summary" verdient hätte, fasst die unterschiedlichen Erzählstränge nuanciert am Beispiel der schwedischen Festungsanlage von Sveaborg zusammen.

Die Publikation schließt eine Lücke in der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung über Schweden, indem sie die schwedische "Provinz" in den Blick nimmt und infolgedessen mit den früheren Forschungsschwerpunkten, die ihren Fokus vornehmlich auf Städte und Industriezentren legten, bricht. Die Autoren beleuchten den Kosmopolitismus in einem weiteren - im Grunde nicht näher eingrenzbaren - Raum und in einer globalen Perspektive. Die Publikation schließt mit einem Glossar, welches die wichtigsten Termini auflistet, und einem kombinierten Orts- und Personenregister (345-355), das das schnelle Erschließen des Bandes wesentlich erleichtert.

Thomas Eisentraut