Klaus-Jürgen Bremm: Preußen bewegt die Welt. Der Siebenjährige Krieg 1756-63, Stuttgart: Theiss 2017, 380 S., 19 s/w-Abb., ISBN 978-3-8062-3577-7, EUR 24,95
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Wulf Oesterreicher / Gerhard Regn / Winfried Schulze (Hgg.): Autorität der Form - Autorisierung - Institutionelle Autorität, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2003
Während die Gedenkjahre an Friedrich II. (2012) und Maria Theresia (2017) eine Vielzahl an neuen Publikationen, Ausstellungen und Dokumentationen gebracht haben, kann das für die drei schlesischen Kriege, in denen sich die beiden Potentaten wiederholt militärisch gegenüber traten, nicht gelten. Die 250-Jahr Gedenkphase an den Siebenjährigen Krieg 2006-2013 hinterließ in Deutschland kaum publizistische Spuren. [1] Der freiberufliche Militärhistoriker Klaus-Jürgen Bremm hat nun quasi kontrazyklisch eine populäre Gesamtdarstellung des Siebenjährigen Krieges vorgelegt. Der Obertitel und die inhaltliche Grundausrichtung des Werkes stehen allerdings in einem gewissen Widerspruch zueinander. Bremm ist bemüht, die Weltkriegsdimension des Konfliktes zu betonen, so werden Friedrichs zahlreiche Schlachten explizit als "Nebenkriegsschauplatz" (13-14) bezeichnet. Aber dennoch "bewegt" immer noch Preußen "die Welt", nicht Großbritannien?
Ein populäres Sachbuch kann zweifellos nicht an den Bewertungskriterien einer wissenschaftlichen Qualifikationsschrift oder eines Sammelbandes gemessen werden. Trotz reicher Belegarbeit findet beispielsweise kaum eine explizite Auseinandersetzung mit der Forschung statt, der am längsten zitierte Historiker ist Leopold von Ranke (337). Die ungefähr ein Dutzend Bilder tragen rein illustrativen Charakter, und auch die zeitgenössischen Quellenzitate haben eher kolorierende Qualität. Das gilt etwa für die nicht nur Foucault-Lesern bekannte Hinrichtung des Robert-François Damien im Jahr 1757, die als relativ unverbundenes 'Schockelement' die Ideengeschichte der Aufklärung einleitet, deren knappe Skizze aber wenig bis gar nichts zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges beiträgt (49-56).
Dennoch bewegt sich die Arbeit auf der Höhe der internationalen Forschung und stützt sich wesentlich auf die umfangreichen jüngeren Werke u.a. von Anderson (2000), Baugh (2014), Duffy (1986), Dull (2005), Dziembowski (2015), Mediger (2011) oder Szabo (2013).
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert und beginnt mit einem weit ausholenden Überblick zu "Mächten, Armeen und Koalitionen" (16-102), der von der Glorious Revolution 1688 bis zum 1. Versailler Vertrag von 1756 führt. Die im Abschnitt zur militärischen Entwicklung der Zeit beschriebene "höfische Mär" einer gezähmten Bellona entspricht dem Stand der Forschung, der deutliche Fokus auf Schlachten hingegen eher weniger, waren Belagerungen, der kleine Krieg und der Seekrieg im Siebenjährigen Krieg doch von vergleichbarer, wenn nicht gar folgenreicherer Bedeutung (39-48). Den zahlreichen Schlachten der Jahre 1756 und 1757, von der französischen Eroberung Menorcas bis zur Schlacht von Leuthen, ist das zweite Kapitel gewidmet (103-177), das im Wesentlichen klassische Operationsgeschichte unter gelegentlicher Einstreuung von Augenzeugenberichten bietet. Die zweite Hälfte des Buches erstreckt sich auf die Kapitel drei bis acht, die nun deutlich kürzer ausfallen. Zunächst werden die Belagerung von Olmütz und die Schlachten von Zorndorf und Hochkirch beschrieben (178-204), um dann einen Schwenk nach Westen zu "William Pitts Krieg" in Nordwestdeutschland und Nordamerika zu machen, der 1758 mit der Eroberung Louisbourgs einen ersten Höhepunkt erlebt (204-217). Herzog Ferdinand von Braunschweigs Agieren im Westen des Alten Reiches im gleichen Jahr kulminiert in Kapitel fünf in der Schlacht von Krefeld (218-230). Das Jahr 1759 gestaltet sich im folgenden sechsten Kapitel wieder ereignisreicher, in dichter Folge werden die Kämpfe von Minden, Quebec, Kunersdorf, Maxen und Quiberon beschrieben (231-275).
