Werner Busch: Caspar David Friedrich (= C.H. Beck Wissen; 2526), München: C.H.Beck 2021, 128 S., ISBN 978-3-406-77704-2, EUR 9,95
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Die vorliegende Publikation zum romantischen Landschaftsmaler Caspar David Friedrich ist eine der neuesten in der beliebten Taschenbuchreihe C.H.Beck Wissen Künstlermonografien. Der Autor des Bandes ist mit Werner Busch ein renommierter Experte für die europäische Malerei der Neuzeit und im Besonderen für die Kunst des 19. Jahrhunderts, der auch für diese Reihe schon einige Bände verfasst hat. Zudem veröffentlichte er 2003 eine vielbeachtete Friedrich-Monografie. [1]
Im Rahmen der Einleitung versucht Busch, die Grundzüge der Friedrich-Forschung im 20. und frühen 21. Jahrhundert zu skizzieren (7-19). Der Autor verweist zunächst darauf, dass Friedrich nach seinem Tod in Vergessenheit geriet (7). Erst anlässlich seines 200. Geburtstags gelang es, ihn im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert gab es laut Busch mehrere Forschungstendenzen: Kunsthistoriker wie Börsch-Supan sahen in Friedrich in erster Linie einen religiösen Künstler, wobei die Art seiner Religiosität zunächst undefiniert blieb (7). Werner Hofmann hingegen betonte die Bedeutungsoffenheit von Friedrichs Werken (7-8). Zudem gab es einige politisch links orientierte westdeutsche Forscher, die die politische Dimension seiner Kunst hervorhoben (8). Zum Schluss verweist der Autor auf seine eigenen Forschungen, in denen es unter anderem um die Verbindungen zu den Gedanken Friedrich Schleiermachers geht (9).
Im zweiten Kapitel wird ein Überblick über Friedrichs wichtigste Lebensstationen geboten: Der Künstler wurde 1774 im norddeutschen Greifswald geboren, das damals zu Schweden gehörte. Seine Kindheit war von traumatischen Ereignissen geprägt: einerseits vom frühen Tod der Mutter und mehrerer Geschwister, andererseits von einem Erlebnis, bei dem er im Eis einbrach und von seinem älteren Bruder gerettet wurde, der dabei jedoch selbst starb. In diesem Kontext erwähnt Busch, dass Friedrich später vermutlich einen Selbstmordversuch unternahm (11). In den 1790er-Jahren studierte Friedrich an der Kunstakademie in Kopenhagen. Anschließend wurde Dresden sein Lebensmittelpunkt. Während der frühen Dresdner Jahre schuf Friedrich hauptsächlich Aquarelle und Zeichnungen. Bereits zu dieser Zeit entdeckte er Landschaften, die später zu den wichtigsten Themen seiner Gemälde werden sollten: Rügen, die Sächsische Schweiz und das Riesengebirge. In den späten 1910er-Jahren entstanden Hauptwerke wie der Tetschener Altar und Der Mönch am Meer. Die glücklichste Zeit seines Lebens waren die ersten Jahre seiner Ehe zwischen 1818 und 1824. Caroline Bommer gebar ihm vier Kinder, von denen das zweite jedoch tot auf die Welt kam. Zu Friedrichs Auftraggebern gehörten in den 1820ern unter anderem Zar Nikolaus I. 1824 wurde er zum außerordentlichen Professor für Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie berufen. Aufgrund seiner freiheitlich-nationalen und anti-napoleonischen Einstellung war sein Gehalt jedoch sehr gering, weshalb die letzten 15 Jahre seines Lebens von Armut und Krankheit geprägt waren. 1835 erlitt der Künstler einen Schlaganfall und verstarb fünf Jahre später.
