Werner Telesko / Sandra Hertel / Stefanie Linsboth (Hgg.): Die Repräsentation Maria Theresias. Herrschaft und Bildpolitik im Zeitalter der Aufklärung (= Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts; Bd. 19), Wien: Böhlau 2020, 557 S., 227 Abb., ISBN 978-3-205-23181-3, EUR 90,00
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Im Zentrum des von Werner Telesko, Sandra Hertel und Stefanie Linsboth herausgegebenen Sammelbandes steht das Interesse an Herrschaftsrepräsentation in Verbindung mit der entsprechenden 'Bildpolitik' in der Regierungszeit Maria Theresias. Der umfangreiche und reich bebilderte Band vereint die Ergebnisse einer internationalen Tagung und eines mehrjährigen Forschungsprojekts: Die Tagung "Kaiserin Maria Theresia (1717-1780). Repräsentation und visuelle Kommunikation", die anlässlich des 300. Geburtstags der Monarchin im Jahr 2017 ausgerichtet worden war, sowie das FWF-Forschungsprojekt "Herrscherrepräsentation und Geschichtskultur unter Maria Theresia (1740-1780)".
Im ersten von insgesamt fünf Kapiteln wird unter dem Titel "Herrschaft und Repräsentation" ein geschichtswissenschaftlicher Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu Maria Theresia geboten. Wolfgang Schmale ordnet die Herrscherin zunächst in die Rahmenbedingungen des 18. Jahrhunderts ein, in denen Maria Theresia alles bedient habe, was von einem Herrscher oder einer Herrscherin erwartet wurde, sich aber gerade durch spezifisch "soziale Handlungs- und Ermöglichungsräume" (31) hervorgetan habe. Hier hebt Schmale die Bedeutung von 'Familie' und 'Arbeitspaar' heraus, führt den Begriff einer "Ermöglicherin" (31) ein und betont Maria Theresias Einfluss auf Europäisierungsprozesse.
Thomas Lau und Sandra Hertel ergänzen sich anschließend in ihren Beiträgen: Lau arbeitet die politischen und strukturellen Kontinuitätslinien, aber auch Elemente der kongenialen Selbstdarstellung Maria Theresias heraus, um so den Mythos der standhaften Heldin nachzuvollziehen (41-43). Hertels Beitrag ergänzt diese Darstellung noch um eine detaillierte Analyse des rituellen Herrschaftsantritts (45-58); zum Teil mit Blick auf die gleichen Ereignisse, die auch Lau thematisiert (z.B. die Krönung in Preßburg). Barbara Stollberg-Rilinger (85-93) rundet diesen analytischen Zugriff auf den Mythos Maria Theresias ab, indem sie die vermeintliche Volksnähe der Herrscherin gekonnt und quellenbasiert dekonstruiert. Sie entmythisiert damit ein zentrales Narrativ, demzufolge Maria Theresia als liebende Landesmutter für jeden Einzelnen ihrer Untertanen zugänglich gewesen sei.
Katrin Keller macht unter dem Titel "Kaiserin und Reich: Warum Maria Theresia sich 1745 nicht krönen ließ" Zeremoniell bzw. Ritual und Recht der Kaiserinnenkrönung zum Thema ihres Beitrags (59-68) und beleuchtet damit noch einmal die Tatsache, dass Franz Stephan am 4. Oktober 1745 zum Kaiser gekrönt wurde, seine Frau sich trotz der ausdrücklichen Aufforderung durch ihren Mann und im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin die Krone allerdings nicht aufs Haupt setzen ließ, weil ihr diese Form der Krönung zur Kaiserin keine zusätzliche Legitimation gebracht hätte, höchstens eine zeremonielle Schwächung ihrer Position. Hinzugefügt sei an dieser Stelle, dass Maria Theresia den Kaiserinnentitel durchaus führte, der ihr im diplomatischen Schriftverkehr sukzessive auch von anderen Höfen zuerkannt wurde.
