Rezension über:

Julie Van Voorhis / Mark Abbe / Juliet Graver Istrabadi: Imperial Colors. The Roman portrait busts of Septimius Severus and Julia Domna, London: Giles 2023, 216 S., 136 Farb-Abb., ISBN 978-1-913875-27-5, EUR 50,00
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Rezension von:
Dietrich Boschung
Archäologisches Institut, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Dietrich Boschung: Rezension von: Julie Van Voorhis / Mark Abbe / Juliet Graver Istrabadi: Imperial Colors. The Roman portrait busts of Septimius Severus and Julia Domna, London: Giles 2023, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 12 [15.12.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/12/38359.html


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Julie Van Voorhis / Mark Abbe / Juliet Graver Istrabadi: Imperial Colors

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Der Band illustriert und bespricht die Büsten des Kaisers L. Septimius Severus und der Julia Domna im Sidney and Lois Eskenazi Museum of Art der Indiana University in Bloomington. Sie sind 1978 durch Klaus Fittschen publiziert worden; [1] seither wurden sie als überaus qualitätsvolle römische Skulpturen aus der Zeit um 200 n. Chr. vielfach erwähnt und abgebildet. Galt das Interesse der Erstpublikation der Benennung, Typologie und Zeitbestimmung der Bildnisse, so legt die jetzt vorgelegte Untersuchung den Akzent auf andere Aspekte.

Nach dem Vorwort, einer "Timeline" (16-19) mit der Auflistung historischer und kultureller Eckdaten und der Einleitung gibt "Chapter 2" (31-61) eine Beschreibung der Büsten und referiert ihre typologische Bestimmung: Die Darstellung des Septimius Severus folgt der 3. Bildnisfassung, die aufgrund der Frisur als "Serapistypus" gilt. Die Verfasser sehen darin einen Bezug auf die Bildnisse des angeblichen Adoptivvaters M. Aurelius, zugleich einen Hinweis auf die afrikanische Herkunft des Kaisers. Die Bekleidung mit dem Paludamentum ist Ausdruck der militärischen Tüchtigkeit. Die Gewandbüste der Julia Domna entspricht dem Typus Gabii, der seit 193 n. Chr. nachzuweisen ist. Die Herstellung römischer Skulpturen ist Gegenstand eines weiteren Kapitels (63-89), mit Angaben zu antiken Steinbrüchen, Bildhauerwerkstätten, den verwendeten Werkzeugen und unfertig gebliebenen Skulpturen. Dabei bestätigt sich erneut, dass die beiden Büsten als zusammengehörige Pendents gleichzeitig in der gleichen Werkstatt gearbeitet wurden.

"Chapter 4" (91-121) nennt nach allgemeinen Ausführungen zur farbigen Fassung antiker Skulpturen die Ergebnisse der Untersuchung der Polychromie der Büsten. Reste von Pigmenten zeigen, dass die Mäntel purpurfarben bemalt waren; dagegen sind an Haar, Augen und Gesicht keine Farbspuren zu finden. Für die Rekonstruktion der Farbfassung in zwei leicht unterschiedlichen Varianten (Abb. 4.26-29) wird das Gemälde der severischen Kaiserfamilie auf einem Holztondo in Berlin (Abb. 4.20; 4.24-25) herangezogen. Die Rolle der Bildnisse in Rundplastik und Münzprägung sowie der Architektur für die Propagierung der Dynastie ist Thema von "Chapter 6" (123-153).

Überlegungen zum Umgang der Spätantike mit älteren Skulpturen und zur Provenienz bilden das abschließende "Chapter 7" (155-167). Beide Büsten wurden 1975 aus dem Schweizer Kunsthandel angekauft und sollen zehn Jahre zuvor aus Deutschland erworben worden sein. Ihre Qualität hat stets einen Fundort in Rom oder Umgebung vermuten lassen. Der Erhaltungszustand, insbesondere der Verzicht auf Ergänzungen und auf eine tiefgreifende Reinigung der Oberfläche zeigen, dass es sich nicht um Stücke aus älteren Sammlungen, sondern um eher rezente Funde handelt.

In zwei Anhängen werden die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Analysen vorgelegt. Die von Scott Pike durchgeführte Marmor-Analyse ("Appendix 1", 168-175) lässt erkennen, dass das Material für die Büsten von Septimius Severus und Julia Domna aus dem gleichen Steinbruch und am ehesten aus Göktepe in der heutigen Türkei stammt. Noch größer sind aber die Übereinstimmungen für die Büste der Julia Domna und eine 1962 aus derselben Quelle angekaufte Büste des Clodius Albinus: Sie stammen nicht nur aus demselben Steinbruch, sondern auch von derselben Abbaustelle. Die von Gregory Dale Smith vorgenommene Untersuchung der Farbreste ("Appendix 2", 176-188) bilden die Grundlage für die Rekonstruktion der farbigen Fassung der Büsten in Kapitel 4.

