Rezension über:

George C. Watson: Connections, Communities, and Coinage. The System of Coin Production in Southern Asia Minor, AD 218-276 (= Numismatic Studies; Vol. 39), New York: The American Numismatic Society 2019, XIX + 620 S., ISBN 978-0-89722-358-4, USD 100,00
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Rezension von:
Samuel Oer de Almeida
Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Samuel Oer de Almeida: Rezension von: George C. Watson: Connections, Communities, and Coinage. The System of Coin Production in Southern Asia Minor, AD 218-276, New York: The American Numismatic Society 2019, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 5 [15.05.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/05/37049.html


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George C. Watson: Connections, Communities, and Coinage

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Konrad Kraft untersuchte in seiner 1972 erschienenen Studie zum System der kaiserzeitlichen Münzprägung in Kleinasien das Phänomen der Stempelkoppelung, der Nutzung eines Vorderseitenstempels mit den Reversstempeln unterschiedlicher Städte. [1] Seine methodischen Prämissen und Ergebnisse wurden seither viel diskutiert, bisweilen adaptiert, in Teilen aber auch stark kritisiert. [2] Nun wagt sich George C. Watson mit seiner Dissertation über die Münzproduktion im südlichen Kleinasien des 3. Jahrhunderts nach Christus an eine von Kraft lediglich gestreifte Region, die für ihre immense Prägeaktivität in dieser Zeit bekannt ist. [3] Dabei bewältigt er nicht nur eine gewaltige Materialmenge, sondern bietet auch neue Sichtweisen auf die Organisation städtischer Münzprägung in Kleinasien.

Watson bespricht in einem einleitenden Kapitel (1-16) zunächst die Geographie und Geschichte der von ihm untersuchten Region, die sich von Pamphylien nach Westkilikien erstreckt. Den pragmatisch, aber nicht weniger sinnvoll gesetzten zeitlichen Rahmen der Studie, welche die Zeit zwischen den Kaisern Elagabal und Tacitus in den Blick nimmt, rechtfertigt er mit dem Auftreten von Koppelungen und Stempeln ähnlichen Stils in verschiedenen Städten der Region im 2. Viertel des 3. Jahrhunderts nach Christus sowie dem Ende städtischer Münzprägungen unter Tacitus. Ferner können die meisten der in diesem Zeitraum emittierten Münzen verhältnismäßig genau datiert werden, da die Region kaum 'pseudo-autonome' Prägungen, also Münzen ohne kaiserliches Porträt, aufweist. [4] Zudem gibt Watson einen kurzen Überblick über die Publikationslage und sein Material, das aus 6229 Münzen mit 921 Avers- und 2206 Reversstempeln besteht, sowie eine ausführlichere Besprechung der Forschungsgeschichte.

Es folgen numismatische Einführungen zu den 28 behandelten Städten (17-59), die jeweils einen chronologischen sowie typologischen Abriss geben, das vorherrschende Nominalsystem - soweit bei unbekannten Nennwerten anhand des Durchmessers und Gewichts möglich - zeitlich differenziert rekonstruieren und einschlägige Publikationen besprechen.

Das reich bebilderte Kapitel 3 (61-110) widmet sich der chronologischen und geographischen Rekonstruktion der Tätigkeit einzelner Werkstätten. Watson arbeitet mittels Stilanalysen der Vorderseitenstempel, wobei er subjektive Urteile problembewusst umgeht, indem er klare Kriterien zur Differenzierung von Stempelschneidern entwickelt. Ein oder zwei Schneider, die zusammenarbeiteten, zeichnen sich dabei durch ähnliche Darstellungsmodi bestimmter Elemente aus. So lassen sich Stempel einer Werkstatt durch eine langfristig beibehaltene Darstellungsart kleiner Details von den Produkten anderer Manufakturen unterscheiden. Watson differenziert in der untersuchten Region zwischen drei Werkstätten (A, B und C), deren Erzeugnisse er jeweils in weitere Untergruppen aufteilt. Nicht einer dieser drei Werkstätten zuweisbare Stempel gelten als "non-workshop dies", die Watson bei Bildung einer kleinen stilistischen Gruppe als Produkte eines nur lokal tätigen Schneiders deutet. Watson legt in diesem Kapitel in methodisch vorbildlicher Weise von Fall zu Fall die Gründe für seine Zuweisungen ausführlich dar und macht diese durch mehrfarbige Markierungen in zahlreichen Farbabbildungen der Averse auch visuell nachvollziehbar.