Zwei weitere Beiträge von Sandra Hertel (69-74) und Marina Beck (75-84) thematisieren das frühneuzeitliche Zeremoniell. Beck hat ihren Beitrag mit dem Obertitel "zwischen Tradition und Pragmatismus" versehen. Es geht ihr um die Verortung des Wiener Zeremoniells als Instrument von Herrschaftsinszenierung. In beeindruckender sprachlicher Dichte präsentiert sie Maria Theresia als "regierenden König", wobei sie bewusst die männliche Form verwendet, um zum Ausdruck zu bringen, dass "das Herrschaftszeremoniell es Maria Theresia [ermöglichte], sich unabhängig von ihrem weiblichen Geschlecht als legitimer Herrscher zu präsentieren." (75) Das sind keineswegs neue Erkenntnisse, Beck bringt hier aber Perspektiven der neuen Kulturgeschichte und Impulse der frühneuzeitlichen Geschlechterforschung auf den Punkt.
Zwischen Tradition und Pragmatismus meint damit also den Gestaltungsspielraum innerhalb des höfischen Zeremoniells, das sich an traditionellen Abläufen orientierte, gleichzeitig aber doch einen pragmatischen Umgang mit der eigentlichen Ausgestaltung im höfischen Alltag ermöglichte. Zusätzlich macht Beck am Zeremoniell eine zeitliche Zäsur fest: Weil Franz Stephan seiner Frau in den ersten Ehejahren im Rang nachstand, trat er im Grunde erst nach seiner Wahl zum römisch-deutschen Kaiser zeremoniell in Erscheinung. Das Jahr seiner Kaiserwahl begründete daher nicht nur neue Machtverhältnisse, sondern auch das kaiserliche Zeremoniell "als Inszenierungsmedium für das Herrscherpaar." (84)
Der vergleichsweise kurze Beitrag wird an dieser Stelle auch prominent herausgestellt, weil zeremonielle Fragen und zeremonielle Bilder ("Zeremonienbilder", siehe Hertel, 170) auch in zahlreichen weiteren Beiträgen aufgegriffen und neu - oder doch zumindest anders - gewichtet werden, so dass "zwischen Tradition und Pragmatismus" auch als ein Resümee des Sammelbandes herangezogen werden könnte. Gleichzeitig bietet dieser Beitrag Anknüpfungspunkte für die nachfolgenden Fallstudien zu verschiedenen visuellen Medien und ihrer Funktion innerhalb der Herrschaftsrepräsentation.
Kapitel II: Kunstgattungen und Medien ist seinerseits in drei Teile gegliedert: Auf "Druckschriften und Druckgrafik" (II.1), in dem sich Spottbilder und Karikaturen (142-147) neben zeitgenössischer Panegyrik (148-159) finden, folgt das Kapitel "Porträttypen" (II.2), das zunächst acht qualitativ ausgerichtete Analysen von Porträtgattungen vorstellt. Hierzu zählen habsburgische Familienporträts, wie z.B. Gruppenporträts als "visuelle Propaganda der Familia Augusta Maria Theresias" (165), ebenso wie Zeremonienbilder, die in Ergänzung zu Krönungs- oder Hochzeitsdarstellungen, die in erster Linie als dynastische Großereignisse verstanden werden, höfische Ereignisse wie Ordensverleihungen oder Damenkarussels zum Gegenstand haben und auch als "Gruppenporträts der Hofgesellschaft" (173) fungieren konnten. Die Analyse mythologisch bzw. christlicher Allegorien, die Maria Theresia als Pallas Athene oder als heilige Helena darstellen, aber auch Porträts auf Münzen oder in Miniaturform ergänzen dieses ausdifferenzierte Bild, bevor Stefanie Linsboth das Unterkapitel mit einer quantitativen Auswertung der Porträts Maria Theresias (213-215) abschließt. Diese basiert auf ca. 400 Einzelporträts, wobei die Witwenporträts allein ein Viertel des Samples ausmachen. Porträttypen und Darstellungsformen, insbesondere auch die Auswertung in Bezug auf die dargestellten Kronen (Stephanskrone, Erzherzogshut, Wenzelkrone), sind die Merkmale, auf die Linsboth sich in ihrer Auswertung bezieht, implizit ergänzt durch den Hinweis auf die Vielzahl von Gemälde- und Kupferstichkopien (213).
