Robert Born / Sabine Jagodzinski (Hgg.): Türkenkriege und Adelskultur in Ostmitteleuropa vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (= Studia Jagellonica Lipsiensia; Bd. 14), Ostfildern: Thorbecke 2014, 355 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-3-7995-8414-2, EUR 55,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Robert Born / Alena Janatková / Adam S. Labuda (Hgg.): Die Kunsthistoriographien in Ostmitteleuropa und der nationale Diskurs, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2004
Die Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich als einem wichtigen Faktor frühneuzeitlicher Geschichte nimmt seit einigen Jahren spürbar zu. Hervorzuheben sind hier allen voran die zahlreichen deutschsprachigen interdisziplinären Studien, die die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Interdependenzen zwischen dem christlichen Abendland und den Osmanen in den Vordergrund rücken. [1] In diese Reihe fällt auch der vorliegende Sammelband, der größtenteils aus der im Oktober 2008 vom Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) in Leipzig ausgetragenen internationalen Konferenz "Türkenkriege und Adelskultur in Ostmitteleuropa vom 16.-18. Jahrhundert" sowie der an demselben Institut angesiedelten Projektgruppe "Osmanischer Orient und Ostmitteleuropa. Vergleichende Studien zu Perzeptionen und Interaktionen in den Grenzzonen (16.-18. Jahrhundert)" resultiert.
Nach einem kurzen Vorwort der Herausgeber gibt Karl Vocelka einen einführenden Überblick zu der kulturhistorischen Bedeutung der Türkenzeit für das christliche Abendland und dem in Ostmitteleuropa komplexen und - aus soziokultureller Sicht - konstituierenden Beziehungsgeflecht zwischen Herrschern, Adel und Osmanischem Reich. Im ersten Themenblock stellen sodann fünf Beiträge die Integration und Instrumentalisierung der in den christlich-muslimischen Konfliktzonen beheimateten Adelseliten in den Mittelpunkt. Domagoj Madunić fragt nach der Einbindung der sogenannten "Maurowalachen" (italienisch Morlacchi) in das venezianische Verteidigungssystem in Dalmatien und der Bedeutung ihrer Aufnahme in Venedigs Kriegsapparat für die Ausformung einer maurowalachischen Elite in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im krassen Gegensatz hierzu standen die Verarmung und der allmähliche Bedeutungsverlust des ungarischen Adels in Baranya in der Zeit der osmanischen Fremdherrschaft. "Die unsichere Lage und die Abgeschnittenheit vom habsburgischen Herrschaftsgebiet in Kroatien, West- und Nordungarn" hätten zur Folge gehabt, so Claus Heinrich Gattermann (55), "dass der wichtige Prozess verschriftlichter Privilegiensicherung nicht oder nur sehr unzureichend nachvollzogen wurde". Die vielfältigen Formen der Koexistenz in dem Grenzgebiet dreier Herrschaftsbereiche - nämlich des habsburgischen, osmanischen und venezianischen - stehen im Zentrum des Beitrags von Nataša Štefanec, die am Beispiel des kroatischen und slawonischen Adels die Aushandlungs- und Kompromisspraktiken von einheimischen Eliten mit osmanischen Akteuren jenseits der Grenze nachzeichnet. Welchen Einfluss die Türkenkriege, aber auch die vielfältigen Handelskontakte in Friedenszeiten auf die polnische Armee und insbesondere ihre Modegewohnheiten hatten, weiß Klaus Schneiderheinze zu berichten.
Der zweite Themenkomplex umfasst fünf Aufsätze, die die Instrumentalisierung der Türkenkriege in ausgewählten Biografien der Frühen Neuzeit aufzeigen. Beleuchtet werden solch bekannte Akteure der Türkenkriegszeit wie etwa Graf Stefan Schlick (Beitrag von Uwe Tresp), János Szapolyai (Zeynep Yelçe) oder Philippe-Emmanuel de Lorraine (Marco Penzi). Hajnalka Tóth zeichnet die Beziehungen der Familie Batthyány zur osmanischen Elite im ungarisch-osmanischen Grenzgebiet im 16. und 17. Jahrhundert nach. Die bildliche Repräsentation des besiegten Feindes anhand des Wiener Porträts des Großwesirs Kara Mustafa behandelt der Beitrag von Heinke Fabritius.
