Rezension über:

Maddalena Betti: The Making of Christian Moravia (858-882). Papal Power and Political Reality (= East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450-1450; 24), Leiden / Boston: Brill 2014, XIII + 251 S., ISBN 978-90-04-21187-2, EUR 103,00
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Rezension von:
Jerzy Strzelczyk
Collegium Historicum, Uniwersytet im. Adama Mickiewicza, Poznań
Redaktionelle Betreuung:
Christoph Schutte
Empfohlene Zitierweise:
Jerzy Strzelczyk: Rezension von: Maddalena Betti: The Making of Christian Moravia (858-882). Papal Power and Political Reality, Leiden / Boston: Brill 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 11 [15.11.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/11/27979.html


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Andere Journale:

Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.

Maddalena Betti: The Making of Christian Moravia (858-882)

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Die Problematik der politischen Organisation des überwiegend (Groß-)Mähren genannten Reiches stellt einen wesentlichen Teil nicht nur der frühmittelalterlichen Geschichte der slawischen Länder, sondern auch der gesamteuropäischen Geschichte des 9. Jahrhunderts dar. Es handelt sich um eines der frühesten quellenmäßig erfassbaren und das erste gesamtslawische Staatswesen von zumindest mitteleuropäischer Bedeutung überhaupt. Die Christianisierung und die Herausbildung seiner kirchlichen Organisation sind dabei als integraler Bestandteil dieser Problematik zu betrachten. Die Quellengrundlage für den Zeitraum und die Region ist sogar relativ umfangreich, auch wenn sie uneinheitlich und von unterschiedlicher Provenienz ist, was es nicht einfach macht, zu eindeutigen Ergebnissen zu gelangen. Es verwundert daher nicht, dass viele Probleme trotz der seit fast zweihundert Jahren andauernden Forschungen und wissenschaftlichen Diskussionen noch nicht gelöst sind. Das imponierende vielsprachige Literaturverzeichnis der hier zu rezensierenden Arbeit (Quellen 223-227, Fachliteratur 227-245) lässt erahnen, welcher Forschungsaufwand von Maddalena Betti betrieben wurde. Dieser war jedoch auch notwendig, um zu wirklich wesentlichen Resultaten kommen zu können.

Die außerwissenschaftlichen Verwicklungen der großmährischen Problematik erleichtern dem Historiker der frühen slawischen Herrschaftsgebilde die Aufgabe keineswegs, auch wenn diese mit Blick auf die historische Traditionsbildung zu Großmähren und deren gesellschaftlich-politische Bedingtheit vom Mittelalter bis zum heutigen Tag gewiss wichtig sind. Betti ist sich dessen bewusst, und obwohl der Schwerpunkt ihrer Ausführungen auf den Ereignissen und Prozessen des 9. Jahrhunderts liegt, widmet sie diesen Verwicklungen doch die nötige Aufmerksamkeit.

Die Arbeit, die auf Grundlage einer Dissertation an der Universität Padua von 2008 entstanden ist, setzt sich aus drei Hauptteilen sowie dem Fazit zusammen und ist mit 5 Karten, dem erwähnten Quellen- und Literaturverzeichnis sowie einem Index ausgestattet. Thema des ersten Teils sind die Sichtweisen und Differenzen in der Überlieferung und Historiografie der letzten zwei Jahrhunderte in der Frage der Entstehung und Lokalisierung der Erzdiözese des Heiligen Method. Die Ausführungen der Autorin zu Einordnung und Rolle der Mission und des Werks von Method im Hinblick auf die romantische Slawophilie, die geistige Erweckung der Slawen, die ökumenischen Bestrebungen der römischen Kurie, die tschechoslowakische und heutige tschechische und slowakische Ideologie wie auch die Präsentation der gewichtigeren Standpunkte von Gelehrten (Palacký, Dvorník, Boba, Eggers) fallen stellenweise etwas knapp aus, was verständlich ist, bilden letztlich aber eine gute Einführung in die Problematik und das Gestrüpp jahrhundertealter wissenschaftlicher Polemiken. Den Kern der Monografie bilden die beiden nächsten Kapitel: "The Origins of the Methodian Diocese during the Pontificates of Nicholas I (858-867) and Hadrian II (867-872)" und "The Pannonian-Moravian Diocese in the Letters of Pope John VIII (872-882): Papal Strategies and Language". Jeder der drei Teile endet mit einer Zusammenfassung, unabhängig von den generellen Schlussfolgerungen am Ende des Buches.

