Hans-Eckhard Tribess (Hg.): Im Leben unterwegs - für den Frieden. Festschrift für Wolfgang Altenburg zum 90. Geburtstag am 24. Juni 2018, Berlin: Carola Hartmann Miles-Verlag 2019, 231 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-945861-87-5, EUR 29,80
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Festschriften sind ein probates Mittel, um ein Lebenswerk zu würdigen. Nicht zuletzt in der Wissenschaft unterziehen sich viele den Mühen, ihren verehrten Lehrerinnen oder Lehrern ein entsprechendes Werk zu widmen. Unter Soldaten ist es eher unüblich, einem Vorgesetzten eine solche Festschrift zu erstellen. Dennoch: Der nunmehr 90-jährige ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. Wolfgang Altenburg, erhielt seine Festschrift.
Sein Lebensweg (Beitrag Jürgen von Falkenhayn, 37-45), der nach der Jugend in Pommern über die Flakhelferzeit auf Helgoland nach Kriegsende nach Bremen führte, ist für seine Generation nicht ungewöhnlich. Auch nicht sein Eintritt in die Bundeswehr 1956. Dass Altenburg aber seit Anfang der 1960er Jahre als Artillerieoffizier mit (amerikanischen) Atomwaffen zu tun hatte und eine sehr kritische Meinung zum militärischen Wert dieser Abschreckungswaffen entwickelte, zeichnete ihn aus. Viele höhere Offiziere sahen die Atomwaffen durchaus frei nach Bundeskanzler Konrad Adenauer als "weiterentwickelte Artillerie". Während seiner Ausbildung zum Generalstabsoffizier an der Führungsakademie der Bundeswehr wies er auf dieses Dilemma eindrücklich hin. Der damalige Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Generalmajor Ulrich de Maizière, erinnerte sich später an diesen Querdenker. Als Verteidigungsminister Helmut Schmidt es 1970 schaffte, einen deutschen Offizier in die Nuclear Policy Branch im NATO-Hauptquartier SHAPE zu entsenden, fiel die Wahl auf Altenburg. Sein weiterer Lebensweg war damit zwar nicht vorgezeichnet, aber Atomwaffen bestimmten fortan den Takt der Versetzungen. Die üblichen Truppenverwendungen wechselten mit exponierten Posten, vor allem im Ministerium. Behutsam von Jürgen Brandt, Altenburgs Vorgänger als Generalinspekteur, aufgebaut, folgte er diesem viermal direkt und ein weiteres Mal indirekt auf den jeweils höheren Dienstposten. Altenburg war für Helmut Schmidt sicherlich mehr als nur ein Stichwortgeber für den 1979 fixierten NATO-Doppelbeschluss. Beide waren sich der politischen und militärischen Tragweite dieser Bündnisentscheidung in vollem Umfang bewusst.
Noch vor dem Regierungswechsel von Helmut Schmidts sozial-liberaler zu Helmut Kohls bürgerlicher Koalition im Herbst 1982 war Altenburg von Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) bereits als nächster Generalinspekteur der Bundeswehr - und Nachfolger von Jürgen Brandt - nominiert. Selbst wenn es andere Generale gegeben haben könnte, die sich als besserer "GI" sahen, war Altenburg vor allem eines: Fachlich in jeder Hinsicht konkurrenzlos, neudeutsch outstanding! Vor dem Dienstantritt im April 1983 folgte noch eine "Inaugenscheinnahme" Altenburgs durch den Bundeskanzler, der dann aber dieser Ernennung zustimmte - und wohl auch vorher nicht daran dachte, diesen Mann nicht zum Generalinspekteur zu berufen. Niemand anderes in der Bundeswehr kannte sich gerade in den turbulenten Zeiten der Implementierung des NATO-Doppelbeschlusses so gut mit der Nuklearwaffenproblematik aus wie der Wahlbremer.
Der Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme, besser bekannt als INF-Vertrag, der 1987 für viele überraschend die Verschrottung sämtlicher landgestützter nuklearer Mittelstreckensysteme der beiden Supermächte festschrieb, erlebte Altenburg bereits als Chairman des NATO Military Committee, des höchsten militärischen Beratungsgremiums der NATO in Brüssel. Hier warb er im Bündnis für die von Bundeskanzler Kohl keineswegs favorisierte, aber mitgetragene, da insbesondere von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher forcierte doppelte Null-Lösung, d.h. eines Komplettabbaus nuklearer Mittelstreckenwaffen längerer (2.000-5.000 km) und kürzerer Reichweite (500-2000 km). Der INF-Vertrag war damit nicht weniger als der Einstieg in eine neue Runde internationaler Rüstungskontrollverhandlungen - von denen wir heutzutage weit entfernt scheinen (sehr gut beschrieben im Beitrag von Michael Staack, 125-152).
General Wolfgang Altenburg hätte eine Festschrift verdient, die das Dilemma des militärischen Dienstes für Frieden in Freiheit unter dem Damoklesschwert der Nuklearwaffen erfasst hätte. Leider berühren eher wenige Beiträge der Festschrift dieses Thema, das sein Leben und Wirken in Bundeswehr und NATO so nachhaltig bestimmte. Dabei sind die Beiträge weitgehend lesenswert, aber eben ohne Bezug zum Jubilar und zum Generalthema, das doch Altenburgs Leben dominierte. So ist bedauerlicherweise eine Festschrift herausgekommen, die manch fachfremden Beiträge ohne spürbaren Bezug zum Jubilar anbietet oder eben nur ein paar Ansichten aus der Nähe präsentiert. Lediglich dann, wenn Zeitzeugen, wie die Generale Klaus Naumann und Dieter Stöckmann, die Altenburg aus nächster Nähe erlebt haben, berichten, wird es wirklich spannend und erhellend. Falls dieser General einen (umfassenden, schriftlichen) Nachlass haben sollte, wäre eine biographische Arbeit eine wirkliche Herausforderung und eine lohnenswerte Aufgabe.
Heiner Möllers