Richard Copsey: The English Followers of Elijah. Portraits of Some of the Carmelite Friars in the English Province 1242-1540 (= Exploring Carmelite History; Vol. 1), Faversham: Saint Albert's Press 2024, 289 S., ISBN 978-0-904849-62-2, USD 26,00
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Der vorliegende Band umfasst in chronologischem Durchlauf 42 Kurzbiographien von englischen Karmelitern des späten Mittelalters. Sein Verfasser, Richard Copsey, gehört zu den angesehensten Ordensforschern Englands: Sein im Jahr 2020 erschienenes, die drei Jahrhunderte von 1240 bis 1540 abdeckendes und 4.912 Einträge umfassendes "Biographical Register" aller englischen Karmeliter gehört zu den Standardwerken des Fachs. [1] Auf der Basis dieses monumentalen Grundlagenwerks entstanden die vorliegenden knappen, stets wohl formulierten biographischen Abrisse. Das, was sich im "Biographical Register" in trockener, extrem verknappter Wissenschaftsprosa präsentiert, wird in vorliegendem Werk "ausgeschrieben". Die Zielgruppen beider Werke unterscheiden sich freilich fundamental voneinander: "The Carmelites portrayed in the following chapters differ from the more formal, scholarly entries in the Biographical Register, in so far as they are more descriptive, and where it would be helpful, they are linked to current events." (13)
Copsey erläutert sein Vorgehen, die eigentliche ratio scribendi, in einem knappen Vorwort (9-14), in dem auch die Geschichte der englischen Karmeliter umrissen wird. "A number of notable figures from the medieval province" finden sich beschrieben - Personen, die Einblick in die "different types of those who joined the Order" (13) ermöglichen.
Ab 1235 erfolgte der Exodus der Karmeliter, einer eremitisch an den Abhängen des Berg Karmel lebenden Gemeinschaft aus dem Heiligen Land - eine Migrationsbewegung, die in mehreren Wellen erfolgte und ein Ziel hatte: Europa. 1242 erreichte die erste Gruppe England. Der Lebenszuschnitt der Karmeliter war ganz offensichtlich attraktiv: um 1300 verfügte man auf der Insel bereits über 28 Häuser. Der Höhepunkt wurde Mitte des 14. Jahrhunderts mit 39 Konventen erreicht. Zu keinem Zeitpunkt freilich dürften mehr als 1000 Karmeliter in England gelebt und gewirkt haben. Der Großteil dieser Männer ist dem Vergessen anheimgefallen - als einfache Klosterbrüder fanden sie nicht Eingang in die schriftliche Überlieferung. Anders diejenigen Frauenbrüder, die eine Universität besucht hatten: Sie versahen Leitungsämter innerhalb des Ordens, agierten als Lehrer und Verwalter, als Vermittler und Diplomaten in königlichem Dienst und überlebten so in den Quellen. Wohl am besten dokumentiert sind diejenigen 20 Karmeliter, denen der Sprung ins Bischofsamt gelang (unter ihnen Richard Northalis (†1397) als einziger Erzbischof).
Der Reigen der Kurzbiographien beginnt - in bewusster Durchbrechung des chronologischen Ordnungsprinzips - mit John Bale (1495-1563), dessen Leben sich streckenweise wie ein Abenteuerroman präsentiert und dem die englische Ordensprovinz nahezu sämtliche Informationen zur eigenen Geschichte verdankt. Denn tatsächlich wurde die ordenseigene Überlieferung - Beschlüsse der Provinzialkapitel, offizielle Korrespondenz des Provinzials, Rechnungslegung - ein Opfer der von Heinrich VIII. verfügten Auflösung sämtlicher Klöster (Dissolution of the Monasteries). Bale war seinen Oberen aufgrund eines ausgeprägten Interesses an der Geschichte des eigenen Ordens aufgefallen. Sie ermöglichten ihm ausgedehnte Bibliotheksreisen, die ihn nicht nur nach England, sondern auch nach Flandern und Frankreich führten. Ergebnis waren einige, in ihrer Gesamtheit bisher unediert gebliebene, notebooks, in denen er auf fast 3000, eng beschriebenen Seiten all das aufzeichnete und kopierte, was ihm in den vielen von ihm besuchten Bibliotheken an Relevantem für die eigene Ordenshistorie auffiel. Vieles nahm er selbst in Augenschein, auf Vieles verwies er in Ermangelung einer Autopsie lediglich pauschal. Ohne Bale wäre die Geschichte der englischen Provinz wenig mehr als schemenhaft erkennbar. Als Weltgeistlicher unter dem neuen henricianischen Regime hatte er Erfolge zu verzeichnen: 1552 wurde er Bischof von Ossory in Irland. Das Amt ließ ihm Zeit für weitere historische Arbeiten. Er brillierte freilich auch auf dem Gebiet der polemischen Schriften und Pamphlete (was ihm den Beinamen "bilious Bale" einbrachte). Copseys Charakterisierung ist nur zuzustimmen: "He was a first class historian, the equal to all his contemporaries." (30)
Die Vita Bales mag Leerstellen aufweisen, doch verglichen mit vielen seiner karmelitischen Vorgänger lässt sich in seinem Falle doch ein in sich stimmiges, faktenbasiertes Ganzes entwerfen. Anders etwa bei Ralph Fryston, einem englischen Karmeliter der ersten Generation, bei dem ein dünnes Faktengerüst von so mancher frommen Erzählung überlagert wurde (43-46). Die Probleme beginnen in vielen Fällen bereits bei der Namengebung: Nicht unbedingt einsichtig ist, dass es sich bei Ralph Fryston und Ralph Fresburn um ein und dieselbe Person handeln könnte. Erstaunlich, dass so wenig über eine Person überliefert ist, die 1271 immerhin als Generalprior an die Ordensspitze aufstieg. Copsey verdichtet das Wenige, was (nicht zuletzt dank Bale) überliefert ist zu einem in sich stimmigen Ganzen - mit Leben füllen kann er diese Person aber nicht.
