Rezension über:

Jorge Maier Allende (Hg.): Luis José Velázquez, Marqués de Valdeflores. Viaje de las Antigüedades de España (1752-1765), Madrid: Real Academia de la Historia 2015, 2 Bde., 962 S., ISBN 978-84-15069-69-0, EUR 90,00
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Rezension von:
Sabine Panzram
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Panzram: Rezension von: Jorge Maier Allende (Hg.): Luis José Velázquez, Marqués de Valdeflores. Viaje de las Antigüedades de España (1752-1765), Madrid: Real Academia de la Historia 2015, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 10 [15.10.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/10/29477.html


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Jorge Maier Allende (Hg.): Luis José Velázquez, Marqués de Valdeflores

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Seine Motivation war so stark wie einfach - er wollte seiner Nation dienen: "[...] conoci desde luego, que la Nación carecía enteramente de los principales escritos de sus cosas. Llevando del deseo de suplir esta falta, y el de ser útil a la Nacion, abandoné muchas obras particulares que tenía emprendidas, i me apliqué enteram a las cosas de España, [...]", fasste Luis José Velázquez de Velasco seine Entscheidung prägnant zusammen. [1] Im Auftrag der Krone bzw. im Dienste der Real Academia de la Historia brach er Ende des Jahres 1752 in verschiedene Regionen der Iberischen Halbinsel auf, um bedeutende Ruinen und architektonische Monumente zu vermessen und zu zeichnen, Inschriften zu kopieren und Sammlungen antiker Statuen, Reliefs und Münzen anzulegen, das heißt zu kaufen und dem König zu schicken. Für diese Aufgabe hatte er sich als Mitglied der "Comisi ón de Archivos" qualifiziert, die unter der Leitung des Jesuiten und Historikers Andrés Marcos Burriel gestanden hatte. [2] Diese hatte die Ansprüche der Krone hinsichtlich der Ernennung von Bischöfen, kirchlichen Schenkungen, des Eigentums von Konventen und Klöstern etc. dokumentieren sollen, um sie angesichts der von Seiten der Kirche beanspruchten Rechte und Privilegien zu rechtfertigen. Offensichtlich war ihr Erfolg beschieden, übertrug doch die römische Kurie dem spanischen Königtum zu Beginn des Jahres 1753 das uneingeschränkte Patronat über die Kirche. Nun sollte Velázquez Beiträge zu einer "verdadera Historia Nacional" - im Sinne von einer "von Fabeln gesäuberten" - Geschichte der Nation liefern, für die nach Maßgabe der Real Academia jedwede Zeugnisse der (hi)spanischen Geschichte zu notieren, aufzunehmen, ja zu registrieren waren: Man wollte die Vergangenheit der Nation kennen, um den gegenwärtigen Zustand korrigieren und "Fortschritt" konzipieren zu können. Denn das Erstaunen und die Klagen, dass ein Land, welches über solch ausgedehnte überseeische Besitzungen verfügte, regen Überseehandel betrieb und aus den Kolonien enorme Edelmetallschätze bezog, politisch und wirtschaftlich dermaßen erschöpft niederlag, rissen nicht ab.

Einblick in diese Unternehmung gewaltigen Ausmaßes gewährt jetzt erstmals die Edition, die Jorge Maier Allende von der Dokumentation dieser "objektzentrierten Informationsreisen" vorgelegt hat: von den "memorias", die die Ergebnisse der Reisen zusammenfassen, einem ersten Bericht der Erkundung der Extremadura und Andalusiens sowie des offiziellen Briefwechsels insbesondere mit Agustín Montiano de Luyando, dem Direktor der Real Academia de la Historia und Mentor des Marqués de Valdeflores. Darüber hinaus präsentiert er einen Teils des Katalogs der 13.664 Originaldokumente - unterteilt in 439 Originalschriftstücke, 7008 Diplome, 4134 Inschriften, 2021 Münzen und 62 "monumentos" (Skulpturen, Malerei u.ä.) -, die dieser hatte ausfindig machen können. Maier Allende bietet eine ausführliche Einleitung in Biographie und Zeit; er hat sich hinsichtlich der Transkription für die Beibehaltung der Rechtschreibung und Zeichensetzung entschieden, neben Zeichnungen und Karten das gesamte graphische Material in sehr guter Qualität wiedergegeben und zusätzlich zu den Briefen, die in der Real Academia verwahrt werden, noch diejenigen herangezogen, die die Biblioteca Nacional de España (BNE) respektive das Archivo Histórico Nacional (AHN) archiviert haben - unter anderem die private Korrespondenz von Velázquez mit Montiano de Luyando aus den Jahren 1752 bis 1755. Es sind gerade diese Briefe, die einen detaillierten wie farbigen und unterhaltsamen Einblick in die Reisen und die Arbeit des Marqués gewähren: So sind beispielsweise die Klagen über die Qualität der Essens und der Unterbringung in der Provinz beständig. In Mérida gestaltet sich letztere sogar derart unangenehm, dass er nicht einmal sauber schreiben kann: "Desde el día que salí de Madrid no lo he tenido bueno. [...] Apenas se encuentra a comer, i si se halla, por mil caminos no se puede lograr un guisado sazonado. No es esto lo peor. Nuestro alojamiento siempre es tan incomodo, que no hai modo para tener los papeles, ni aun para escribir con limpieza." [3] Aber das sei insofern auch nicht verwunderlich, als es sich hier um "la Groenlandia de España" handle, "dümmere und rohere Menschen" seien ihm noch nicht begegnet. Zudem hatte er Probleme mit dem Zeichner, der ihm von seinen Auftraggebern an die Seite gestellt worden war: Estebán Rodríguez Tizón, der seine Ausbildung an der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando genossen hatte, war kein Freund der Arbeit: "El dibujante es floxo, amigo de dormir y levantarse tarde. Teme al frio, al aire, al sol, y al trabajo. Para que haga cualquier cosa es menester que yo esté encima; si buelbo la espalda, todo para." [4]

