Rezension über:

Florian Haymann / Stefan Kötz / Wilhelm Müseler (Hgg.): Runde Geschichte. Europa in 99 Münz-Episoden, Mainz: Nünnerich-Asmus Verlag & Media 2020, 292 S., 99 Abb., ISBN 978-3-96176-078-7, EUR 29,00
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Rezension von:
Marco Besl
München
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Marco Besl: Rezension von: Florian Haymann / Stefan Kötz / Wilhelm Müseler (Hgg.): Runde Geschichte. Europa in 99 Münz-Episoden, Mainz: Nünnerich-Asmus Verlag & Media 2020, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 11 [15.11.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/11/34803.html


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Florian Haymann / Stefan Kötz / Wilhelm Müseler (Hgg.): Runde Geschichte

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Der von Florian Haymann, Stefan Kötz und Wilhelm Müseler herausgegebene Band widmet sich der ambitionierten Aufgabe, "den teils tatsächlich bereits sinnentleerten Begriff Europa mit [historischer] Substanz zu füllen" (15). Hervorragend eigne sich hierfür das auch der heutigen Zeit vertraute und damit leicht zugängliche Medium Münze (ebd.). Münzen und Medaillen können mit ihrer medialen Funktion als Spiegel der jeweiligen historischen Verhältnisse gelten. Dieser Sammelband, der gleichsam für Fachpublikum und eine an Geschichte interessierte Leserschaft gewinnbringend ist, zeichnet in 99 Episoden die Geschichte Europas von der Antike bis zur Moderne anhand eines jeweils ausgewählten Münzbeispiels nach. Insgesamt 38 fachkundige und in ihren Gebieten einschlägige Autorinnen und Autoren ließen diesen Band zustande kommen.

Jedes der Kapitel gibt eine hochwertige Abbildung der betreffenden Münze oder Medaille und einen Fließtext von zwei bis drei Seiten Länge, der die Beschreibung dieses Objekts mit einer historischen Kontextualisierung verbindet. Dieses Werk verbindet so bestens eine objektnahe Münzbeschreibung mit einer narrativreichen Geschichtsschreibung, die in Teilen auch literarisches Quellenmaterial zur Sprache kommen lässt. Je nach Kapitel wird mehr oder weniger stark am Münzbeispiel gearbeitet. Es erscheint an dieser Stelle nicht sinnvoll, auf alle 99 Beiträge im Einzelnen einzugehen. Daher sollen für jeden der fünf Hauptabschnitte (Griechische und römische Antike, Mittelalter, frühe Neuzeit und Moderne) jeweils einige Kapitel beispielhaft genannt sein, um so einen Gesamteindruck von diesem lesenswerten Werk zu bieten. Bereits die Zweiteilung der Antike verdeutlicht einen gewissen Schwerpunkt in dieser Epoche. Auch das Mittelalter wird ausführlicher als die frühe Neuzeit und insbesondere die Moderne behandelt.

Das Kapitel zur griechischen Antike wird symbolträchtig durch eine Prägung mit Bild des Europa-Mythos eingeleitet, um dann der Entstehung der Münzprägung im siebten Jahrhundert und den dafür in der Forschung diskutierten Gründen (Beitrag von Ute Wartenberg) nachzugehen. Neben Münzbeispielen, die die Ausbreitung griechischer Kultur und Handelsbeziehungen belegen, nimmt ein Kapitel von Wilhelm Müseler gleichsam als Gegenprobe die Münzprägung des Perserreiches in Blick. Ebenso werden in diesem Werk Seitenblicke auf die Münzprägung der Kelten und Etrusker geworfen. Neben Fragen des Handels, der agonalen Kultur oder der Staatenbünde lassen sich Münzen mit den demokratischen Grundlagen Europas verbinden, wie Florian Haymann an den Athener Eulen und der Bezahlung politischen Engagements vorführt. Marc Philipp Wahl widmet sich der griechischen Plastik und ihrer Rezeption in der Neuzeit. Mehrere Kapitel von Peter Franz Mittag behandeln die grundlegenden politischen und münzpolitischen Veränderungen mit und durch Alexander den Großen und die Rolle seines Bildes im Kampf um seine Nachfolge.