Einige der beschriebenen Personen brillierten im Bereich der theologischen Forschung - John Baconthorpe (†1349) und Thomas Netter (†1430) an der Spitze -, doch wurden von den englischen Karmelitern auch andere Interessensgebiete abgedeckt. Beispiele hierfür liefern Nicholas of Lynn (†1390), der mit seinem die Jahre 1387 bis 1463 abdeckenden Kalender einen maßgeblichen Beitrag zur astronomischen Forschung im ausgehenden Mittelalter leistete (105-111) [2], oder auch John Hothby (†1487), der als Musiker und Komponist tätig war (235-240).
Anders als auf dem Kontinent, wo sich fromme Frauengemeinschaften bereits Ende des 13. Jahrhunderts im Umfeld von Karmeliterklöstern ansiedelten, präsentierte sich das weibliche Element in England innerhalb der frühen Ordensgeschichte deutlich zurückhaltender. Einzelne Frauen ließen sich als sogenannte Anchorites auf dem Gelände bestehender Karmeliterklöster einmauern und wurden logistisch-spirituell von den Brüdern betreut. Auf ein Beispiel, Emma Stapleton (†1422), wird eingegangen (172-176).
Der Reigen mehr oder minder bedeutender, den Ruhm des Ordens verbreitender Persönlichkeiten wird ein einziges Mal durchbrochen. Mit John Hauteyn (Scharyngton) (†1466) tritt ein Karmeliter auf den Plan, den zeitlebens nur eines beschäftigte: das Verlassen des eigenen Ordens. In den Quellen finden sich er und seine Geschichte allein deshalb dokumentiert, weil er verschiedene Gerichtsverfahren anstrengte, um zu beweisen, dass er vor dem Mindestalter von 14 Jahren zum Eintritt in den Orden gezwungen worden war. Erfolg hatte er schließlich - danach aber verschwindet er (leider) aus den Quellen.
Copsey zitiert häufiger längere Passagen aus den Originalquellen, freilich ausschließlich in englischer Übersetzung. Und da das Werk ohne Fußnoten auskommt, sucht man vergeblich nach Verweisen auf die entsprechenden (lateinischen) Editionen. Hinweise der Art: "a contemporary chronicle" (131) sind nur wenig überzeugend. Der Griff zum "Biographical Register" mit den entsprechenden Belegstellen bleibt hier also essenziell. In seltenen Fällen geht der biographische Abriss jedoch weit über das hinaus, was dort zu finden ist. Das Informationsplus verdankt sich dabei den rezenten Forschungsleistungen anderer, wie im Fall des Aleyn Warnekyn of Lynn (†432), dessen Vita durch Neuentdeckungen im Archiv von King's Lynn deutlich an Profil gewinnen konnte (189-194) oder wie im Fall des Gilbert of Norwich (†1287). Von ihm war bisher wenig mehr als die 1263 erfolgte Ernennung zum Bischof von Hamar und sein Wirken als Weihbischof in der Diözese Norwich bekannt. Ein neu entdeckter Registereintrag, in dem davon berichtet wird, dass auf einem Kirchhof mit Adam und Botild "die Eltern eines Bischof Gilbert" begraben worden seien, fügt jetzt ein weiteres biographisches Detail hinzu - kleine, ja kleinste Mosaiksteinchen fügen sich so zu einem zwar nicht vollständigen, aber insgesamt doch akzeptablen Ganzen zusammen (47-50).
Summa summarum: eine Sammlung knapper, gut geschriebener und inhaltlich über jeden Zweifel erhabener Biographien von Karmelitern, deren Viten sich nicht unterschiedlicher präsentieren könnten. Copsey gewährt, mitunter breit kontextualisierend, Einblick in das große Ganze des monastischen Lebens im spätmittelalterlichen England. Trotz fehlenden wissenschaftlichen Apparats eignet sich der Band hervorragend als erster Einstieg in die mittelalterliche Bettelordenswirklichkeit Englands.
Anmerkungen:
[1] Richard Copsey: Biographical Register of Carmelites in England and Wales 1240-1540, Aylesford 2020.
[2] Sigmund Eisner (ed.): The Kalendarium of Nicholas of Lynn, London 1980.
Ralf Lützelschwab