Die folgenden Beiträge schließen den Bogen zum Zeremoniell, indem "Medien und Repräsentation in zeremonieller Praxis" im Fokus stehen. Ephemere (Fest-)Architektur, Wort-Bild-Kombinationen (Schießscheiben) oder die symbolische Präsenz der Herrscherin (und die ihres Thronerben) in Wand- und Deckengemälden von Rathäusern geben einen Eindruck von der Bandbreite der einzelnen Beiträge. Insbesondere Linsboths "Herrscherrepräsentation in Rathäusern" (217-220) verweist hier bereits auf Verknüpfungs- und Vergleichsmöglichkeiten mit Kapitel IV, in dem Formen der Herrschaftsrepräsentation, die bislang entweder im Umfeld des Wiener Kaiserhofes oder ohne expliziten Raumbezug thematisiert wurden, jetzt in der Fläche des habsburgischen Herrschaftsgebiets räumlich verortet werden.
Zunächst widmet sich jedoch Kapitel III den Akteuren der Bild- und Textproduktion. Als besonders vielseitig erweist sich hier der Blick auf die Medaillenproduktion (Fabiankowitsch, 288-299) und auf die "Schau- und Dekmünzen" (Fiska, 300-309) als Medium politischer Selbstdarstellung.
Die Ausweitung des Untersuchungsraums auf die Königreiche Ungarn (IV.1) und Böhmen sowie die Territorien Vorderösterreich und die Österreichischen Niederlande (IV.2) greift noch einmal wie in einer Art Gegenprobe rote Fäden aus den bisherigen Kapiteln auf und überprüft deren Ergebnisse gewissermaßen noch einmal für Ungarn und die "Repräsentation in der Peripherie" (IV.2), mit der die übrigen österreichischen Territorien umschrieben werden: Linsboth greift die Rezeption habsburgischer Ikonographie anhand ungarischer Krönungsbilder auf, verweist überzeugend auf cross-mediale Bezüge zu den Zeremonialprotokollen, aber auch darauf, dass der Auswurf von Krönungsmünzen auf den Gemälden dargestellt wird (325). Telesko rückt wiederum die Rezeption habsburgischer Ikonographie auf ungarischen Krönungsmedaillen in den Vordergrund und ordnet deren Themen, zu denen die auffällige Betonung der Stephanskrone (332) gehört, politischen Funktionen zu. Anhand dieser Gegenüberstellung der Beiträge von Linsboth und Telesko wird deutlich, wie eng die - auch interdisziplinären - Beiträge miteinander verzahnt sind. Überschneidungen wirken nicht redundant, sondern ergänzen einander gewinnbringend. Auch wenn in der Gesamtstruktur des Bandes einzelne Beiträge eher Scharnierfunktion haben oder dazu dienen, den aktuellen Stand der Forschung als Hintergrundfolie aufzubereiten, während andere Beiträge ihr Quellenportfolio ausbreiten und neue Ergebnisse präsentieren können und sollen, überzeugt der Sammelband konzeptionell. Er stellt mit seiner Fülle an Themen ein Standardwerk zur Herrschaftsrepräsentation Maria Theresias und des 18. Jahrhunderts dar.
Das abschließende Kapitel V. bietet in Form eines Ausblicks Vergleichsperspektiven zu Strategien der Herrschaftsrepräsentation in Preußen (Telesko, 387-394), in Frankreich (Posselt-Kuhli, 395-405), und im Zarenreich (Skvortcova, 406-414) sowie zur Rezeption von Maria Theresia-Porträts in Dänemark und Schweden (Yonan, 415-424). Damit knüpfen die fünf Beiträge des letzten Kapitels ihrerseits an die europäische Perspektive an, die Wolfgang Schmale im Einführungsbeitrag aufgemacht hat: Weniger "Europe française" - mehr "Kultur Europa." (31)
Britta Kägler