Rezension über:

Ernst Koch: Musik der Menschen und Musik der Engel. Frömmigkeitsgeschichtliche Beiträge zur lutherischen Musikkultur. Mit einer Bibliographie der Schriften des Autors (Hrsg. von Stefan Michel und Johannes Schilling), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2021, 231 S., ISBN 978-3-3740-6797-8, EUR 38,00
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Rezension von:
Daniel Gehrt
Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt
Redaktionelle Betreuung:
Christian Volkmar Witt
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Gehrt: Rezension von: Ernst Koch: Musik der Menschen und Musik der Engel. Frömmigkeitsgeschichtliche Beiträge zur lutherischen Musikkultur. Mit einer Bibliographie der Schriften des Autors (Hrsg. von Stefan Michel und Johannes Schilling), Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2021, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 1 [15.01.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/01/35720.html


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Ernst Koch: Musik der Menschen und Musik der Engel

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Der kürzlich von Stefan Michel und Johannes Schilling herausgegebene Sammelband würdigt den Theologen und Kirchenhistoriker Ernst Koch zu dessen 90. Geburtstag am 17. Dezember 2020. Schilling übernimmt den Auftakt mit einer Laudatio, die den bei Görlitz geborenen Pfarrerssohn mit all seinen sympathischen Zügen und beachtenswerten Verdiensten lebhaft vorstellt. In der Überschrift wird er als "doctor pietatis" charakterisiert. Das Epitheton bezieht sich sowohl auf den Schwerpunkt seiner Forschung, der in der Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts liegt, als auch auf seine Ausbildungstätigkeit am Theologischen Seminar Leipzig und an anderen kirchlichen Einrichtungen.

Ein Bruchteil seiner Leistungen spiegelt sich in der chronologisch aufgebauten Bibliographie seiner Veröffentlichungen wider, die den Schlussteil des Bands bildet. Sie erfasst 702 Titel von 1960 bis 2020. Dazu zählen neben Monographien, herausgegebenen Schriften und Beiträgen für Zeitschriften und Sammelbände auch zahlreiche Kleinschriften, wie Rezensionen, Lexikonartikel und Predigtstudien. Die Bibliographie ergänzt das Gesamtverzeichnis, das mehrere Freunde und Kollegen im Jahr 2000 erstellten. Sie ist ein Denkmal mit praktischem Nutzen, denn sie macht auf viele anregende Schriften aufmerksam, deren Existenz anderenfalls übersehen worden wäre. Grundsätzlich gilt: Es gibt nichts von Ernst Koch, was sich nicht zu lesen lohnt. Seine enorme Sachkenntnis und helle Auffassungsgabe kennzeichnen seine Schriften. Sie sind stets tiefsinnig und überlegt und enthalten scharfe Beobachtungen und aufschlussreiche Einsichten. Die Studien sind bestens fundiert und beruhen häufig sowohl auf gedruckten als auch auf handschriftlichen Quellen. Zudem schreibt Koch in einem angenehmen Stil.

Von diesem immensen Schaffen geben Michel und Schilling acht Beiträge zu einem übergreifenden Thema heraus, das Koch besonders am Herzen liegt: die Musik. Der Titel des Sammelbands "Musik der Menschen und Musik der Engel" ist dem Titel des letzten Aufsatzes entnommen. Die ersten sieben Beiträge gehen vom Wirken und Schaffen der bedeutenden mitteldeutschen Komponisten Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach aus. Mit Ausnahme des zweiten Aufsatzes handelt es sich um Veröffentlichungen aus dem Zeitraum zwischen 1989 und 2009 - davon allein vier im "Bach-Jahrbuch" -, die hier in leicht redaktionell bearbeiteter Form wiedergegeben werden. Zum Vorteil gegenüber der Publikation in Zeitschriften sind die im Sammelband vorkommenden Personen in einem Register erfasst.

Der erste Beitrag beschäftigt sich weniger mit den im Titel genannten "Musikalischen Exequien" selbst, die Schütz 1636 für die Trauermesse und Beisetzung von Heinrich Postemus Reuß komponierte, als mit deren theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Wurzeln in der Wittenberger Reformation. In dieser Konfessionskultur spielten Kirchenlieder eine herausragende Rolle bei der Vorbereitung des einzelnen Christen auf den leiblichen und geistlichen Abschied aus dieser Welt. Im nächsten Aufsatz widmet sich Koch den "Cantiones sacrae". Er legt diese 40 lateinischen Motetten, die Schütz 1625 veröffentlichte und dem katholischen Fürsten und kaiserlichen Ratgeber Hans Ulrich von Eggenberg widmete, als einen Zyklus mit inhaltlich verbindender Struktur dar. Zudem weist er unter anderem den überkonfessionellen Gebetscharakter der Motetten wie auch die für die Wittenberger Theologie typische Konzentration auf die Christologie auf.

Die fünf Beiträge zu Bach sind verschiedener Natur. Die ersten drei dienen dazu, das Wirken des Komponisten in Thüringen stärker zu kontextualisieren. Dabei verfolgt Koch jeweils einen anderen Ansatz. Zunächst sucht er nach Beziehungskreisen, die für Bachs Tätigkeit in Mühlhausen in den Jahren 1707 und 1708 wichtig waren, die sich aber nicht zwangsläufig durch seine Amtstätigkeit als Organist an Divi Blasii ergaben. Dazu zählten vor allem der Bürgermeister Conrad Meckbach, der Archidiakon an St. Marien Georg Christian Eilmar und ihre Familien. Im folgenden Beitrag erläutert Koch den langjährigen Schreit zwischen Eilmar und dem pietistisch geprägten Superintendenten Johann Adolph Frohne um die Lieder im Gesangbuch und die musikalische Gestaltung der Gottesdienste. Als weitere Handreichung an die Bachforschung erläutert Koch das gottesdienstliche Arbeitsfeld Bachs zwischen 1708 und 1717 als Hoforganist und Konzertmeister in Weimar. Zum einen richtet er seinen Blick auf die geltende Gottesdienstordnung und Agende sowie das aktuelle Gesangbuch. Zum anderen bietet er Biogramme sämtlicher Hofgeistlicher. Schließlich beschreibt er den Innenraum der damaligen Schlosskirche, welche 1774 einem Brand zum Opfer fiel.

In den letzten beiden Beiträgen zu Bach spürt Koch das zeitgenössische theologische Verständnis einiger Texte auf. Im ersten Aufsatz interpretiert er die Echo-Arie im vierten Teil des Weihnachts-Oratoriums als einen Gebetsvorgang, in dem das Echo eine affirmierende Antwort aus dem Jenseits darstellt. Danach befasst er sich mit der Frage nach möglichen theologischen Zuweisungen von Stimmlagen. Anhand von Schriften der Theologen Johannes Saubert und Heinrich Müller untermauert er die These, dass die Soloaltpartien im Weihnachts-Oratorium und in der Matthäus-Passion die Stimme des Heiligen Geistes hörbar machen sollen. Der achte und letzte Beitrag befasst sich mit theologischen Aspekten von Orgelmusik. Dabei wertet Koch zahlreiche Predigten aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus, die anlässlich der Weihe einer neuen Orgel gehalten wurden. Daraus geht die hohe Wertigkeit der Orgelmusik in der lutherischen Theologie hervor.

In allen Beiträgen legt Koch das innige Verhältnis der Wittenberger Reformation zur Musik eindrucksvoll dar.

Daniel Gehrt