Damit wird dem umfangreichen siebten Kapitel viel Stoff aufgebürdet, denn hier müssen die letzten vier Kriegsjahre 1760-1763 thematisiert werden. Der Fall Montreals 1760 und diverse Schlachten und Belagerungen im alten Reich nehmen darin den Löwenanteil ein. Auf dreieinhalb Seiten wird der indische "Nebenkriegsschauplatz" (302) abgehandelt, der, wenn man die Schreibweisen von "East India Companie" (statt Company) oder "Naweb" (statt Nawab) (303) als Indikator nimmt, dem Autor offenbar deutlich ferner liegt als der europäische. Ähnlich knapp werden auch Spaniens Rolle und die Einnahmen Havannas und Manilas 1762 abgehandelt (322-328; 334-336). Die beiden Friedensschlüsse von Paris und Hubertusburg (329-334) würdigt Bremm mit Blick auf die wesentlichen Ergebnisse, neben Großbritannien erscheint Preußen als klarer Sieger, der sich auch am Verhandlungstisch "auf ganzer Linie durchgesetzt" (333) habe.
Der empirische Ausgangsbefund, dass ein Krieg, der sich auf mehreren Kontinenten abspielte, ein "Weltkrieg" war, bleibt, was dessen globale Effekte betrifft, weitgehend auch die analytische Quintessenz. Insofern geht Bremm hier nur wenig über den als prominenten Stichwortgeber bemühten Winston Churchill hinaus, der die Weltkriegs-Analogie im Übrigen auch nicht erfunden hatte. Im Einklang mit großen Teilen der internationalen Forschung geht Bremm von zwei distinkten, aber dennoch nicht getrennt ablaufenden Konflikten aus, die sich "am ehesten noch" in den Feldzügen Ferdinands von Braunschweig verbunden hätten (338). Nachdem die schwelenden Konflikte im Ohiotal 1754-55 Frankreich und Großbritannien zu einer offenen Konfrontation brachten, habe das Renversement des alliances Preußen in den Krieg gezogen; allein Frankreichs Fokus auf Kurhannover habe dessen sichere Niederlage verhindert. Auf die wechselseitigen "kausalen" Bedingtheiten (339) der beiden Konflikte jenseits dieses geopolitischen Schematismus geht Bremm nur ganz am Rande ein, hier hätte man sich mehr Explikation gewünscht. Die Zeitgenossen sprachen übrigens konsequent von einem Krieg auf vier Erdteilen, da ihnen die Kämpfe um Gorée an der Mündung des Senegal gut präsent waren (330), Bremms Darstellung verbleibt bei drei Kontinenten, von denen im Fall der Amerikas Südamerika als Kriegsschauplatz gänzlich außen vor bleibt. Auch der Pommersche Krieg Preußens mit Schweden findet kaum Erwähnung, der "phantastische Krieg" in Portugal erhält eine halbe Seite (328). Die narrative Verzahnung der Kriegsschauplätze ist dennoch gut gelungen, wenn auch die lokalen Kontexte stets nur geringen Raum beanspruchen.
Die handelnden und leidenden Akteure des Buches sind fast durchweg gekrönte Häupter, Minister und Generäle, entsprechend geht es um Diplomatie und Schlachten. Erfolgreiche Staatsmänner sind vor allem Friedrich II. und der besonnene Pitt, mit "verantwortungslosem Irrsinn" (342) habe hingegen Choiseul als Steuermann der französischen Außenpolitik gehandelt. Die gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen des Krieges scheinen nur ganz am Rande auf. Das "großartig erzählte Panorama" (Umschlag) enthält jenseits der Führungseliten und ihrer militärischen Strategien folglich weitgehend blinde Flecken. Angesichts der Fülle an Quellen und Studien zur Alltagsgeschichte der Zivilbevölkerung verwundert es, dass ein wesentlicher Teil der Leidtragenden dieses Krieges bis auf abstrakte Zahlen (337) überhaupt nicht zur Sprache kommt. Auch gut erforschte sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte wie Medien und Propaganda, Religion und Konfession, Ästhetik oder Patriotismus bleiben weitgehend außen vor. Somit stellt sich die Frage, ob eine Darstellung für das breite Publikum thematisch eingedenk ihres Genres notwendig konservativ bleiben muss. Damit werden vielleicht Erwartungshaltungen mancher Leser bedient, der Transfer neuerer Forschungsergebnisse bleibt jedoch aus. Als flüssige Synthese der komplexen Operationsgeschichten hat die Darstellung gewiss ihren Wert, einen analytischen Beitrag zur Globalgeschichte des Siebenjährigen Krieges liefert sie nur bedingt.
Anmerkung:
[1] Sven Externbrink (Hg.): Der Siebenjährige Krieg (1756-1763). Ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2011; Marian Füssel: Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, München 2010.
Marian Füssel