Mark Häberlein (Hg.): Im Auftrag Halles nach Nova Scotia. Johann Gottlob Schmeißer und die Anfänge der lutherischen Kirche in Kanada (= Hallesche Quellenpublikationen und Repertorien; Bd. 19), Wiesbaden: Harrassowitz 2022, X + 195 S., eine Kt., 4 s/w-Abb., ISBN 978-3-447-11790-6, EUR 49,00
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Der Bamberger Frühneuzeithistoriker Mark Häberlein hat in der Reihe "Hallesche Quellenpublikationen und Repertorien" eine Darstellung mit Quellenedition zu dem lutherischen Pastor Johann Gottlob Schmeißer (1751-1806) vorgelegt. Der dünne Band hält, was er verspricht. Auf den ersten 75 Seiten legt Häberlein eine dichte und quellengesättigte Beschreibung sowie eine differenzierte Analyse zur Berufung und zum Wirken Schmeißers vor, das im Umfeld der ersten lutherischen Gemeinde im heutigen Kanada, der damaligen britischen Kolonie Nova Scotia, einzuordnen ist. Häberlein schildert unter anderem die Suche der deutschen Lutheraner nach einem geeigneten Pastor für die Gemeinde von Lunenburg, die Rolle von Schmeißers adliger Patronin, Emerentia Sophia von Bredow, seine Reisevorbereitungen, Vokation und Ordination, sein Wirken in Nova Scotia sowie die transatlantische Kommunikation, vor allem mit Halle. An den darstellenden Teil schließt sich ein etwa einhundert Seiten umfassender Quellenteil an, in dem Häberlein anhand von 54 Texten - hauptsächlich Korrespondenz - dokumentiert, wie die Suche nach einem lutherischen Pastor zur Berufung Schmeißers führte. Die Quellen geben Einblicke in die spätere Gemeindearbeit in Nova Scotia und die Rolle des Austausches mit Halle. Die Dokumente sind chronologisch geordnet und datieren zwischen 1776 und 1789. Häberlein konnte für diesen Band auf einen einschlägigen, bislang wenig berücksichtigten Quellenbestand im Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle zurückgreifen, der nur geringfügig durch weitere Quellen ergänzt wurde. Alle Handschriften wurden sorgfältig transkribiert und sind mit Stellenkommentaren versehen worden.
Durch die Verbindungen mit den Franckeschen Stiftungen kann der Forschungskontext des Bandes schnell umrissen werden. Die Halleschen Forschungen zu den lutherischen Pastoren in den nordamerikanischen Kolonien und späteren Bundesstaaten Pennsylvania und Georgia, den transatlantischen Verflechtungen und dem Einfluss des Halleschen Pietismus haben sich bereits in zahlreichen einschlägigen Forschungsarbeiten niedergeschlagen. [1] Der Blick in die Gemeinde Lunenburg in Nova Scotia erscheint in diesem Zusammenhang als ein neues, wenn auch verhältnismäßig kleines Untersuchungsfeld. Hervorzuheben ist im darstellenden Teil das fünfte Kapitel, in dem Häberlein die Bedeutung adliger Patronage für Schmeißers Werdegang schildert und hierbei zentrale Fragen der Rekrutierungspraxis Halles für die nordamerikanischen und indischen Missionen aufgreift. Auch die Frage danach, was Schmeißer vor seiner Entscheidung über Nova Scotia wissen konnte (Kap. 7), weitet die Perspektive und richtet den Blick auf die Geografie, Wirtschaft und Verwaltung von Nova Scotia. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob das, was der hallische Historiker Matthias Christian Sprengel (1746-1803) in seiner "Geschichte der Europäer in Nordamerika" erst 1782 veröffentlichte, schon für Schmeißers Wissen über die Nova Scotia gelten kann, wie Häberlein anführt, und inwieweit dies auch auf Schmeißers Entscheidung für Nova Scotia einwirkte.
Die Kombination aus Quellensammlung und vorangestellter Darstellung bietet eine substanzielle Grundlage, um etwa den Aufbau von Gemeindestrukturen und die transatlantische Kommunikation an einem überschaubaren und dennoch anschaulichen Beispiel verdeutlichen zu können. Auch Häberlein wertet den Ertrag seiner vorgelegten Arbeit in dieser Hinsicht: "Auch wenn die Entsendung eines Pastors nach Nova Scotia einen singulären Fall in der Geschichte der transatlantischen Beziehungen Halles darstellt," so schlussfolgert Häberlein, "ist dieser in mehrfacher Hinsicht instruktiv" (74). Wie sehr sich die Erkenntnisse und Einsichten aus dem Fallbeispiel Nova Scotia etwa auf die Erforschung der deutschen lutherischen Gemeinden in Nordamerika auswirken, bleibt abzuwarten. Vorerst scheint die Berufung und Gemeindearbeit Schmeißers in Nova Scotia lediglich das zu bestätigen, was bereits für das Wirken anderer Pastoren aus Halle festgestellt wurde, dass nämlich deren Ausbildung, Talent, der beständige Austausch mit Halle und die gemeinsamen Strategien zum Aufbau von Gemeindestrukturen - auch unter schwierigen Bedingungen - dafür verantwortlich waren, dass die deutschen Lutheraner in Nordamerika seit dem frühen 18. Jahrhundert stabile Gemeinwesen herausbildeten. Ob es sich daher um eine Forschungslücke handelt, die mit dem vorliegenden Band geschlossen wird, oder ob dieser die Forschungen der in Nordamerika wirkenden hallischen Pastoren lediglich ergänzt [2], wird sich erst dadurch zeigen können, wie Quellensammlung und Darstellung in weiteren Studien wahrgenommen und rezipiert werden.
Anmerkungen:
[1] Stellvertretend sei hier verwiesen auf: Hermann Wellenreuther / Thomas Müller-Bahlke / A. Gregg Roeber (Hgg.): The Transatlantic World of Heinrich Melchior Mühlenberg in the Eighteenth Century (= Hallesche Forschungen, Bd. 35), Wiesbaden 2013; Wolfgang Flügel: Pastoren aus Halle und ihre Gemeinden in Pennsylvania 1742-1820. Deutsche Lutheraner zwischen Persistenz und Assimilation (= Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Bd. 14), Berlin / Boston 2019.
[2] Vgl. Markus Berger: "Das Band der Einigkeit zu erhalten". Johann Christoph Kunze und die zweite Generation hallischer Pastoren in Nordamerika, 1770-1807 (= Hallesche Forschungen, Bd. 55), Wiesbaden 2019.
Andreas Oberdorf