Angesichts dieser ganzen Schwierigkeiten ist es erstaunlich, welche Ergebnisse der Marqués de Valdeflores dennoch vorlegen konnte: Er beschrieb die Überreste nicht nur sorgfältig - hier zog er auch die antiken Autoren heran - und übte sich dabei in der Terminologie der Architektur, sondern vermaß sie auch präzise, so dass Text und - ein Novum - Zeichnung schließlich die Grundlage des ersten Inventars der "Antigüedades de España" bildeten. Hinsichtlich der epigraphischen Monumente war es ihm ein besonderes Anliegen, die echten von den Fälschungen zu trennen; zu diesem Zwecke setzte er sich auch intensiv mit solchen auseinander, die nur noch als Manuskript vorliegen - wie zum Beispiel die Inschrift, in der der Emeritenser Bischof Zenon und der dux Salla, ein hispanoromanischer Metropolit und ein gotischer Magnat mithin, für die Wiederherstellung sowohl der Brücke über den Ana als auch der Mauern der Stadt im Jahre 483 gemeinsam verantwortlich zeichnen. [5] Auf dem Gebiet der Epigraphik erbringt der Marqués bereits rund 100 Jahre vor Emil Hübners Tätigkeiten im Rahmen der Erstellung des Corpus Inscriptionum Latinarum also auch Pionierleistungen oder, anders formuliert: Ohne ihn wären jene gar nicht möglich gewesen. [6] Er kann schließlich eine erste systematische Aufnahme und Katalogisierung des antiken Denkmalbestandes der Iberischen Halbinsel bieten - doch die Nation dankt ihm seine Hingabe nicht. Den Marqués kompromittiert die Ernennung des neuen Direktors der Real Academia und aufgrund der Publikation einer politischen Satire fällt er bei Hofe in Ungnade. Als man ihn im so genannten "Aufstand der Hüte" - dem "Motín de Esquilache" - von 1766 anklagt, sich gegen den König gestellt zu haben, verhaftet und interniert man ihn zunächst in Alicante, dann auf der vor Marokko gelegenen Insel Peñón de Alhucemas. Nach fünf Jahren Gefangenschaft wird er aufgrund gesundheitlicher Probleme entlassen und verstirbt nur etwa ein Jahr später auf einem Landgut seiner Familie in der Nähe seiner Heimatstadt Málaga. Die Krone fordert die Dokumentationen seiner Reisen ein, die der Real Academia übergeben werden und dort in Form von 65 Aktenbündeln (9/4095-4160) der Vergessenheit anheimfallen. Umso verdienstvoller ist das Unterfangen von Jorge Maier Allende, einen Teil nun erstmals in Form dieser beiden hervorragend ausgestatteten Bände vorgelegt zu haben. [7] Sie erhielten 2015 den Preis der "Sociedad Española de Estudios del Siglo XVIII" - zu Recht.


Anmerkungen:

[1] Biblioteca Nacional de España, Brief vom 28.04.1755.

[2] Dazu grundlegend G. Mora Rodríguez: Historias de mármol. La arqueología clásica espa ñola en el sigo XVIII, Madrid 1998 (= Anejos de Archivo Español de Arqueología; 18); siehe auch G. Mora Rodríguez / B. Cacciotti: Coleccionismo de antigüedades y recepción del clasicismo. Relaciones entre Italia y España en el siglo XVIII, in: Hispania 56 (1996), 63-75, G. Mora Rodríguez: La "erudita peregrinación". El viaje arqueológico de Francisco Pérez Bayer a Italia (1754-1759), in: J. Beltrán Fortes / B. Cacciotti / X. Dupré Raventós / B. Palma Venetucci (Hrsg.): Illuminismo e ilustración. Le antichità e i loro protagonisti in Spagna e in Italia nel XVIII secolo, Rom 2003, 255-275 (= Bibliotheca Italica. Monografías de la Escuela Espa ñola de Historia y Arqueología en Roma; 27).

[3] Biblioteca Nacional de España, Brief vom 22.12.1752.

[4] Biblioteca Nacional de España, Brief vom 26.04.1753; 22.12.1752.

[5] J.L. Ramírez Sádaba / P. Mateos Cruz: Catálogo de las inscripciones cristianas de Mérida, Mérida 2000, Nr. 10 (= Cuadernos Emeritenses; 16).

[6] A.M. Canto y de Gregorio: Un precursor hispano del CIL en el siglo XVIII: el marqués de Valdeflores, in: Boletín de la Real Academia de la Historia 191 (1994), 215-232; G. Mora Rodríguez: Luis José Velázquez de Velasco, marqués de Valdeflores, in: Pioneros de la arqueología en España del siglo XVI a 1912, Alcalá de Henares 2004, 39-42 (= Zona Arqueológica; 3).

[7] Siehe auch J.M. Abascal Palazón / M. R. Cebrían Fernández (Eds.): Los viajes de José Cornide por España y Portugal de 1754 a 1801, Madrid 2009 (= Publicaciones del Gabinete de Antigüedades de la Real Academia de la Historia. Antiquaria Hispánica; 19 / Catálogo de manuscritos de la Real Academia de la Historia; 4); J.M. Abascal Palazón (Ed.): Ambrosio de Morales. Las Antigüedades de las ciudades de España, Madrid 2012 (= Publicaciones del Gabinete de Antigüedades de la Real Academia de la Historia. Antiquaria Hispánica; 24 / Catálogo de manuscritos de la Real Academia de la Historia; 6).

Sabine Panzram