Rezension über:

Tiziana Lazzari / Francesca Pucci Donati (a cura di): A banchetto con gli amici. Scritti per Massimo Montanari (= I libri di Viella; 397), Roma: viella 2021, 635 S., 17 s/w-Abb., 5 Tbl., ISBN 978-88-3313-834-3, EUR 49,00
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Rezension von:
Giuseppe Cusa
Historisches Seminar, Universität Siegen
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Giuseppe Cusa: Rezension von: Tiziana Lazzari / Francesca Pucci Donati (a cura di): A banchetto con gli amici. Scritti per Massimo Montanari, Roma: viella 2021, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 2 [15.02.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/02/36554.html


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Tiziana Lazzari / Francesca Pucci Donati (a cura di): A banchetto con gli amici

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Dem Mittelalter mangelte es nicht an - realen wie imaginierten - Banketten. Auch die epochen- wie disziplinenübergreifende Festschrift für Massimo Montanari, der mit seinen Schriften zur mittelalterlichen Esskultur ein breites Publikum begeistert(e), lädt, im übertragenen Sinn, zum Festmahl ein. Serviert werden 55 Speisen (Aufsätze) in acht Gängen (Sektionen), von denen der Vorkoster (Rezensent) hier lediglich eine Auswahl würdigen kann.

Nach eklektischen "Omaggi" (13-56) folgen sieben Beiträge zu "Institutionen und Gesellschaft" (57-133). Nicola Mancassola zeigt am Beispiel von San Silvestro in Nonantola und San Salvatore/Santa Giulia in Brescia, dass sich die Beziehungen zwischen Klöstern und Landgemeinden im 9.-11. Jahrhundert ambivalenter gestalteten als gemeinhin angenommen; so konnten Erstere, da sie die erworbenen Gebiete nicht selbst bewirtschafteten, zu "Generatoren autonomer Gemeinden" werden (71-81).

Vito Loré weist nach, dass zwei Testamente vom Februar 903 - das eine von einem Abt Angelberto, das andere von Abt Angelo von San Massimo in Salerno - von derselben Person aufgesetzt wurden (83-90). Die beiden Namen Angelberto/Alberto drückten eine doppelte soziale Identität aus, die sich auch in den jeweils Begünstigten (eigene Kirche, eigene Verwandtschaft) spiegle.

Eine Urkunde König Manfreds vom Juli 1251, mit der er dem Bischof von Salerno die Herrschaft über Battipaglia verbrieft, ediert Bruno Figliuolo (91-103). Die Bischofsherrschaft habe sich ebenda und im benachbarten Olevano erst in der späten Stauferzeit zu einer umfassenden Signorie ausgebildet.

Den Fondo Veneto im Vatikan wertet Gian Maria Varanini hinsichtlich des Klosterbesitzes von SS Fermo e Rustico in Lonigo aus (115-129). Zu konstatieren seien Änderungen wie Pacht- und Zahlungsmodalitäten, der Verlust entfernter Güter im frühen Trecento und der bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert erfolgte vermehrte Zukauf von Besitzungen um Lonigo.

Ebenfalls sieben Aufsätze behandeln "Umland und Landwirtschaft" (135-221). Angela Lanconelli zieht die detaillierten Register der Apostolischen Kammer für die Jahre 1347-1363 heran, um die lokale Schafhaltung auf Weideflächen des Patrimonium Petri in Tuszien zu ermitteln (157-169).

Den Rechtsstreit um das Erbe Maghinardos von Susinana fokussiert Paolo Pirillo (195-207), der auch die anlässlich der nötigen Grenzermittlung entstandene Dokumentation von 1333 ediert.

Mittelitalienische Familienbücher des 14./15. Jahrhunderts unterzieht Rossella Rinaldi einer sozio-ökonomischen Analyse mit Blick auf Landbesitz mit entsprechenden Investitionen, Landarbeitern und -märkten (209-221).

Unter "Gesellschaft und Kulturen" sind fünf Beiträge subsumiert (223-285). Irene Bueno veranschaulicht, wie etwa in Reiseberichten und Rekuperationstraktaten (bedacht werden u.a. Hethum von Korykos und Guillaume Adam) geo-ethnographisches und historisches Wissen über den Orient im päpstlichen Avignon zirkulierte und verarbeitet wurde (237-251).

Den Bologneser Barbieren wendet sich Tommaso Duranti zu (253-264). Deren älteste Matrikel (evtl. vor 1287) verzeichnet die hohe Zahl von 140 magistri, das Zunftstatut von 1320 wiederum Utensilien oder Tätigkeiten (u.a. für Orden, zahnmedizinische Eingriffe).

Der Tierhäute verarbeitenden Industrie im Arezzo des späten 15. Jahrhunderts nimmt sich Franco Franceschi an (265-273), um gewerbliche wie politische Dissonanzen aufzuzeigen. Die Schusterzunft habe ihre Statuten von 1472/76 nämlich als Reaktion auf die Eigenständigkeitsbestrebungen der Gerber sowie unter Umgehung der Kommune erlassen, indem sie sich an Florenz wandte.

