Odile Delenda / Mar Borobia (eds.): Zurbarán. Una nueva mirada, Madrid: Museo Thyssen-Bornemisza 2015, 231 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-84-15113-65-2, EUR 34,00
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Beat Wismer / Odile Delenda / Mar Borobia (Hgg.): Zurbarán, München: Hirmer 2015, 288 S., 170 Farbabb., ISBN 978-3-7774-2418-7, EUR 49,90
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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
August Bernhard Rave (Hg.): Gaspare Traversi. Heiterkeit im Schatten. (Katalog zur Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart; 19.7. - 16.11.2003), Ostfildern: Hatje Cantz 2003
Walther K. Lang: Grausame Bilder. Sadismus in der neapolitanischen Malerei von Caravaggio bis Giordano, 2001
Wiebke Windorf: Sakrale Historienmalerei in St. Peter in Rom. Faktizität und Fiktionalität in der Altarbildausstattung unter Papst Urban VIII. (1623-1644), Regensburg: Schnell & Steiner 2006
"Francisco de Zurbarán ist der großen Menge unbekannt geblieben." So schrieb der deutsche Kunsthistoriker Hugo Kehrer vor knapp 100 Jahren. [1] Wenngleich in Spanien längst zu einem der Großmeister des siglo de oro gekürt, gehört er in Deutschland nach wie vor zu den großen Unbekannten. Nur wenige Werke von ihm befinden sich in deutschen Sammlungen, die deutschsprachige Forschung hat sich nach Kehrer nur sehr selten mit ihm auseinandergesetzt. Insofern war es eine Pioniertat des Düsseldorfer Museum Kunstpalast, in Kooperation mit dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid erstmals eine monografische Übersichtsausstellung zu Zurbarán in Deutschland zu zeigen. Zuvor war die Ausstellung in Madrid zu sehen. Zu beiden Ausstellungen erschien ein eigener Katalog, der dem unterschiedlichen Kenntnisstand des jeweiligen Landes Rechnung trägt. Da es in Spanien wiederholt Ausstellungen zu Zurbarán gab, versuchte die Madrider Ausstellung den Fokus auf neue Ergebnisse zu legen. Unter dem doppeldeutigen Titel "Una nueva mirada" wurden so vor allem die Forschungen der beiden Autorinnen des 2009/2010 publizierten Werkkataloges präsentiert: Odile Delenda und Almudena Ros de Barbero, die auch den überwiegenden Anteil der Nummern beider Kataloge verfasst haben. Den Auftakt des Madrider Kataloges macht ein Text von Delenda über Leben und Werk des Künstlers, der vor allem die vielen Quellenfunde der letzten Jahrzehnte berücksichtigt, die ein wesentlich umfassenderes Bild der Biografie und des sozialen Umfeldes Zurbaráns ermöglichen. Keineswegs stammte er nämlich aus bescheidenen Verhältnissen, wie die ältere Forschung annahm. Auch seine umfangreichen Beziehungen zu den spanischen Überseekolonien in Südamerika sind nun viel besser erforscht.
Delendas Aufsatz folgt ein knapper Essay Enrique Valdiviesos, der als einer der besten Kenner der Sevillaner Malerei Zurbarán im Kontext des künstlerischen Milieus der Stadt verortet, jedoch ganz auf Fußnoten verzichtet. José Fernández López widmet sich den großen Bilderzyklen im Œuvre des Künstlers, liefert sich jedoch im Rekurs auf dieselben Dokumente einige Überschneidungen mit dem Aufsatz von Delenda.
Die Essays von Valdivieso und Fernández López mögen zwar für ein allgemeines Publikum als Einführung gedacht sein, dem Ausstellungstitel gemäß bieten sie aber kaum "einen neuen Blick" auf Zurbarán. Zudem sind im Wesentlichen dieselben Autoren am Katalog beteiligt gewesen wie schon bei der großen Retrospektive 1998. Gerade der Beitrag von Fernández López macht darüber hinaus deutlich, dass das sehr lobenswerte spanisch-deutsche Kooperationsprojekt die Chance auf einen kunstwissenschaftlichen Austausch zwischen den Ländern leider nicht ergriffen hat. Einer der wenigen deutschsprachigen Aufsätze zu Zurbarán - Jutta Helds umfangreiche Studie zu zwei Sevillaner Bilderzyklen von Pacheco und Zurbarán - fand leider keine Beachtung. [2] Dabei hat gerade diese Studie das Innovationspotential Zurbaráns vor Augen geführt und viele Forschungsfragen aufgeworfen, zu der man gerne die spanische Sicht erfahren hätte.
Ermöglicht wurden die zum Teil sehr umfangreichen Bilderzyklen durch eine straffe Werkstattorganisation Zurbaráns, der sich wiederum der Beitrag von Benito Navarrete Prieto widmet. Auf der Grundlage seiner Forschungen der letzten 20 Jahre kann er zeigen, wie umfangreich Zurbarán aus Stichvorlagen niederländischer und deutscher Künstler schöpfte. Dieses an sich nicht ungewöhnliche Verfahren wird von dem Künstler jedoch mit einer Perfektion betrieben, die Zurbarán vielleicht weniger als "Bild-Erfinder" denn als "Bilder-Finder" erscheinen lassen. Entscheidend bleibt dabei die gelungene Adaption und Transformation vorgefundener Kompositionen in eine stofflich-sinnliche Malerei, die das Markenzeichen seiner Kunst sein sollte.