Der Abschnitt zur römischen Antike spannt einen Bogen von der römischen Expansion und der in den Münzen zum Ausdruck kommenden agonalen politischen Kultur der Republik bis in die Spätantike. Die Veränderungen in der Repräsentation mit dem Beginn des Prinzipats werden ebenso dargestellt, wie die Frage nach lokalen Identitäten im römischen Reich und Fernhandelsbeziehungen nach Indien. Reinhard Wolters widmet sich der in der Fachdisziplin verbreiteten Diskussion um eine Krise des dritten Jahrhunderts. Die Veränderungen in der Spätantike hinsichtlich der kaiserlichen Repräsentation, dem Aufstieg des Christentums, dem außenpolitischen Druck und der Reichsspaltung werden durch die Beiträge von Johannes Wienand, Kai Ehling, Stefan Krmnicek und Simone Vogt greifbar.

Das in den beiden vorangehenden Kapiteln sichtbar werdende umfassende Verständnis des Phänomens Europa wird auch im Abschnitt zum Mittelalter deutlich. Allgemeine Charakteristika der numismatischen Entwicklung im beginnenden Mittelalter (Ralf Wiechmann) werden ebenso behandelt, wie bedeutende Zeugnisse der Entwicklung des mittelalterlichen (westlichen) Kaisertums. Umfassend werden die Phänomene des Kulturtransfers sowie der byzantinischen und islamischen Numismatik behandelt. Für das Spätmittelalter zeichnen mehrere Beiträge das Verhältnis von wirtschaftlichem Aufschwung und Monetarisierung nach.

Mit der Renaissance und ebenso im Kapitel zur frühen Neuzeit werden naturgemäß neben den Münzen Medaillen von Interesse, die natürlich umfassendere repräsentative Ausdrucksmöglichkeiten bieten. Insbesondere die päpstlichen Medaillen erzielten große Wirkung, wie der Beitrag von Martin Hirsch herausstellt. Themen der Religion (siehe besonders die Beiträge von Stefan Kötz, Matthias Ohm und Gerd Dethlefs) finden ebenso Eingang, wie der auch in der Numismatik greifbare Aufstieg europäischer Staaten zu Großmächten und politische Umwälzungen.

Das Kapitel zur Moderne bietet eine in manchen Punkten vielleicht überraschende, sicher interessante Auswahl an Münzen, Medaillen spielen hier kaum eine Rolle. Vorrangig sind die Münzbeispiele im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte (von der Industrialisierung und Bildung eines deutschen Staates über die Weltkriege, die NS-Diktatur bis zur deutschen Zweistaatlichkeit) gewählt. Entsprechend der Zielsetzung des Buches endet dieses mit einem Beitrag zum Euro, der mit seiner gleichbleibenden Vorderseite und der jeweiligen Rückseitenbilder der einzelnen Staaten Einheit und Vielheit innerhalb Europas symbolisiert. Ein aufmerksamerer, reflektierender Blick beim täglichen Umgang mit den Euromünzen als "angewandte Numismatik im besten Sinne" (289) und so ein Stück europäische Identitätsarbeit kann nicht zuletzt durch diesen Sammelband befördert werden.

Mit diesem Werk wird eine gute und vielseitige Auswahl historischer Episoden und Ereignissen, je verbunden mit einem darauf verweisenden Münzbeispiel, präsentiert. Die Einleitung gibt grundsätzliche Überlegungen zu Münzen (und Medaillen) als kulturhistorisches Phänomen und historische Quelle (15-16), wenngleich diese ausführlicher sein und beispielsweise das zitierte Diktum von Harold Mattingly, die Münze als "Gazette des Altertums", umfassender problematisieren hätte können. Solches könnte auch in einem ausführlicheren Schlusswort einer möglichen zweiten Auflage geschehen, die dem Band zu wünschen ist.

Marco Besl