Rezension über:

Nadine Akkerman: Elizabeth Stuart, Queen of Hearts, Oxford: Oxford University Press 2021, XXVI + 581 S., ISBN 978-0-19-966830-4, GBP 21,49
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Rezension von:
Sven Externbrink
Zentrum für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Sven Externbrink: Rezension von: Nadine Akkerman: Elizabeth Stuart, Queen of Hearts, Oxford: Oxford University Press 2021, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 1 [15.01.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
/2024/01/36929.html


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Nadine Akkerman: Elizabeth Stuart, Queen of Hearts

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Blickt man aus der Perspektive der Individuen auf den Dreißigjährigen Krieg, so denkt man automatisch an diverse "große Männer", die seit langem die Aufmerksamkeit der Historiker auf sich gezogen haben (Wallenstein, Gustav Adolf, Maximilian von Bayern, Richelieu, Olivares u.a.m). Frauen als Akteure kommen in den großen Synthesen meist nur am Rande vor, auch der Landgräfin Amelie Elisabeth von Hessen-Kassel, die als Regentin die Landgrafschaft erbittert verteidigte, wurden erst kürzlich umfangreichere Monographien gewidmet.

Dank Nadine Akkermans Biographie rückt nun eine Frau, Elisabeth Stuart (1596-1662), Tochter von Jakob I. von England und Anna von Dänemark, in den Vordergrund, deren Leben auf das Engste mit Schlüsselereignissen vor allem in der Anfangsphase des Krieges verbunden ist. Akkermann erzählt chronologisch das Leben Elisabeths und stützt sich dabei auf die umfangreiche Korrespondenz der Königin, die sie selbst seit einigen Jahren ediert. Hinzu kommen zahlreiche handschriftliche Überlieferungen aus dem Feld der europäischen Diplomatie (die Venezianer), so dass der Leser, nicht zuletzt durch zahlreiche Zitate, quellennah an das Denken und Handeln der Akteure herangeführt wird.

Mit der "Hochzeit von Themse und Rhein", der Heirat von Elisabeth Stuart und Friedrich V. von der Pfalz hofften calvinistische Politiker im Reich, ein Bündnis geschlossen zu haben, das es erlauben würde, Rekatholisierungstendenzen entschlossen entgegen zu treten. Im Vertrauen auf die Unterstützung des Schwiegervaters und der Generalstaaten ließ sich Friedrich V. von der Pfalz auf das böhmische Abenteuer ein. Seine Frau spielte im Entscheidungsprozess, der zur Annahme der böhmischen Krone führte, keine Rolle. Der Rest ist bekannt, die Niederlage am Weißen Berg, die überhastete Flucht, bei der man angeblich beinahe den jüngsten Sohn, Prinz Rupert/Ruprecht vergaß. Nach Monaten des Umherirrens im Reich schließlich die Niederlassung in den Generalstaaten, wo im Haag ein Exilhof der Stuarts entstand, der mit dem der Oranier konkurrierte und ihn zeitweise überstrahlte. Es gab Theateraufführungen, große Empfänge und regelmäßige Jagdausflüge. Elisabeth liebte die Jagd. Um das Paar sammelten sich Flüchtlinge aus der Pfalz, englische Adlige und Diplomaten, mit denen Elisabeth eine lebenslange Korrespondenz unterhielt (zu nennen wäre insbesondere der englische Diplomat Thomas Roe, den sie "honest fat Tom" zu nennen pflegte (355).

Bis zu seinem Tode 1632 unterstützte Elisabeth ihren Mann bei den vergeblichen Versuchen, die Pfalz zurückzuerobern. Dabei half nicht zuletzt ihre Reputation als "Queen of hearts", Solidarität unter dem Reichsadel herzustellen. Herzog Christian von Braunschweig, der "tolle Halberstädter", verstand sich als "Ritter" im Dienste der Königin (169, 194). Akkermans Stärke ist, dass sie nicht nur die politischen Kontexte in den Blick nimmt, sondern auch die finanziellen Probleme Elisabeths und ihre Selbstdarstellung untersucht. Unmittelbar nach dem Tode ihres Mannes beginnt sie eine ikonographische Initiative, um ihre Ansprüche auf die gesamte Pfalz und Böhmen zu unterstützen.