Es fällt schwer, im Rahmen einer knappen Rezension den Inhalt dieser Monografie detaillierter darzustellen. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass sie in der Historiografie zu Method einen gewichtigen Platz einnehmen wird. Dies wird vor allem durch die subtile Analyse der Quellen unter besonderer Betonung des in der Forschung nicht immer gewürdigten Aspekts der zeitlichen, gesellschaftlichen und ideologischen Heterogenität der Dokumente erreicht, die aus der komplizierten und keineswegs gradlinigen Strategie der Römischen Kurie sowie der politischen Manöver, an denen zusätzlich auch das Byzantinische Reich, das Patriarchat von Konstantinopel, das Königreich der Ostfranken, das bayerische Episkopat sowie die sich im Handlungsraum von Konstantin und Method bildenden slawischen politischen Subjekte beteiligt waren, resultiert. Am häufigsten und nicht immer ausreichend kritisch werden Quellen slawischer Provenienz benutzt (vor allem Hagiografien der beiden Missionare), die einen speziellen Standpunkt abbilden und nur geringfügige Bestätigung in den Quellen päpstlicher Provenienz (Papstbriefe, Vita Constantini-Cyrilli cum translatione S. Clementis) finden. Letztere spiegeln das Mäandern der Kurienpolitik gegenüber der Slawen-Mission besser wider. Diese Politik resultierte vor allem aus der Rivalität mit dem Patriarchat von Konstantinopel, musste aber auch die Komplexität der Beziehungen zu den ostfränkischen Herrschern und dem bayerischen Episkopat berücksichtigen, umso mehr, als die östlich der Grenzen des postkarolingischen Reiches gelegenen Gebiete zur Interessen- und Einflusssphäre dieser beiden Machtzentren gehörten. In diesem Zusammenhang ist auch die bereits vor Kyrill und Method erfolgte Christianisierungsaktion zu beachten. Schließlich konnte die päpstliche Politik auch nicht gleichgültig bleiben gegenüber den sich herausbildenden slawischen politischen Akteuren, speziell den großmährischen Herrschern. Anfangs war Bulgarien das Hauptziel der päpstlichen Bemühungen. Als dies jedoch definitiv in den byzantinischen Einflussbereich geraten war, verlagerte sich der Schwerpunkt der päpstlichen Politik auf das Einzugsgebiet der mittleren Donau. Den "revisionistischen" Ansichten von Imre Boba und Martin Eggers, die das Tätigkeitsgebiet der "Slawenapostel" und damit zugleich das Kerngebiet der politischen Organisation der dortigen Slawen südlich (Boba) beziehungsweise östlich (Eggers) der Donau ansetzen, begegnet Betti mit gesunder Skepsis und stellt sich auf die Seite der traditionellen Sichtweise (Mähren und Slowakei). Da man erst ab dem Jahr 880 von einer festgelegten territorialen Gestalt der Kirchenprovinz des Method sprechen kann, dürften Versuche, eine derartige Gestalt und damit wenigstens annähernd das Machtgebiet der großmährischen Herrscher auf Basis früherer Quellen zu bestimmen, nach Auffassung der Autorin nicht von Erfolg gekrönt sein.

Die starke Seite der Studie bildet die solide Benutzung sowohl der westlichen als auch der in den slawischen Ländern erschienenen Fachliteratur. Von Letzterer werden vor allem in Tschechien und der Slowakei entstandene Arbeiten herangezogen; die Benutzung der polnischsprachigen Literatur fällt als Einzige unter den fremdsprachigen verhältnismäßig schwach aus. Die Argumentation ist klar, die Schlussfolgerungen sind in der Regel gut begründet. Mit Interesse darf man der weiteren Diskussion entgegensehen, insbesondere etwa einem Vergleich dieser Monografie mit der fast gleichzeitig erschienenen Studie des tschechischen Historikers Vladimír Vavřínek.[1]


Anmerkung:

[1]: Vladimír Vavřínek: Cyril a Metoděj mezi Konstantinopoli a Římem [Kyrill und Method zwischen Konstantinopel und Rom], Praha 2013.

Jerzy Strzelczyk