Alexandra Stöckl: Der Principalkommissar. Formen und Bedeutung sozio-politischer Repräsentation im Hause Thurn und Taxis (= Thurn und Taxis Studien - Neue Folge; Bd. 10), Regensburg: Friedrich Pustet 2018, VII + 280 S., ISBN 978-3-7917-2812-4, EUR 34,95
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Die Dissertation würdigt das Wirken jener drei Prinzipalkommissare aus dem Haus Thurn und Taxis, die das Amt 1743 bis 1745, dann wieder ab 1748 bis zum Untergang des Alten Reiches innehatten. Was wir im ersten Drittel der Arbeit über den Immerwährenden Reichstag im Allgemeinen erfahren, ist selten neu. Ersichtlicher noch als von der kundigen Reichspublizistik des 18. Jahrhunderts und von der vorübergehenden Hausse des Alten Reiches in der Frühneuzeitforschung des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts profitiert die Studie von der emsigen Haushistoriografie derer von Thurn und Taxis. Die vergleichsweise wenigen Archivalien, die die Doktorandin ausgewertet hat - mit Abstand am häufigsten genannt werden die seit 1773 geführten "Zeremonialprotokollbücher" -, lagern fast alle im "Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv".
In ermüdender Ausführlichkeit setzt uns das zweite Drittel der Arbeit über die "Ernennung" der drei Protagonisten der Studie ins Bild. Die sehr zahlreichen überlangen Zitate aus den diversen Gesuchen, Empfehlungsschreiben, Ernennungsdekreten, Gratulationsschreiben strapazieren die Geduld des Lesers schon arg, zumal sie von Fall zu Fall kaum variieren. Zu den Gründen für die Ernennung Alexander Ferdinands 1743 gehört, neben einigen anderen Faktoren (Fürst, katholisch, schon wegen des Postwesens - modisch gesagt - 'gut vernetzt'), zweifelsohne die Finanzkraft des Hauses Thurn und Taxis. Das theoretisch vorgesehene (nicht immer vollständig ausbezahlte) Jahresgehalt des Prinzipalkommissars von 25.000 Gulden deckte offenkundig nur einen Bruchteil des repräsentativen Aufwands. Allein der pro Quartal abgerechnete Pauschalbetrag für die Küche betrug fast 16.000 Gulden; die Stallkosten beliefen sich 1784 auf 42.000 Gulden, die für den Keller auf 28.000 Gulden, das "teudsche und italienische Theater" verschlang in diesem Jahr rund 36.000 Gulden.
Solche gelegentlich in den Text eingestreute Zahlen aus der "Generalkasse" des Hauses sind recht aufschlussreich. Daneben verdient das letzte Drittel der Dissertation Aufmerksamkeit: Dort erfahren wir, was die drei Herren Prinzipalkommissare denn in Regensburg eigentlich so trieben. In die kurialen Beratungen waren sie ja, anders als der böhmische und der österreichische Reichstagsgesandte, nicht eingebunden. Gesellschaftlicher und geselliger Natur waren ihre Aufgaben: anlassgebundene oder regelmäßige Feiern; Konzerte, Bankette, Spielabende; die Legitimation neuer Gesandter. Die entsprechenden Förmlichkeiten sind hier nicht auszubreiten.
Werden Grundmuster erkennbar? Durchgehend betont die Autorin, wie eingeschränkt die Variabilität von Ritual und Zeremoniell gewesen sei, allen Feierlichkeiten und Amüsements seien hochgradig "standardisierte" Abläufe eigen gewesen. Ihre ausführlichen Schilderungen lassen jedoch staunenswerte Vielfalt und Lust am Improvisieren erkennen. Mal fuhr der Prinzipalkommissar am Namenstag des Kaisers mit großen Pomp zum Dom, um dort den Gottesdienst an Kaisers statt zu besuchen; mal verzichtete er auf diesen demonstrativen Kirchgang eben einfach, und offenbar ohne Begründung; ja, im Jahr 1788 wurde der kaiserliche Namenstag gar nicht begangen (190 vs. 200f.). Im Jahr 1786 wurden weder beim Geburts- noch beim Namenstag des Kaisers Kanonen abgefeuert, weil die Basteien "in unbrauchbarem Stande wären" (207) - für unabdingbar hielt man dieses ohrenbetäubende Spektakel also offenkundig nicht. Die Geburtstagsfeierlichkeiten von 1798 beschränkten sich auf ein Konzert, "und dahin verfügte sich alles uneingeladen zum gratulieren" (208).