Friedrichs V. Tod ist die zentrale Zäsur in Elisabeths Leben. Sie stand nun vor der Wahl, in ihre englische Heimat zurückzukehren, dort zurückgezogen als respektierte Witwe am Hofe Karls I. zu leben oder im Exil zu bleiben. Sie entschied sich für letzteres und kämpfte nun bis zu ihrem Tode 1662 um die vollständige Restituierung der Pfalz, d.h. Unter- und Oberpfalz und natürlich die an Bayern verlorene Kurwürde. Bis an ihr Lebensende würde sie auf die Titulatur "Majestät" bestehen, was zu manchen zeremoniellen Verwerfungen im Haag führte.

Dank Akkermans bewundernswerter Kenntnis der originalen Quellen ist es möglich, Schritt für Schritt zu folgen, wie sich Elisabeth als Persönlichkeit von einem "Objekt" - einer Königstochter, und damit einer Figur in dynastischem Kalkül - zu einer eigenständigen Akteurin entwickelte. Ihre Heirat mit Friedrich V. war ein dynastischer Handel, wie er typisch für die Epoche war. Elisabeth fügte sich den Anweisungen ihres Vaters. Doch es scheint in diesem Fall auch tatsächlich eine emotionale Beziehung zwischen den Ehepartnern entstanden zu sein. Bis 1618 waren bereits drei Kinder geboren, der dritte Sohn Rupert wurde in Prag geboren, der vierte Moritz auf der Flucht in Küstrin. Bis zum Tode Friedrichs V. kamen noch acht Kinder hinzu, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichten. Die dynastische Kontinuität schien damit gesichert, wenngleich alle Territorien verloren gegangen waren. Dass Elisabeth nach diesen Geburten noch 30 Jahre lebte, ist ein Zeichen einer äußerst robusten Konstitution. Über diese Geburten, über Elisabeths Gesundheit und ihre Beziehung zu Ärzten hätte man noch gerne mehr erfahren.

Den Westfälischen Frieden und die darin beschlossene Restitution der Unterpfalz und die Schaffung einer neuen Kurwürde nahm Elisabeth als Niederlage wahr. Dies führte zu einem Zerwürfnis mit Karl Ludwig, dem Thronfolger und wiedereingesetzten Pfälzer Kurfürsten. Karl Ludwig hatte erkannt, dass mehr nicht auf dem Friedenskongress zu erreichen war. Vertieft wurde die Entfremdung dadurch, dass Karl Ludwig, im Bemühen die zerstörte Pfalz wieder aufzubauen, Elisabeth den Zugriff auf ihr vertraglich zugesichertes Witwengut Frankenthal vorenthielt und sie auch sonst kaum finanziell unterstützte. Erst in den letzten Lebensjahren, um 1660, kam es zu einer Versöhnung mit Karl Ludwig vor dem Hintergrund, dass die Restauration in England Elisabeth die Rückkehr dorthin eröffnete. Diese letzten Jahre waren vom Verlust der engsten Weggefährten und Verwandten geprägt: ihre Nichte Mary Stuart, zugleich Witwe des Stathouders Wilhelm II., und ihr Neffe Heinrich Herzog von Gloucester starben auf dem Rückweg nach England. Die Finanzprobleme blieben bis zum Lebensende: Ihre Juwelen verpfändete sie und hinterließ in den Generalstaaten 627.754 Gulden Schulden. Die Generalstaaten, die sie in all den Jahrzehnten unterstützt hatten, finanzierten 1661 auch ihre Rückkehr nach England, zu der noch einmal ihre Tochter Sophie anreiste.

Akkerman gelingt es überzeugend, ein Porträt einer bemerkenswerten Frau zu entfalten. Trotz eines Lebens voller Verluste - ein Königreich, die Oberpfalz, den Ehemann, Kinder, Verwandte (Bruder, Neffen, Nichten), Freunde - scheint sie niemals aufgegeben zu haben, bis in ihre letzten Tage in England. Ihre Reputation als "Queen of Hearts" in der englischen Öffentlichkeit, ein "Titel", den sie seit ihrer Hochzeit am Valentinstag 1613 trug, wirkte bis zu ihrem Tod.

Es ist das Verdienst Nadine Akkermans, nicht nur das Leben der "Queen of Hearts" in seinem Reichtum auszubreiten und ein Panorama der Epoche entfalten, mit ihrer Edition der umfangreichen Korrespondenz Elisabeths ermöglicht sie zugleich den Weg für weitere Forschungen. Eine Übersetzung ihres Buchs ins Deutsche ist zu wünschen.

Sven Externbrink