Das dritte Kapitel befasst sich mit Friedrichs frühen Zeichnungen. Der Autor betont, dass die Arbeiten die Landschaften sehr präzise wiedergeben, und mutmaßt, dass der Künstler sie mit Hilfe eines speziellen Visierrahmens erstellte (22-23). Anschließend beweist Busch anhand der Analyse einiger früher Sepiazeichnungen, dass der Maler in den Jahren vor 1806 seine wichtigsten Kompositionsprinzipien entwickelte (29-42). An Werken wie dem Blick auf Arkona mit aufgehendem Mond demonstriert er, dass vielen Kompositionen Friedrichs der sogenannte Goldene Schnitt zugrunde liegt (31-32).
Im Zentrum des fünften Kapitels stehen zwei Hauptwerke: der Tetschener Altar und Der Mönch am Meer. Beim Bildthema des Altars verweist der Autor auf die lutherische Kreuzestheologie - Friedrich interpretierte diese offenbar dahingehend, dass sich nur über den Tod ein Weg zum ewigen Leben eröffnet (47). Außerdem erwähnt Busch auch die zahlreichen negativen Reaktionen der Zeitgenossen auf das Werk (48-49): man kritisierte unter anderem, dass das Bild sowohl der religiösen Malerei als auch der klassischen Landschaftsauffassung widersprach und dass es unangemessen sei, auf einem Altarbild eine Landschaft darzustellen. Beim Mönch am Meer glaubt Busch, dass das Gemälde eng mit einer Stelle in Goethes zwei Jahre früher erschienenem Faust I zusammenhängt (51-52); allerdings sei die demütige Hauptfigur des Bildes als eine Art Anti-Faust zu interpretieren. Ferner sei irritierend, dass bei der Komposition kein gängiges Kompositionsprinzip greife. Verständlich sei das Gemälde daher nur zusammen mit seinem Pendant, der Abtei in Eichwald - dort werde dieser Mangel nämlich aufgehoben. Zwar vermittle auch dieses Werk Trostlosigkeit, jedoch gäbe es dort zum Beispiel mit den zwei Lichtern am hohen Kreuz einige Hoffnungszeichen.
Ein kurzes Kapitel ist dem Einfluss Friedrich Schleiermachers gewidmet. Darin betont der Autor die zentrale Bedeutung von drei Begriffen: Demut, Anschauung und Gefühl (63-64). Sowohl Schleiermacher als auch Friedrich waren davon überzeugt, dass der Gläubige demütig auf Gottes Gnadenerweis warten muss. Zudem war Anschauung für beide "ein staunendes Anschauen des Unendlichen" und ein "passives Sich-Ergreifen-lassen". (64)
Im verhältnismäßig langen siebten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den Zusammenhängen zwischen Friedrichs Kunst und der romantischen Mathematik. Er betont zunächst, dass sich romantische Dichter und Philosophen auch mit mathematischen Problemen auseinandergesetzt haben (76-70). Im Fokus ihrer Überlegungen standen vor allem geometrische Formen wie Ellipse und Hyperbel sowie die Infinitesimalrechnung. Laut Busch wurde das mathematisch Unendliche von den Romantikern in Analogie zum göttlich Unendlichen gedacht (67) und auf diese Weise ein sehr enger Bezug zwischen Mathematik und Religion hergestellt. Der Autor meint daher, dass Friedrich seine Kompositionen bewusst mit Hilfe geometrischer Figuren konstruierte (69). Den wichtigsten Beweis dafür sieht er in Theodor Schwarzs Roman "Erwin von Steinbach oder Geist der deutschen Baukunst", in dem der Maler Kaspar erklärt, dass geometrische Formen das Gerüst eines Bildes bilden (78). Obwohl belegt ist, dass Schwarz und Friedrich einander persönlich kannten, ist diese These in meinen Augen jedoch mit Vorsicht zu behandeln, da es von Friedrich diesbezüglich keine Selbstäußerungen gibt.
