Benjamin Hitz: Kämpfen um Sold. Eine Alltags- und Sozialgeschichte schweizerischer Söldner in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015, 385 S., ISBN 978-3-412-22494-3, EUR 49,90
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Der Titel ist treffend gewählt. Tatsächlich war es ein "Kämpfen um Sold" - und zwar in doppeltem Sinn. Die Söldner kämpften nicht nur für ihren Kriegsherrn um Sold, sondern der Kampf um Sold setzte sich fort in der Zeit nach dem Soldvertrag, wenn sie nach Hause zurückgekehrt waren und nun, häufig nur zum Teil bezahlt, berechtigte Soldansprüche hatten. Wer wie Benjamin Hitz solche Probleme aus den Quellen filtert, gelangt zu einer Alltags- und Sozialgeschichte schweizerischer Söldner.
Hitz beginnt mit einem Forschungsüberblick, der bei diesem zentralen Thema Schweizer Geschichtsforschung besonders wichtig ist, um die Notwendigkeit dieser Untersuchung vor Augen zu führen. Von Vornherein erfolgt damit die Abgrenzung zur Schweizer Heldengeschichte, denn Arbeiten zum "Fremdendienst" wurden bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts vor allem unter diesem Blickwinkel publiziert. Längst haben sich aber Sozial- und Wirtschaftshistoriker in der Schweiz neben der stärker militärhistorisch orientierten Forschung dieses Themas angenommen.
Die von Valentin Groebner betreute Dissertation, die hier in überarbeiteter Form vorgelegt wurde, ist im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts "Menschen als Ware" entstanden. Dementsprechend untersucht Hitz auch primär die wirtschaftliche Dimension des Solddienstes: die ökonomischen Logiken des Solddienstes und die alltägliche wirtschaftliche Praxis eines Geschäfts, das hochgradig monetarisiert war und wesentlich durch ständige Geldschwierigkeiten der Dienstherren bestimmt.
Was ist Söldneralltag? Dazu gehören die für die Kriegsknechte enorm wichtigen Bereiche Ernährung und Unterkunft, aber auch Ausschweifungen und Gewalt in der Freizeit. Im Kapitel "Der Kampf um das tägliche Brot" erläutert Hitz den Normalzustand, wie ihn der Kriegsherr festlegte und wie es europaweit üblich war. Der Soldknecht wird mit seinem Sold auch für die benötigten Nahrungsmittel bezahlt, die er beim Marketender erwerben kann. Doch dies funktionierte selten. Der Markentender bot nur an, was er im Kriegsgebiet erwerben konnte. Auch Teuerung als Kriegsfolge stellte ein Problem dar. Manchmal trug der französische Kriegsherr dem sogar teilweise Rechnung, ließ bei Teuerung und Versorgungsproblemen Brot und Wein an die Schweizer Regimenter liefern, ein Vorgang, den man als "Munition" bezeichnete. Wie und zu welchen Preisen die Marketenderei dann dazu Fleisch und Gemüse einkaufte, ist bisher unerforscht. Jedenfalls waren die Lieferungen durch den Kriegsherrn für die Soldknechte nicht gratis, sie mussten bezahlt werden bzw. wurden vom Sold abgezogen. Manchmal wurde bei Teuerung auch der Sold erhöht, aber eben eher ausnahmsweise. Diese ständige Ungewissheit zwang die Soldknechte zur Selbsthilfe. Sie schlossen sich zu informellen (von Haupt- und Befehlsleuten nicht initiierten und nicht kontrollierten) "Bursten" zusammen, d.h. zu genossenschaftlichen Kleingruppen, die auf gemeinsame Kosten lebten, ihre Ernährung organisierten, auch die Zubereitung der Lebensmittel. Weil aber Kochen gewöhnlich nicht Sache der Knechte war, gehörten auch Frauen aus dem Tross zur Burst. Man erweiterte deren Zuständigkeit, bald zählte auch die Betreuung verletzter und kranker Burstgesellen dazu.
Hitz untersucht auch andere Kernpunkte des täglichen Lebens: die Hoffnung auf ein gutes Quartier, die Bedeutung von Alkohol und Spiel, die von Konflikten und Händeln zwischen den Kriegsknechten. Krankheit, Verwundung und Tod gehörten zum Alltag, allerdings wollte man das nicht wahrhaben. Besonders die Befehlsleute neigten zur Tabuisierung. Wenn über Gefallene und Verstorbene nach Hause (und das heißt an den Rat des eidgenössischen Orts) berichtet wurde, dann nur knapp. Selten wurden die Namen übermittelt, häufig nicht einmal die Anzahl.