Im Anschluss diskutiert Watson den Produktionsprozess antiker Münzen (111-126). War Kraft noch von der Annahme ausgegangen, dass die mobilen, privaten Stempelschneiderunternehmen ihre Erzeugnisse stets mit sich transportierten und nur bei Bedarf an Städte ausliehen, bietet Watson ein plausibleres Szenario, in dem die verantwortliche städtische Boule - allein schon aus Fälschungsprävention - nach Herstellung die Stempel selbst verwahrte und an andere Poleis verkaufen konnte. Diese Erklärung der Stempelkoppelungen, die nach Watsons Materialanalyse gerade nicht mit der Aktivität einer Werkstatt zusammenhängen mussten, leuchtet ein. Auch die Produktion von Schrötlingen sowie das tatsächliche Prägen, das sich aufgrund der geringen Quantität nicht in ständigen Münzstätten, sondern wahrscheinlich nur ad hoc bei einem lokalen Schmied abspielte, lag in der Hand der Stadt.

Diese Einsichten lassen Fragen zum Einfluss der Stempelschneider aufkommen, die Watson zunächst mit Blick auf Typen und Nominale erörtert (127-141). Seine Gegenüberstellung von Produkten einer Werkstatt und den Münzen der einzelnen Gemeinden zeigt deutlich, dass die Städte den Ton sowohl bei der Typologie als auch beim Nominalsystem angaben - die Münzprägungen von Poleis, die von der gleichen Werkstatt versorgt wurden, teilen sich nämlich keine auffälligen Gemeinsamkeiten. Es gab kein festes Typenrepertoire, sondern die Stempel scheinen vielmehr für jede Emission in einem diskursiven Prozess zwischen zuständigen Magistraten und Schneidern gestaltet worden zu sein. Wie Watson anschließend zeigt (143-159), bestimmten die Städte auch den Prägerhythmus und die Emissionsvolumen ausschließlich selbst. Die regionale Kleingeldversorgung war durch eine generell beständige Produktion gesichert, wobei sich kleinere Städte oft an der Nominalstruktur der nächsten Metropole orientierten. Die größeren Städte Perge und Side scheinen wiederum ihre Prägeaktivität aufeinander abgestimmt zu haben. Beide Einsichten legen eine Akzeptanz fremder Münzen in anderen Städten nahe, die allerdings fallweise geprüft werden muss. Watsons Ergebnisse stärken die münzpolitische Position der Stadt: Ihre Magistrate waren in allen Belangen federführend, sodass die Münzen einer Polis mit gutem Recht als herausragende Quellen der Stadt- und Kulturgeschichte zu gelten haben.

Abschließend setzt Watson die räumlich variierende Aktivität der Werkstätten in Westpamphylien sowie Ostpamphylien und Westkilikien in Bezug zu breiteren humangeographischen Strukturen in der Region (161-177). Im Abgleich mit Mobilitätsmustern und der Verbreitung der 'Sagalassos Red Slip Ware' sowie bestimmter Nominalsysteme und ikonographischer Spezifika kann er dabei die kulturgeographische Verankerung der Münzproduktion aufzeigen.

Einem kurzen Fazit (179-183), in dem Watson den Modellcharakter seiner Materialinterpretation betont und vor geographischer Generalisierung warnt, folgt die umfangreiche Bibliographie (185-208), die allerdings von einer einheitlicheren Groß- und Kleinschreibung profitiert hätte. Der Katalog (209-588) wird durch Watsons erläuternde Einführung rasch verständlich und stellt fraglos das akribische Glanzstück der Arbeit dar. Weitere Anhänge bilden aufgrund ihrer unsicheren Identifizierung oder schlechten Erhaltung nicht aufgenommene Münzen (589-595), statistische Berechnungen zur geschätzten ursprünglichen Stempelanzahl (597-603) sowie Konkordanzen (605-613). [5] Zuletzt folgen ein allgemeiner Index (615-620) und ein 74 schwarz-weiß Tafeln umfassender Abbildungsteil, der - mit einer Ausnahme [6] - generell von hoher Qualität ist.

