Hannah Barker: Egyptian and Italian Merchants in the Black Sea Slave Trade, 1260-1500. PhD-thesis, New York: Columbia University 2014, 460 S., https://academiccommons.columbia.edu/download/fedora_content/download/ac:199716/content/Barker_columbia_0054D
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David O. Morgan / Anthony Reid (eds.): The Eastern Islamic World. Eleventh to Eighteenth Centuries, Cambridge: Cambridge University Press 2010
Michael Borgolte / Bernd Schneidmüller (Hgg.): Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationalen Frühlingsschule, Berlin: Akademie Verlag 2010
Gerhard Höpp / Peter Wien / René Wildangel (Hgg.): Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus, Berlin: Klaus Schwarz-Verlag 2004
Anne S. Respondek: «Gerne will ich wieder ins Bordell gehen...». Maria K's "freiwillige" Meldung für ein Wehrmachtsbordell, Hamburg: Marta Press 2019
Yaser Ellethy: Islam, Context, Pluralism and Democracy. Classical and Modern Interpretations, London / New York: Routledge 2015
James H. Meyer: Turks Across Empires. Marketing Muslim Identity in the Russian-Ottoman Borderlands, 1856-1914, Oxford: Oxford University Press 2014
Mirjam Reitmayer: Entführung und Gefangenschaft. Erfahrene Unfreiheit in gewaltsamen Konflikten im Spiegel spätmittelalterlicher Selbstzeugnisse, Konstanz: UVK 2021
Irene Dingel / Michael Rohrschneider / Inken Schmidt-Voges u.a. (Hgg.): Handbuch Frieden im Europa der Frühen Neuzeit. Handbook of Peace in Early Modern Europe, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2020
Mit der vorliegenden Studie wurde Hannah Barker 2014 an der Columbia University promoviert. Da wir auf die Veröffentlichung amerikanischer Dissertationen in der Regel sehr lange warten müssen, die unpublizierten Arbeiten jedoch öffentlich zugänglich sind, halte ich es für angebracht, diese erkenntnisreiche Abhandlung bereits zu diesem Zeitpunkt zu besprechen. Hannah Barker, die zur Zeit als Assistant Professor im Fach Geschichte am Rhodes College in Memphis/Tennessee tätig ist, widmet sich auf der Basis arabischer und lateinischer Quellen dem wichtigen Thema desjenigen Sklavenhandels, der sich vom 13. bis zum 16. Jahrhundert über das Schwarze Meer nach Genua, Venedig und vor allem nach Kairo erstreckte.
Welches Bild liefert uns die Verfasserin? Die genuesischen, venezianischen und ägyptischen Händler waren in einem engen Netz miteinander verflochten. Genua verfügte dabei über eine eigene Kolonie in Kaffa, wohingegen die Venezianer in dem an der Donmündung gelegenen Tana eine starke Gemeinde hatten etablieren können. Man arbeitet zusammen, obgleich die beiden Seerepubliken sich die meiste Zeit als politische Rivalen feindlich gegenüberstanden und es im Zuge der spätmittelalterlichen Kreuzzüge zu einer klaren Frontstellung zwischen christlichen und muslimischen Mächten gekommen war. Verfechter der Kreuzzüge argumentierten, dass christliche Händler, insbesondere die Genuesen, den ägyptischen Sultan stärkten, da sie ihn mit Soldaten für den Kampf gegen die Christen versorgten. Zudem würden sie die päpstliche Politik einer strikten Handelsblockade gegenüber Ägypten und Syrien unterlaufen. Nach dem Fall von Akko im Jahre 1290 erhielt die Kreuzzugsbewegung eine neue Dynamik. Allerdings kamen alle Bemühungen um einen weiteren Kreuzzug in das Heilige Land mit dem Ausbruch des Hundertjährigen Krieges 1337 zum Erliegen. Zudem schwächte das Schisma von 1378 bis 1417 die Autorität des Papstes. Schließlich gerieten die Mamluken nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 aus dem direkten Blickfeld der päpstlichen Politik.
Die Mamluken in Ägypten und Syrien benötigten zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft große Mengen Sklaven. Dies hing damit zusammen, dass diese Militärsklaven nach ihrer Ausbildung freigelassen wurden und daher in der nächsten Generation wieder durch neue Sklaven ersetzt werden mussten. Da sie selbst aus dem türkischen Raum stammten und sich allein mit Sklaven von dort erneuern wollten, waren sie auf die Hilfe der italienischen Händler angewiesen. Im Gegenzug gewährten die Sultane den beiden italienischen Mächten zahlreiche Privilegien auf den lukrativen Märkten von Alexandria und Damaskus. Interessanterweise führte die durch einige politische Entwicklungen im Kaukasus und innerhalb der Goldenen Horde verursachte Angebotslage - statt kiptschakischen waren nun fast nur noch tscherkessische Sklaven auf dem Markt - in dem Mamlukenreich 1382 zu einem Wechsel der Herrschaftselite.