Es ist nicht die Schuld der Autorin, dass es nach so unzählbar vielen deutschsprachigen Publikationen zu "Performanz" und "Zeremoniell" seit den 1990er-Jahren immer schwerer fallen muss, noch Neues zu sagen, gar zu überraschen. Über die Bedeutung der "Mittagstafel" werden wir so aufgeklärt: "Dieses traditionelle Element diente der Darstellung der Hierarchie einerseits, der Schaffung eines Rahmens der Kommunikation andererseits - schließlich ermöglichte das gemeinsame Sitzen an einem Tisch die zwischenmenschliche Annäherung in Form von Dialogen und dem gemeinsamen Verzehr von Speisen" (195). Na, wer hätte das gedacht! Weil ja alles "zeichenhaftig" war, interessieren neben der "edlen Tischwäsche" auch Speisenfolgen und "das ansprechende Dessert" (205). Gab es schon damals Großstadtstress? Carl Anselm insistierte 1795/96 immer wieder darauf, "länger auf dem Lande leben zu dürfen", begründete diese Landlust hauptsächlich mit der schlechten "Stadt-Luft", aber da er ferner die "ruhige, eingeschränkte Lebens-Art" auf dem Land pries, scheint es ihm doch um mehr als nur ums meteorologische Klima, auch ums gesellschaftliche Reizklima gegangen zu sein, der Prinzipalkommissar suchte "mehrere Ruhe und reinere Luft" (149-160 passim).
Die Dissertation sagt leider viel zu viel in fremden Worten: zahllose Forschungszitate; viel zu lange, seitenfüllende Quellenzitate, ohne dass sich eine Textanalyse anschlösse. Die Autorin hat sich die gestelzten Sätze ihrer Quellen anverwandelt: "Den Zugang zu diesen Veranstaltungen regelte die Voraussetzung der korrekten Absolvierung des Legitimationsverfahrens der Gesandten" (215). Manchmal spricht sie so altertümlich zu uns wie ihre Quellen: "Für die Wäsche traf Colloredo die Anordnung, dass diese mit Fränzelen besetzt sein musste", ein "Ensemble" war "durch einen schwarzen Kopfaufputz, Stirnzüngel" sowie "schwarzen Geschmuck" zu komplettieren, ein anderer "Garniturenaufputz" sollte "ohne Franzelen bestehen" (251-253). Das Amt des Prinzipalkommissars firmiert als "hochansehnlich", wiederholt schreiten Gruppen "unter Voraustretung" von X oder Y einher, man dankt "für die kaiserlichen Hulden" (118) oder begibt sich "in churmainzischen Schutz" (95).
Über Irrtümer ist der Rezensent nicht häufig gestolpert. Dass der Reichstag "immerwährend" wurde, liegt nicht nur an der "Türkengefahr" (so 25), mindestens so wichtig war hierfür der sich chronifizierende Widerstreit zwischen kurfürstlicher "Präeminenz" und fürstlicher "Parification": ein Grundmuster der Reichspolitik in den Jahrzehnten nach 1648; der Reichstag wurde als Verfassungskongress permanent. Reichsstände waren, natürlich, nicht "souverän" (vgl. aber 46, 50)! Der "Augsburger Religionsfrieden" schreibt keine Zahlenparität für Reichsdeputationen vor (so aber 257), hier hat die Autorin offenbar den Ersten Religionsfrieden mit dem Zweiten von 1648 (IPO Art. V) verwechselt. Mal führt Stoeckl, ohne hieran Kritik zu üben, die Forschungsposition an, dass die "zunehmende Verfeinerung des Zeremonialwesens [...] die Spielräume der Variabilität [...] enger" gemacht habe, mal erhöht die "steigende Komplexität des Zeremonialwesens" die "Veränder- und Anpassbarkeit desselben" (4 vs. 34). Register wären nützlich!
Abschließend ist zu sagen, dass die Arbeit eine Fundgrube für Ausformungen gehobener Geselligkeit im 18. Jahrhundert ist. Die Gelegenheit, diesen Stoff um Suppen und Desserts, Kleidungsstücke mit oder ohne "Fränzelen", Pauken und Trompeten und ausbleibende Salutschüsse elegant, vielleicht mit einer Prise Ironie zu präsentieren, hat die Autorin leider nicht genutzt. Als Materialsammlung hat die Dissertation ihren Wert.
Axel Gotthard