Watson hat nicht nur eine verdienstvolle, sich durch Akribie und methodische Konsequenz auszeichnende numismatische Studie verfasst, sondern bemüht sich darüber hinaus seine Ergebnisse auch für weiterführende altertumswissenschaftliche Fragestellungen fruchtbar zu machen. Eine Beschäftigung mit den kaiserzeitlichen Städteprägungen in Kleinasien wird künftig - und das gilt besonders für den pamphylisch-westkilikischen Raum - kaum ohne eine Auseinandersetzung mit Watsons Rekonstruktion der Mechanismen und Prozesse antiker Münzproduktion auskommen.


Anmerkungen:

[1] Konrad Kraft: Das System der kaiserzeitlichen Münzprägung in Kleinasien. Materialien und Entwürfe (= Istanbuler Forschungen; 29), Berlin 1972.

[2] Ann Johnston: New Problems for Old: Konrad Kraft on Die-Sharing in Asia Minor, in: The Numismatic Chronicle 14 (1974), 203-207; dies.: Die Sharing in Asia Minor: The View from Sardis, in: Israel Numismatic Journal 6-7 (1982-1983), 59-78; dies.: Aphrodisias Reconsidered, in: The Numismatic Chronicle 155 (1995), 43-100; David J. MacDonald: The Coinage of Aphrodisias (= Royal Numismatic Society. Special Publication; 23), London 1992, 5-8; Marguerite Spoerri Butcher: L'organisation de la production monétaire au sein de la province d'Asie à l'époque de Gordien III (238-244), in: Schweizerische Numismatische Rundschau 85 (2006), 97-132.

[3] Vgl. auch einige kürzere Beiträge des Autors: George C. Watson: Die Sharing in Asia Minor: Another Phantom Link, in: Schweizer Münzblätter 264 (2016), 100-102; ders.: The System of Coin Production in Roman Asia Minor: New Light on an Old Problem, in: Maria Caccamo Caltabiano (ed.): XV International Numismatic Congress, Taormina 2015. Proceedings I, Rom 2017, 963-966; ders.: Kraft in the 21st Century. A New Listing of Shared Dies in the Roman Provincial Coinage, in: American Journal of Numismatics 32 (2020), 219-272; ders.: The Development and Spread of Die Sharing in the Roman Provincial Coinage of Asia Minor, in: American Journal of Archaeology 125 (2021), 123-142.

[4] Die geringe Anzahl 'pseudo-autonomer' Münzen in der untersuchten Region entschuldigt allerdings nicht die fehlende Auseinandersetzung mit der thematisch maßgeblichen Publikation Katharina Martin: Demos, Boule, Gerousia. Personifikationen städtischer Institutionen auf kaiserzeitlichen Münzen aus Kleinasien (= Euros; 3), Bonn 2013. Vgl. einen älteren Beitrag des Autors zu 'pseudo-autonomen' Münzen, in dem lediglich kurz auf die eingereichte Qualifikationsschrift Bezug genommen wird: George C. Watson: Die-Sharing and the 'Pseudo-Autonomous' Coinages, in: The Numismatic Chronicle 177 (2017), bes. 209 Anm. 36.

[5] Die Konkordanzen beziehen sich auf Konrad Kraft: Das System der kaiserzeitlichen Münzprägung in Kleinasien. Materialien und Entwürfe (= Istanbuler Forschungen; 29), Berlin 1972 und Antony Hostein / Jerome Mairat: Roman Provincial Coinage IX. From Trajan Decius to Uranius Antoninus (AD 249-254), London / Paris 2016.

[6] Die Abbildung der Rückseite von Nr. 143a auf Taf. 7 ist stark verpixelt; vermutlich lässt sich dieser Umstand auf einen Datenverarbeitungsfehler zurückführen. Für eine hochauflösende Photographie der Münze siehe: https://collections.mfa.org/objects/260433 (13.04.2022).

Samuel Oer de Almeida