Der Band ist reich illustriert, wobei ganzseitige Farbaufnahmen und großformatige Ausschnitte der beiden Büsten [2] die bisherige photographische Dokumentation in einer sehr willkommenen Weise ergänzen. Freilich legt die Vergrößerung auch Schwächen der Aufnahmen hinsichtlich Ausleuchtung und Tiefenschärfe offen.

Während die Anhänge neue wissenschaftliche Ergebnisse für die Beurteilung der Büsten liefern, sind die vorangehenden sieben Kapitel allgemeiner gehalten und offensichtlich an eine weitere Leserschaft gerichtet. Sie streben daher keine systematische Darlegung des Forschungsstandes und keine umfassende Bibliographie zu den besprochenen Aspekten an. Methodische Probleme und offene Fragen werden nur vereinzelt angesprochen, so in "Chapter 4" im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der farbigen Fassung der Büsten. Dort wäre freilich auch zu fragen, ob es ähnlich wie für die dreidimensionalen Formen von Frisur und Physiognomie für die Bemalung römischer Kaiserbildnisse verbindliche Vorgaben gab, die eine Übertragung der Farbgebung des Berliner Tondos (Abb. 4.20) auf die Büsten begründen könnte. Unklar bleibt dann, warum die Augenfarbe des Kaisers an dem Tondo braun, in der Rekonstruktion (Abb. 4.26; 4.28) aber graublau erscheint.

Chronologie und Interpretation der Bildnistypen werden in dem Band nur in knapper Form referiert. Das ist verständlich, denn diese Diskussion ist in den letzten Jahrzehnten intensiv geführt worden. Dennoch wäre auch hier eine Darlegung offener Fragen möglich gewesen, etwa zur strittigen Interpretation des 3. Typus des Septimius Severus als Bezug auf Serapis und als Hinweis auf die afrikanische Herkunft des Kaisers. [3] Und auch für ein weiteres Publikum wäre es interessant gewesen zu erfahren, mit welchen handwerklichen Verfahren die Bildnistypen römischer Kaiser und Kaiserinnen weitgehend übereinstimmend kopiert und im gesamten Imperium verbreitet worden sind.

Gerade für die Chronologie der Bildnistypen des Septimius Severus wirft der Band ein bemerkenswertes Problem auf, was den Autoren entgangen zu sein scheint. Wenn die Büsten der Julia Domna und des Clodius Albinus in Bloominton tatsächlich von derselben Abbaustelle desselben Steinbruchs stammen und - wie stets angenommen - die Büsten des Septimius Severus und der Julia Domna als Gegenstücke hergestellt worden sind, so müssten alle drei Bildnisse gleichzeitig in derselben Werkstatt gearbeitet und gemeinsam aufgestellt worden sein. Das wäre nur während der gemeinsamen Herrschaft in den Jahren 193 bis 195 möglich gewesen. Aufgrund der Abfolge der Münzbildnisse wird aber - auch in dem vorliegenden Band - für die Entstehung des 3. Typus des Septimius Severus-Porträt das Jahr 200 angenommen.

Der Band illustriert und würdigt umfassend die Büsten des severischen Kaiserpaars und wird ihnen zu der Beachtung verhelfen, die ihnen durch Qualität und Erhaltungszustand zukommt. Dabei schildert er für ein weiteres Publikum anschaulich das historische und kulturelle Umfeld, in dem sie entstanden sind. Für die archäologische Porträtforschung ist er durch die zahlreichen Farbaufnahmen und die naturwissenschaftlichen Analysen hilfreich.


Anmerkungen:

[1] Klaus Fittschen: Two Portraits of Septimius Severus and Julia Domna. In: Indiana University Art Museum Bulletin I 2 (1978), 28-43.

[2] Abb. 1.2-2; 2.1; 2.3-6; 2.8-10; 2.13; 2.15-16; 2.18-22; 3.1; z. T. wiederholt auf den sieben Farbtafel im Frontispiz (ohne Zählung); Ausschnitte Abb. 3.7-8; 3.17-20.

[3] Dazu ausführlich Joachim Raeder: Herrscherbildnis und Münzpropaganda. Zur Deutung des 'Serapistypus' des Septimius Severus. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 107 (1992), 175-192.

Dietrich Boschung