In dem gesamten hier betrachteten Raum existierte eine gemeinsame Sklavereikultur. Es gab eine einheitliche rechtliche Definition des Sklavenstatus. Sklaverei war legal, ihre ideologische Basis religiös. Alle freien Erwachsenen konnten zu einem der regionalen Märkte gehen und einen Sklaven erwerben - vorausgesetzt, dieser gehörte nicht der eigenen Religion an. Es war jedoch nicht immer einfach, die Religion von Personen zu identifizieren. Zur Bestimmung der konfessionellen Zugehörigkeit hatte man sich daher auf einige Kriterien geeinigt: Sprache, Sitten, äußere Erscheinung und direkte Glaubensbekenntnisse. Die Sklavenmärkte wurden gemeinsam organisiert, wobei man Sklaven in den Mittelmeergesellschaften zu sehr verschiedenen Zwecken verwendete: Begleitung, Unterhaltung, Konkubinat, Militär, Geschenk, Haushalt, Arbeit.
Woher kamen nun die Sklaven? Man führte gezielt Raubzüge durch oder versklavte die im Laufe offizieller kriegerischer Auseinandersetzung Gefangengenommenen. Ferner kam es nicht selten vor, dass Familien einige ihrer Kinder verkauften. Aus dem Norden brachten die genuesischen und venezianischen Händler Sklaven aus der Goldenen Horde über Kaffa und Tana auf den Markt. Aus dem Osten kam der Nachschub aus den Bergregionen Georgiens und Tscherkessiens. Im Westen dienten Bulgarien und die Walachai als Reservoir. Die überregional agierenden Sklavenhändler begaben sich selten persönlich in das Hinterland, sondern kauften auf den regionalen Sklavenmärkten ein, auf denen lokale Anbieter, erfolgreiche Heerführer und verarmte Familien ihre Ware feilboten. Seit 1350 existierte eine Landroute von der Südküste des Schwarzen Meeres zum Mamlukensultanat über Ostanatolien als Alternative zu der italienisch dominierten Seeroute über den Bosporus und die Ägäis ins Mittelmeer. Die Landroute nach Aleppo und Damaskus kontrollierten byzantinische und türkische Händler.
Im Zentrum der Arbeit steht die ausführliche Beschreibung des Handelsnetzwerkes, das die Sklaven von den Häfen des Schwarzen Meeres zu denen des Mittelmeers brachte. Geschickt verbindet die Hannah Barker individuelle Händlerbiographien und -profile mit der Darstellung der Handelsrouten und den nicht unerheblichen logistischen Herausforderungen des Sklavenhandels in diesem Raum. Es wird sehr deutlich, dass die Genuesen und Venezianer sehr daran interessiert waren, auch die heimatlichen Märkte mit Sklaven versorgen zu können. In der Regel handelte es sich hier nicht um Spezialisten. Diese konzentrierten sich auf die Versorgung der lukrativen mamlukischen Märkte. Auf welche Art und Weise man dort einen geeigneten Sklaven fand, ihn inspizierte und kaufte und wie sich dieses Geschäft von dem Erwerb anderer Gebrauchsgegenstände unterschied, können wir drei arabischen Sklavenkaufführern entnehmen. Es handelt sich um Ibn al-Afkanis (gest. 1348) "Beobachtung und Inspektion. Über die Untersuchung von Sklaven", die von einem anonymen Autor im 14. Jahrhundert verfasste Abhandlung "Die richtige Inspektion beim Sklavenkauf" und um das von einem gewissen al-Ayntabis (lebte im 15. Jahrhundert) angefertigte Werk "Die treffende Bemerkung. Über die Auswahl weiblicher und männlicher Sklaven". Durch die genaue Auswertung dieser Texte gewährt und Hannah Barker einen spannenden Einblick in das alltägliche Geschäft des Sklavenhandels. Es geht neben den Praktiken der eigentlichen Inspektion um Marktplätze, Zwischenhändler, Preise und Verträge.
Die ausgezeichnete und sehr informative Dissertation von Hannah Barker füllt - endlich - eine seit langem offene Forschungslücke. Eine überarbeitete Fassung wird hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lassen.
Stephan Conermann