Hier anknüpfend widmen sich die zwei letzten Teile des Sammelbandes dem "Fremden im Vertrauten", das heißt der Verarbeitung und Einbindung fremder (in diesem Falle: osmanischer) Elemente in die eigene Kultur, so etwa in die Literatur und Festkultur sowie in die Kommemorations- und Repräsentationskultur. Hervorzuheben sind hier vor allem die Beiträge von Borbála Gulyás, die die mit der Türkengefahr spielenden Alteritäts- und Alienitätsdiskurse am Hofe der Habsburger in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts thematisiert, sowie von Václav Bůžek, der die osmanischen Einflüsse auf die materielle Kultur des Adels in den frühneuzeitlichen böhmischen Ländern darstellt.
Die Beiträge bieten insgesamt ein gutes Bild von den weitreichenden politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen, die die frühneuzeitlichen Türkenkriege für die ostmitteleuropäischen Adelskulturen mit sich brachten. Den Autoren gelingt es, die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Herrschern, dem Adel und dem Osmanischen Reich aufzuzeigen - von den politischen und konfessionellen Machtkämpfen vor dem Hintergrund der Türkenkriege bis hin zur Aufnahme osmanisch-orientalischer Elemente in die heimische Kultur.
Stören mag hierbei nur die offensichtliche Fokussierung des Großteils der Aufsätze auf den ungarisch-kroatischen Raum. Zu den Auswirkungen der sogenannten "Türkenzeit" auf Polen als dem neben Ungarn zweiten wichtigen ostmitteleuropäischen Akteur während der osmanischen Expansion finden sich lediglich zwei Abhandlungen, die zudem sehr spezifische Themen behandeln. Beiträge zum walachischen oder moldauischen Adel sucht der Leser vergeblich. Zudem fehlen Aufsätze zum von Ungarn bis Polen weit verbreiteten Phänomen des Kopierens osmanisch-orientalischer Kleidungsstile durch die polnische Szlachta und den ungarischen Nemesség (das sich nicht nur, wie von Schneiderheinze thematisiert, in militärischen Uniformen manifestierte) oder etwa dem Eingang der osmanischen Kulinarik in die ostmitteleuropäischen Gesellschaften. Interessant wäre auch eine osmanische Perspektive gewesen, lässt sich doch die kulturelle Einflussnahme während der Türkenkriege auch in umgekehrter Richtung belegen, also von Ostmitteleuropa auf das Osmanische Reich. So hätten mit Sicherheit einige vergleichende Beiträge von türkischen beziehungsweise südosteuropäischen Historikern den Blick auf das Thema wesentlich erweitert und neue Erkenntnisse geliefert. Das Sammelwerk bietet somit kein einheitliches Gesamtbild der Auswirkungen der Türkenkriege auf die ostmitteleuropäischen Adelskulturen der Frühen Neuzeit, was angesichts der Thematik auch kaum in einem einzigen Band zu bewerkstelligen gewesen wäre. Es enthält dafür aber eine Reihe von gelungenen Einzelstudien, die unterm Strich einen wertvollen (wenn auch punktuellen) Beitrag zur Geschichte der Türkenkriege in Ostmitteleuropa bilden.
Anmerkung:
[1] Florian Kühnel: Westeuropa und das Osmanische Reich in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven aktueller Forschungen, in: Zeitschrift für Historische Forschung 42 (2015), 251-285; Andreas Helmedach / Markus Koller u.a. (Hgg.): Das osmanische Europa. Methoden und Perspektiven der Frühneuzeitforschung zu Südosteuropa, Leipzig 2014; Marika Bacsoka / Anna-Maria Blank u.a. (Hgg.): Europa, das Reich und die Osmanen. Die Türkenreichstage von 1454/55 nach dem Fall von Konstantinopel. Johannes Helmrath zum 60. Geburtstag, Frankfurt a.M. 2014; Arno Strohmeyer / Norbert Spannenberger (Hgg.): Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2013; Eckhard Leuschner / Thomas Wünsch (Hgg.): Das Bild des Feindes. Konstruktion von Antagonismen und Kulturtransfer im Zeitalter der Türkenkriege. Ostmitteleuropa, Italien und Osmanisches Reich, Berlin 2013; Köse Yavuz (Hg.): Sehrayin. Die Welt der Osmanen, die Osmanen in der Welt. Wahrnehmungen, Begegnungen und Abgrenzungen. Festschrift für Hans-Georg Majer, Wiesbaden 2012.
Paul Srodecki