In einem abschließenden, sehr lesenswerten Beitrag widmet sich Almudena Ros de Barbero der fortuna critica des Künstlers in der spanischen Kunstgeschichte bis zum 19. Jahrhundert. Vielleicht war es gerade der letztgenannte auf Spanien fokussierte Beitrag, der das Düsseldorfer Museum dazu bewog, einen eigenen Katalog zu erstellen, der stärker auf das deutsche Publikum zugeschnitten sein sollte. Allerdings entpuppt sich das Ergebnis bei näherer Betrachtung als eine Collage aus diversen Quellen. Der Einführungstext von Delenda ist eine Übersetzung ihres Madrider Essays, wobei diese manchmal etwas holprig ist. So werden Zurbaráns Bildhintergründe der späten 1630er-Jahre mit ihren "efectos atmosféricos" übersetzt in "Effekte des Malens in freier Natur (plein air)."
Der Beitrag zu Zurbaráns Werkstatt von Navarrete Prieto ist zwar thematisch demjenigen im Madrider Katalog ähnlich, legt jedoch einen etwas anderen Schwerpunkt, sodass der interessierte Leser beide Texte lesen sollte. Navarrete Prieto vergleicht Zurbaráns Werkstattorganisation mit derjenigen von Rubens, die es dem Künstler ermöglichte, große Gemäldezyklen in schneller Zeit zu schaffen. Hier hat die Forschung tatsächlich in den letzten Jahrzehnten den Anteil einiger Werkstattmitarbeiter genauer ermitteln können, sodass deren Œuvre zunehmend an Konturen gewinnt (z.B. Ignacio de Ríes, Bernabé de Ayala). Werke dieser Künstler wiederum waren allein in Madrid zu sehen.
Alfonso Rodríguez G. de Ceballos, einer der Kenner des theologischen Diskurses im 17. Jahrhundert, bettet in seinem Beitrag Zurbarán in den Kontext der Gegenreformation ein. Schließlich finden sich zwei leicht überarbeitete Texte von Gabriele Finaldi (Francisco de Zurbarán: Der "spanische Caravaggio" und die italienische Malerei) und Maria del Valme Muñoz Rubio (Zum Stand der maltechnischen Untersuchungen zu Zurbaráns Werk) wieder, die zuerst für den Zurbarán-Katalog 2013/2014 in Ferrara und Brüssel entstanden. [3]
Die Auswahl der Katalogautoren erklärt sich also wohl aus der kaum vorhandenen deutschen Forschung zu Zurbarán. Lediglich Matthias Weniger, ausgewiesener Kenner der spanischen Malerei in Deutschland, ist mit einem sehr instruktiven Beitrag zur (kaum erfolgten) Rezeption Zurbaráns in Deutschland vertreten. Neben Paula Modersohn-Becker und Karl Hofer, die Weniger als Ausnahmen anführt, wären vielleicht noch Leo von König, der mit Julius Meier Graefe Spanien bereiste, oder Anna Dräger-Mühlenpfordt zu nennen, deren "Betende Mönche" von 1943 (Braunschweig, Städtisches Museum) schon allein thematisch an Zurbarán erinnern. Schließlich zeigt das Beispiel von Wolf Vostells "Das Lamm" von 1986, das in einer Materialcollage eine Darstellung des Agnus Dei des Spaniers verarbeitet, wie auch in unerwarteten Zusammenhängen das Werk Zurbaráns durchscheint. Dennoch ist Weniger grundsätzlich zuzustimmen, der die geringe Rezeption des spanischen Meisters als Fehlstelle bezeichnet.
So bleibt als Fazit festzuhalten, dass zwar das Potential eines kunstwissenschaftlichen Austausches zwischen Spanien und Deutschland kaum genutzt wurde. Der "neue Blick" beschränkt sich zumeist auf einige neu aufgetauchte Werke oder Neuzuschreibungen. Dennoch bietet vor allem der umfangreichere Düsseldorfer Katalog einen soliden Einstieg in das Werk des Künstlers. Darüber hinaus fand zum Ende der dortigen Ausstellung ein in Zusammenarbeit mit der Carl-Justi-Vereinigung organisiertes Symposium statt, dessen Beiträge hoffentlich publiziert werden. [4]
Anmerkungen:
[1] Hugo Kehrer: Francisco de Zurbarán, München 1918, 5.
[2] Jutta Held: Die Gemäldezyklen von Pacheco und Zurbarán für die Mercedarier in Sevilla und die Ordensreform nach dem Tridentinum, in: Kirchliche Kultur und Kunst des 17. Jahrhunderts in Spanien, hg. von Jutta Held, Frankfurt am Main 2004, 225-277.
[3] Francisco de Zurbarán (1598-1664). Ausstellungskatalog Palazzo dei Diamanti, Ferrara / Palais de Beaux-Arts, Brüssel, hg. von Ignacio Cano Rivero, Ferrara 2013.
[4] "Die Entdeckung des Unscheinbaren. Körper, Stofflichkeit und Narrativität im Werk von Francisco de Zurbarán und seine Rezeption in der Kunstgeschichte." Düsseldorf, 22.-23.01.2016.
Justus Lange