Peter Wick / Markus Zehnder (Hgg.): The Parthian Empire and its Religions / Das Partherreich und seine Religionen. Studies in the Dynamics of Religious Diversity / Studien zu Dynamiken religiöser Pluralität (= Pietas; Bd. 5), Gutenberg: Computus 2012, 218 S., ISBN 978-3-940598-13-4, EUR 68,00
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Der vorliegende Sammelband The Parthian Empire and its Religions. Studies on the Dynamics of Religious Diversity von Peter Wick und Marcus Zehnder präsentiert die Ergebnisse einer Tagung, die im Dezember 2008 im Rahmen des in Bochum angesiedelten Käte Hamburger Kollegs Dynamics in the History of Religion between Asia and Europe stattfand.
Der Band gliedert in Einleitung, zehn Kapitel, ein knappes Stellenregister (209-215) sowie ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren (217-218).
Bereits in der Einleitung von Peter Wick und Markus Zehnder (9-16) wird deutlich, dass theologische Forschungen und Fragestellungen im Fokus des Bandes stehen. Die Herausgeber erklären das mit besonderer Wichtigkeit und gleichzeitig schlechter Erforschung der Zusammenhänge zwischen dem Partherreich und den Bibelstudien (15). Die Herausgeber betonen des Weiteren wiederholt, das Partherreich sei von der Forschung aufgrund einer 'eurozentrischen Perspektive' generell wenig beachtet worden (9). Diese - möglicherweise mit dem theologischen Blickwinkel in Zusammenhang stehende - Feststellung zeugt von gewisser Ausblendung iranistischer und althistorischer Diskurse über das Partherreich und seine Religionen. Das lässt sich auch in der Literaturrezeption der Einleitung, aber auch vieler Beiträge des Bandes nachvollziehen, wo Beiträge jüngeren Datums fehlen. [1]
Programmatisch steht der Beitrag Aspekte religiöser Vielfalt von Dieter Metzler (17-26) am Anfang des Bandes. Metzler behandelt dabei die für das Thema wichtigen Aspekte vom Partherreich an sich bis zu einzelnen religiösen Strömungen nacheinander in knapper, einführender und vergleichender Manier. Dabei spricht der Autor viele wichtige Punkte an, auch wenn nicht immer ein klarer Bezug zum Partherreich vorhanden ist - diachron und synchron werden häufig Vergleiche zu älteren / jüngeren Perioden und anderen geografischen Räumen gezogen. Vielem wird man inhaltlich dennoch zustimmen, anderes ist strittig, jedoch ob der gewählten Form des Artikels ohne Annotation kaum im Rahmen einer kurzen Rezension zu diskutieren.
Mit seinen beiden Artikeln Religionspolitik im antiken Vorderen Orient (27-52) und Religious Dynamics in the Parthian Empire: The Cases of Hatra and Arbela (103-141) trägt der Herausgeber Markus Zehnder mengenmäßig zu einem beträchtlichen Teil zum Band bei. Dabei wirkt bereits die Fragestellung des ersten Aufsatzes aus historischer Perspektive befremdlich. Der Autor vergleicht die "Religionspolitik" der Assyrer mit der der Parther und kommt zum - angesichts der vielfachen Unterschiede zwischen beiden Reichen und der beträchtlichen zeitlichen Distanz von über 350 Jahren - wenig überraschenden Ergebnis, dass der Umgang mit Religiösem sich als äußerst divergent darstellt. Während die Assyrer eine Politik der Homogenisierung religiöser Verhältnisse betrieben hätten, seien die Parther als tolerant zu beschreiben. Damit ist für beide Fälle wenig neues gewonnen.