Anschließend erläutert Busch die Arbeitsweise des Künstlers (79-89). Schriftlichen Quellen zufolge fertigte Friedrich keine Entwurfszeichnungen an, sondern zeichnete die Komposition direkt auf die Leinwand. Außerdem lässt sich nachweisen, dass Pièrre-Henri de Valenciennes' kunsttheoretisches Traktat "Éléments de perspective pratique" (1799/1800) eine wichtige Inspirationsquelle für den Maler war. Valienciennes beschrieb darin zahlreiche optische Phänomene wie etwa die Erscheinungsformen von Nebel, die Friedrich in seinen zahlreichen Nebelbildern darstellte.
Im vorletzten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit Friedrichs Freundschaften zu Johan Christian Dahl und Carl Gustav Carus (89-105). Dahl war ein bedeutender norwegischer Landschaftsmaler, der ab etwa 1816 in Dresden lebte. Friedrich und Dahl arbeiteten eine Zeit lang sehr eng zusammen und wohnten sogar im gleichen Haus. Carus war Friedrichs Arzt und zugleich auch Maler. Anhand mehrerer Bildvergleiche erläutert Busch die Stärken und Schwächen der drei Künstlerpersönlichkeiten.
Zum Schluss stellt Busch einige Hauptwerke Friedrichs vor und versucht, diese auch inhaltlich zu deuten (105-120). Im Fokus steht dabei unter anderem die Hypothese, dass der Künstler viele seiner Werke als Pendantpaare konzipierte. Ferner ist dem Autor zufolge die sogenannte Lebensreise ein Leitmotiv in der Kunst Friedrichs (119). Bei der Besprechung des Kreidefelsens auf Rügen erwähnt Busch nebenbei auch eine wichtige Eigenschaft von Friedrichs Landschaften: der Künstler schuf diese nämlich mit Hilfe von Zeichnungen nach realen Landschaften, die er miteinander kombinierte - in vielen Fällen stellen seine Gemälde also eigentlich Phantasielandschaften dar, was ihn mit der älteren Landschaftsmalerei verbindet (110).
Grundsätzlich ist das Buch inhaltlich gut strukturiert und in einer leicht verständlichen Sprache verfasst. Allerdings wirkt der Schreibstil des Autors mitunter etwas trocken und teilweise zu wissenschaftlich, weshalb die Publikation eher ungeeignet ist, eine breitere Leserschaft anzusprechen. Der Blick in die Bibliografie offenbart auch, dass sich Busch ausschließlich auf die deutschsprachige Forschung beruft. Zwar überwiegen auf diesem Gebiet deutschsprachige Veröffentlichungen, jedoch ist Caspar David Friedrich auch ein international sehr geschätzter Künstler. So fehlen in der Bibliografie bedeutende neuere Publikationen wie der Kongressband L'oeil de l'esprit. [2] Außerdem klammert Busch ein mittlerweile sehr gut erforschtes und dokumentarisch belegbares Problem aus: die psychische Erkrankung des Künstlers. Im Kontext einer derartigen Veröffentlichung wäre es ferner wichtig gewesen, auf allgemeinere Aspekte mit mehr Nachdruck hinzuweisen. Insbesondere hätte der Autor die kunsthistorische Bedeutung des Malers deutlicher hervorheben können - letztendlich ist ja die gesamte Landschaftsmalerei und -fotografie seit dem 19. Jahrhundert und somit die Art, wie wir heute Natur und Landschaften wahrnehmen ohne die Errungenschaften Friedrichs nicht vorstellbar.
Trotz dieser Kritikpunkte enthält die kleine Monografie viele nützliche Informationen, beleuchtet das Thema aus mehreren Perspektiven und bietet daher insgesamt einen guten Einstieg in dieses Forschungsgebiet.
Anmerkungen:
[1] Werner Busch: Caspar David Friedrich. Ästhetik und Religion, München 2003.
[2] Jean-Noel Bret / Laure Cahen-Maurel: L'oeil de l'esprit. Caspar David Friedrich et le romantisme allemand, Paris 2019.
Anna Simon