Acht Beiträge widmen sich "Speisen und Getränken" (287-384). Die biblische Fundierung karolingischer Unkrautkunde verdeutlicht Paolo Squatriti (289-299). Literarisches Aufkommen und Identifizierung des Unkrauts zizania (u.a. als Lolch gedeutet), Thesen zur Entstehung und Anleitungen zum rechten Umgang fußten auf Bibelstellen (wie Gen. 1,12; Mt. 13,24).

Anhand der minutiös geführten Rechnungsbücher der Florentiner Signoria (neun für zwei Monate amtierende und abgeschirmte Prioren) ermittelt Allen J. Grieco den Gewürzkonsum für Mai 1344 bis April 1345 (301-310). Beliebt waren fertige Gewürzmischungen. Im Winter verbrauchte man mehr Gewürze, was auf die Krasenlehre zurückzuführen sein könnte; ebenso zur Fastenzeit (und freitags/samstags), eventuell um den als "etwas ungesund" betrachteten Fisch aufzubessern.

Riccardo Rao analysiert norditalienische Zoll- und andere Preislisten des 14./15. Jahrhunderts auf Lebensmittel wie Käse, Fisch oder Fleisch (353-362). Städtische seien detailreicher als ländliche Tariflisten; auch ließen sich regionale Unterschiede im Gebrauch von Konsumgütern feststellen, so finde sich Butter nur in lombardischen Listen.

Es folgen sechs Beiträge zur "Küche" (385-452). Antonella Campanini fragt, an wen sich spätmittelalterliche Rezeptbücher richteten (387-396). Köche schrieben offenbar für unterschiedlich gut geübte Kollegen, was sich u.a. an der Detailfülle/-armut zu Mengen- oder Zeitangaben im Liber de coquina, den 12 ghiotti oder dem Liber de arte coquinaria Magisters Martino spiegle.

Francesca Pucci Donati wiederum ediert fünf Rezepte aus einer volkssprachlichen, in Ravenna verwahrten Sammelhandschrift des 15. Jahrhunderts (397-406).

Den Küchenberufen im Florenz des 14. Jahrhunderts spürt Giuliano Pinto nach (419-428), v.a. den Nudel- bzw. Waffelteig herstellenden lasagnai und cialdieri, die sich von der Zunft der Köche abspalteten. Küchenpersonal sei damals noch nicht bei Adelsfamilien festangestellt gewesen.

Die Sektion "Bankette und Ernährungsidentitäten" führt neun Aufsätze zusammen (453-559). Die Tafel des Ostgotenkönigs Theoderich betrachtet Cristina La Rocca (455-465). Prokop kehre in der Szene zu dessen Tod die herrschaftliche Bedeutung königlicher Bankette ins Gegenteil, wohingegen Cassiodor mit der royalen Tafel mehrfach die politische wie kulturelle Überlegenheit sowie den natürlichen Reichtum des Herrschaftsgebiets betone.

Tiziana Lazzari bespricht das Königsmahl in der karolingisch-ottonischen Chronistik (467-476), in der die Amtsträgerhierarchie sich nicht nur in der Sitzordnung, sondern auch in der Essens- und Servierreihenfolge beim Königsmahl zeige, mit denen sich auch - wie im Polipticum Attos von Vercelli - eine gestörte Ordnung habe ausdrücken lassen.

Riccardo Parmigianis Fokus liegt auf Florentiner Inquisitoren (477-487), deren Rechnungsbücher von 1319-1333 Aufschluss über Konsum, Konfiskation und Spenden einer üppigen Lebensmittelpalette geben. Wegen gastronomischer Verfehlungen seien sie indes nur selten angeklagt worden.

Zuletzt widmen sich sechs Beiträge dem "Geschmack" (561-632). Bruno Larioux erhellt die kulinarische Dimension der Kritik an der monastischen Lebensweise vor dem Hintergrund des Streits zwischen Zisterziensern (u.a. in der Apologia des Hl. Bernhard) und Cluniazensern, wobei der Mönch geradezu als Feinschmecker dargestellt werde (575-585).

Empfehlungen der spätmittelalterlichen Diätetik präsentiert Filippo Ribani (599-607): So rieten die einen Ärzte, sich auf den eigenen Appetit und Geschmack zu verlassen, während andere die korrekte Ernährung an die soziale Stellung koppelten. Experten gerieten so leicht in die Kritik.

Das vorzügliche Acht-Gänge-Menü - das neben den besprochenen viele weitere Köstlichkeiten bereithält - wird dem Jubilar vorzüglich schmecken, denn nicht nur werden seine Forschungsschwerpunkte, sondern auch seine eigenen Forschungsleistungen oft aufgegriffen. Alle anderen sind ebenfalls eingeladen, herzhaft zu schlemmen.

Giuseppe Cusa