In seinem zweiten Aufsatz zu den Fallbeispielen Hatra und Arbela trägt Zehnder nebst einer kurzen historischen Einordnung zahlreiche Informationen zu den religiösen Verhältnissen in beiden Städten zusammen. Generelle Kritik an der Methodik der Auswertung der belegten Anthroponyme in Ethnizitätserwägungen äußert Michał Marciak in seiner Rezension des Bandes. [2] Daneben betont Marciak berechtigterweise die Problematik der geografischen Gleichsetzung Arbelas and Adiabenes. Darüber hinaus fehlt es dem Beitrag an Sinnstiftung. Es werden zwar viele wichtige Details vorgebracht, allerdings ohne zusammenhängende Auswertung der Befunde. Warum die Beispiele gewählt wurden, welche möglichen Muster sich so verdeutlichen lassen, ist nicht erkennbar.
Die beiden verhältnismäßig kurzen numismatischen Aufsätze Seleukidische Vorbilder der parthischen Münzikonographie (53-66) von Linda-Marie Günther und Parthian Coins: Kingship and Divine Glory (67-81) von Vesta Sarkhosh Curtis gehören zu den stärksten des Bandes, zumal ob der komplizierten Quellenlage zum Partherreich numismatische Quellen von besonderer Relevanz sind. Günther führt aus, die parthische Münzikonografie weise altorientalische und /oder achaimenidische, aber auch hellenistische Elemente auf und schließe so - in einem ständigen Aushandeln von Nähe und Distanz - an Herrschaftsvorstellungen der Seleukiden und Achaimeniden an (63).
Sarkhosh Curtis forscht in ihrem Beitrag der königlichen Selbstdarstellung der parthischen Könige auf Münzen und Reliefs nach. Dabei stellt sie bis in achaimenidische Zeit zurückreichende Traditionen fest und baut auch wiederholt Bezüge zum Avesta auf. Zudem zeigt sie - ähnlich Günther - auf, dass die Verbindung von westlichen und östlichen Mustern, wie sie gerade auf Münzen aus der Elymais deutlich wird (76f.), durchaus von einer Neubewertung und Präzisierung im Detail profitiert.
Meret Strothmann wendet sich in ihrem Beitrag Feindeskinder an Sohnes statt. Parthische Königssöhne im Haus des Augustus den Kontakten der Parther mit dem römischen Reich zu. Die Autorin formuliert, in der positiven Behandlung der parthischen Königskinder am augusteischen Hof könne man eine Überlagerung der Konzepte der amicitia und familia erkennen sowie darüber hinaus eine gewisse Akzeptanz der Souveränität des Partherreiches erkennen (95f.).
Mit der Position der Juden im Partherreich setzen sich die Beiträge von Geoffrey Herman und Yaakov Elman auseinander. Während Herman in seinem erfreulich gut bibliografierten Aufsatz The Jews of Parthian Babylonia (141-150) für eine profundere Auseinandersetzung mit Quellenproblemen plädiert, fokussiert Elman in Jewish Acculturation to Persian Norms at the End of the Parthian Period (151-161) auf Anpassung der im Parthischen Reich lebenden Juden an vom Zoroastrismus geprägte Normen und Werte.
Analog betont auch Peter Bruns in seinem Beitrag Weltentstehung und Schöpfung bei Bardaisan von Edessa (196-207) die iranischen Leitmotive in der Eschatologie des christlichen Philosophen, dessen eigener Hintergrund von einer Verschmelzung syrischer, parthischer und hellenistischer Elemente zeuge (200).
Last but not least möchte ich auf Marco Frenschkowskis Beitrag Frühe Christen in der Begegnung mit dem Zoroastrismus: Eine Orientierung (163-194) verweisen. Der Autor fasst die einzelnen Aspekte zoroastrisch-christlicher Berührungspunkte in Literatur und Umwelt auf einer analytischen Metaebene und unter Einbezug der jüngsten Forschung konzise zusammen. Dabei ist er sich der in diesem Band vor allem von Herman betonten Quellenprobleme wohl bewusst. Er verzichtet dennoch nicht darauf, aus allen Quellengattungen verfügbare Informationen zu sammeln, kontextualisiert die einzelnen Quellen dabei allerdings genau.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der vorliegende Sammelband einen recht heterogenen Eindruck hinterlässt, auch wenn den Vorträgen des Kolloquiums vier weitere Aufsätze hinzugefügt wurden, um die religiösen Interaktionsprozesse im Partherreich aus verschiedenen Perspektiven zu präsentieren (7).
