Elena Franchi / Giorgia Proietti (a cura di): Guerra e memoria nel mondo antico. Introduzione di Marco Bettalli (= Quaderni; 6), Trento: Editrice Università degli Studi di Trento 2014, 361 S., ISBN 978-88-8443-589-7, EUR 13,00
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Der von Elena Franchi und Giorgia Proietti herausgegebene Sammelband vereint eine Reihe von Vorträgen, die in den Jahren 2012 bis 2015 am Laboratorio di Storia Antica der Università degli Studi di Trento gehalten wurden. [1]
Fast ein Drittel des Bandes wird von einem umfänglichen Beitrag der beiden Herausgeberinnen eingenommen (17-125). Dieser bietet keine konzeptionelle Einführung, sondern zwei Forschungsberichte, wobei Elena Franchi die Militärgeschichte, Giorgia Proietti die Forschungen zu sozialen Gedächtnissen behandelt. Beide Abschnitte sind sorgfältig erstellt und werden jedem, der sich neu in diese Themenbereiche einarbeiten will, hervorragende Dienste leisten. Andererseits zeigt sich bereits hier, dass die Reihung der Begriffe "Krieg" und "Erinnerung" im Titel eher additiv zu verstehen ist, denn abgesehen von Querverweisen werden im Wesentlichen zwei unabhängige Berichte über das jeweilige Forschungsfeld als Ganzes gegeben. Eine thematische Konzentration auf die Erinnerung an Kriege, wie sie der Titel, das Vorwort und die kurze Einführung von Marco Bettalli suggerieren, findet nicht statt.
Die Gestaltung des Beitrags der Herausgeberinnen als Forschungsbericht führt zudem dazu, dass eine spezifische Fragestellung für den Sammelband nirgends entwickelt wird. Die von Marco Bettalli in den Raum gestellte provokante These einer fundamentalen Differenz der Gegenwart gegenüber älteren historischen Perioden durch ein Verschwinden des Krieges aus der öffentlichen Wahrnehmung wird von den folgenden Beiträgen nicht mehr aufgenommen.
Es folgen acht Beiträge, die sich mit Themen vom spätbronzezeitlichen Kreta bis zur römischen Kaiserzeit befassen. Anna Lucia d'Agata behandelt einen im kretischen Sybrita gefundenen Krater des 10. Jahrhunderts v.Chr. mit der ältesten Darstellung eines Waffentanzes als Zeugnis einer Kriegerkaste und ihrer Initiationsrituale (129-151). Maria Chiara Monaco verfolgt die Verschiebung des topographischen Zentrums monumentaler Kriegserinnerungen in Athen von der Akropolis hin zur Agora, wobei die kimonische Ära als wichtiger Einschnitt ausgemacht wird (153-175). Santo Privitera wendet sich den Anathemen der Deinomeniden in Delphi zu, die nicht als Verweise auf spezifische Schlachtenerfolge, sondern als Monumentalisierung einer allgemeinen Sieghaftigkeit der Tyrannen auf militärischem und agonistischem Gebiet zu verstehen seien (177-187). Die Instrumentalisierung einer bestimmten Version der boiotischen Frühgeschichte durch Theben zur Legitimation seiner regionalen Hegemonie untersucht Cinzia Bestonso (189-210). [2] Giulia Biffis analysiert die Erinnerung an den Trojanischen Krieg in Lykophrons Alexandra und stellt dabei die überragende Bedeutung aitiologischer Verweise auf Kulte heraus (211-226). Victoria Győri grenzt verschiedene Phasen der Kommemoration kriegerischer Erfolge in der römischen Münzprägung ab: Als Neuerung der augusteischen Münzprägung macht sie dabei das Erreichen von "specificity" durch die Kombination von Darstellungen mit erklärenden Legenden aus (227-258). Cédric Brélaz verfolgt das Fortleben militärischer Elemente in den griechischen Poleis der Kaiserzeit (259-286). Schließlich wertet Andrea Zerbini - teilweise in vergleichender Gegenüberstellung mit Feldpost aus dem 1. Weltkrieg - die auf Papyri überlieferte Korrespondenz römischer Soldaten sozialgeschichtlich aus (287-342).
Die Lektüre des Gesamtbandes hinterlässt den Leser in einer gewissen Ratlosigkeit, obwohl in den einzelnen Beiträgen zweifellos vieles Interessante zu finden ist. Etliche Aufsätze haben mit individueller oder kollektiver Erinnerung nur peripher zu tun, sondern befassen sich eher mit der Präsenz und Bedeutung des Krieges in der Gesellschaft (D'Agata, Brélaz mit Ausnahme der Seiten 271-275 zur Erinnerung an die Perserkriege) oder der Sozialgeschichte des Militärs (Zerbini). Der Beitrag von Privitera relativiert gerade die Bedeutung der Erinnerung an konkrete Kriege für seinen Gegenstand. Letztlich sind die behandelten Themen zu disparat, als dass sie als sich gegenseitige erhellende Fallbeispiele aufgefasst werden könnten. Entsprechend bewirkt die an sich stets begrüßenswerte Zusammenstellung archäologischer, literaturwissenschaftlicher, althistorischer, numismatischer und papyrologischer Ansätze hier auch keine umfassende Ausleuchtung eines gemeinsam fokussierten Themas, sondern verstärkt den Eindruck einer starken Heterogenität.
Als Sammelband überzeugt das vorliegende Buch nicht, da die Qualität der einzelnen Beiträge das Fehlen eines schlüssigen Gesamtkonzeptes nicht zu überdecken vermag. Die sollte jedoch niemanden davon abhalten, die einzelnen Beiträge und insbesondere auch den Forschungsbericht der Herausgeberinnen mit Gewinn zu benutzen.
Der Band ist im Ganzen sehr sorgfältig produziert. Zu bemängeln ist einzig die Qualität der Abbildungen zu den Beiträgen von D'Agata und Győri. [3] Angesichts des vorbildlich günstigen Preises der Publikation ist dieses Manko jedoch leicht zu verschmerzen.
Anmerkungen:
[1] http://r.unitn.it/it/lett/labsa/conferenze (28.1.2016). Dort nicht aufgeführt sind neben dem Forschungsbericht der Herausgeberinnen die Beiträge von Santo Privitera, Cinzia Bestonso und Andrea Zerbini.
[2] Man vermisst in der verwendeten Literatur Angela Kühr: Als Kadmos nach Boiotien kam: Polis und Ethnos im Spiegel thebanischer Gründungsmythen (Hermes Einzelschriften 98), Stuttgart 2006.
[3] Die Abbildung des Kraters von Sybrita (136) ist so dunkel, dass sich kaum Details ausmachen lassen. Die Münzabbildungen zu dem Beitrag von Győri (248-251) sind im Verhältnis zu ihrer geringen Größe zu unscharf, als dass sich Details und Legenden in allen Fällen sicher verifizieren ließen.
Andreas Hartmann