Intensiv wird auch das Verhältnis zwischen Söldnern und Hauptleuten behandelt, ein Bereich, der bisher - wohl auch wegen fehlender Quellen - wenig Beachtung fand. Hitz ergründet das "Innenleben" der Kompanien. Dabei ergab sich eine Hierarchie, die auf Herkunft und dem durch die Funktion bestimmten Status beruhte. Zur Oberschicht zählten demzufolge der Hauptmann, die Amtsleute (in etwa den Befehlsleuten bei den Landsknechten entsprechend) und die Doppelsöldner. Auch unter den gemeinen Kriegsknechten gab es solche mit höherem und mit niederem Status. In jeder Kompanie waren 6-8 über den einfachen Knechten stehende Rottmeister, Anführer der Rotten, die 30 bis 50 Knechte aus allen Waffengattungen umfassten. [1]
Frauen und Kinder bei den Schweizer Kompanien werden nur knapp behandelt, wohl deshalb, weil die Quellen dazu wenig Auskunft geben. Zweifellos gab es sie, die Möglichkeit, dass nicht nur einzelne Frauen, sondern dass ganze Familien beim Tross mitzogen und die Knechte auf Dienstleistungen ihrer Familien zurückgreifen konnten, war ohne Einschränkung gegeben und wurde vielfach genutzt, im Gardedienst scheint sie geradezu normal gewesen zu sein.
Der Solddienst war ein einträgliches Geschäft, an dem die Eliten der Eidgenossenschaft in Stadt und Land zäh festhielten, selbst als im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts das Ansehen dieses Schweizer Erwerbszweigs erheblich sank und die Kritik am Geschäft mit den Soldknechten zunahm. Das Bild von der Fleischbank, auf der die Soldknechte wie die geschlachteten Tiere verkauft würden, wurde häufig gebraucht, von Humanisten, von Reformatoren, allen voran von Zwingli. Die großen Gewinner, Söldnerunternehmer und Schweizer Eliten, waren die Metzger, Schinder und Abdecker im heftig geführten öffentlichen Diskurs um Menschenhandel und Menschenverkauf.
Letztlich bewirkten Kritik und Protest ebenso wenig wie die Pensionenunruhen rund um die Niederlage von Marignano am Anfang des 16. Jahrhunderts. Hitz führt das beispielhaft an Luzern vor: Die hohen Pensionen als Teil der Soldbündnisse mit den auswärtigen Kriegsherren, die Zahlungen der Kriegsherren mit ihren hohen Zinsen und die Abhängigkeit von diesen Herren durch Guthaben ließen die Schweizer Eliten trotz aller Widerstände fest auf das Soldgeschäft setzen. Dabei ist auch die Motivation der Soldknechte zu berücksichtigen. Neben den bekannten Push- und Pullfaktoren des europäischen Söldnerwesens wie Hoffnung auf guten Verdienst und Beute, wirtschaftliche Not und Armut, Überbevölkerung und schlechte Produktionsbedingungen kommt in der Eidgenossenschaft, je weiter das 16. Jahrhundert voranschritt, ein sehr wichtiger Faktor hinzu: Solddienst war "eine legitime Form der Arbeitsmigration mit erhöhtem Risiko - sowohl in Bezug auf körperliche Unversehrtheit wie auch auf die Bezahlung" (362).
Benjamin Hitz hat eine sorgfältig recherchierte Untersuchung, vor allem auf der Basis Luzerner Quellen (Ratsprotokolle, Gerichtsakten, Briefe der Hauptleute), vorgelegt - Alltags- und Sozialgeschichte, wie man sie sich schon lange gewünscht hat. Etwas befremdlich ist in einigen Passagen die wie selbstverständlich praktizierte begriffliche Gleichsetzung von Söldner und Soldat (66, 90, 116, 194 f., 361), problematisch zumindest für das 16. Jahrhundert! Auch mit dem Offiziersbegriff wäre da eher vorsichtig umzugehen (zutreffender: Haupt- bzw. Amtleute). Inwieweit die Quellenbasis des katholischen Orts Luzern für die gesamte Eidgenossenschaft trägt, müssen zukünftige Forschungen ergeben.
Anmerkung:
[1] Vgl. dazu neuerdings Stefan Xenakis: Gewalt und Gemeinschaft. Kriegsknechte um 1500 (Krieg in der Geschichte; 90), Paderborn 2015, 135-138.
Reinhard Baumann