Neben eher einführenden stehen spezialisierte Beiträge, neben reflektierten eher oberflächliche Betrachtungen. Eine gewisse Diskrepanz offenbart sich auch hinter dem Anspruch, Forschungslücken hinsichtlich der Beurteilung religiöser Verhältnisse im Partherreich zu schließen, bei gleichzeitig starker Fokussierung auf theologische Fragestellungen und Forschungsansätze. Gerade in den am prominentesten gesetzten Beiträgen fehlt es an Rezeption jüngerer Forschung. Eine gemeinsame Bibliografie hätte der selektiven Literaturrezeption einiger Autoren möglicherweise entgegenwirken können und zudem die wiederholte Nennung von Standartwerken vermieden. Eine stärkere Zuspitzung auf gemeinsame Forschungsfragen und Darstellungsabsichten wäre wünschenswert; ebenso ein Sachindex.
Lobenswert scheint mir die in den meisten Aufsätzen vorhandene Einführung in die je nach Thema bedeutenden Aspekte des Partherreiches und seiner Quellenwelt, da ein aktuelles, verlässliches Einführungswerk zu den Parthern unter voller Berücksichtigung nicht-klassischer Quellen immer noch ein Desiderat der Forschung darstellt. [3]
Auch wenn der zu besprechende Sammelband einige offene und bedauerlicherweise auch ungestellte Fragen hinterlässt, wird er dennoch weitere Forschung befeuern können. Vor allem in den besonders gelungenen Beiträgen konnte gezeigt werden, dass die religiösen Verhältnisse der Partherzeit resultierend aus der historischen und geografischen Verortung des Reiches noch viele interessante Aspekte bereithalten.
Anmerkungen:
[1] Der Forschungsstand zum Thema Partherreich wird nicht einmal in einer Anmerkung zusammengetragen. Die Literaturliste der Einleitung besteht aus weniger als einer Handvoll Titel, doch während wichtige Arbeiten fehlen, wird auf einen relativ voraussetzungsreichen Aufsatz Uwe Ellerbrocks verwiesen. Einige Beiträge (Bruns, Frenschkowski, Günther, Sarkhosh Curtis, Herman) sind sehr gut bibliografiert. Allerdings wirkt sich das nicht auf die Gesamtkonzeption des Bandes aus. Vgl. ferner Anm. 3.
[2] Michał Marciak: Rez. von: Peter Wick / Markus Zehnder (Hgg.): The Parthian Empire and its Religions. Studies in the Dynamics of Religious Diversity, Gutenberg 2012, in: H-Soz-Kult, 07.01.2013.
[3] Neben bedeutsamen Sammelbänden wie etwa Josef Wiesehöfers (Das Partherreich und seine Zeugnisse, Stuttgart 1998) und Edward Dąbrowas (Orbis Parthicus, Krakau 2009) ist auf die archäologisch orientierte Arbeit von Alice Landskron (Parther und Sasaniden. Das Bild der Orientalen in der römischen Kaiserzeit, Wien 2005) und die eher auf die römische Wahrnehmung des Partherreiches fokussierende Arbeit von Charlotte Lerouge (L'image des Parthes dans le monde gréco-romain. Du début du Ier siècle av. J.-C. jusqu'à la fin du Haut-Empire romain, Stuttgart 2007) zu verweisen. Die einen Überblick versprechenden Darstellungen von Andre Verstandig (Histoire de l'Empire parthe (-250-227), Bruxelles 2001) und Uwe Ellerbrock / Silvia Winkelmann (Die Parther, Darmstatt 2012 [22015]) werden von der Forschung mehr als kontrovers gesehen.
Katharina Knäpper