Christine Werkstetter: Frauen im Augsburger Zunfthandwerk. Arbeit, Arbeitsbeziehungen und Geschlechterverhältnisse im 18. Jahrhundert (= Colloquia Augustana; Bd. 14), Berlin: Akademie Verlag 2001, 567 S., 24 Abb., ISBN 978-3-05-003617-5, EUR 49,80
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Die Autorin ging mit dieser Dissertation nach eigenem Bekunden ein Wagnis ein, denn wegen der Quellenarmut ist der Anteil der Frauenarbeit im Zunfthandwerk wie im Gewerbe der Frühneuzeit überhaupt immer noch wenig untersucht. Allerdings lassen mehrere wichtige Lokalstudien allmählich den älteren Forschungsbericht von Beate Brodmeier (1963) als überholt erscheinen. Durchgängiger Tenor der älteren Forschung war, dass Frauen seit dem 16. Jahrhundert aus dem Handwerk gedrängt worden seien.
Ohne Zweifel wird das Thema "Frauen und Zünfte" mit dem vorliegenden Band auf eine neue Grundlage gestellt. Dies hat mehrere Gründe: Erstens zeichnet sich die Arbeit durch eine überaus sinnvolle Systematik und Methodik aus, die Vorbild für weitere Arbeiten sein kann; zweitens kann sie sich auf die Augsburger Handwerkerakten und Protokolle des Handwerkergerichts stützen, die für den Zeitraum 1712 bis 1806 eine ansonsten im deutschen Sprachraum kaum zu übertreffende Dichte der Überlieferung bieten; drittens boten deshalb Vorarbeiten zur Augsburger Gewerbegeschichte (unter anderen Bettger, Reith, Clasen) reichlich Ansätze, auf die aufgebaut werden konnte. Mit guten Gründen hat die jüngere deutsche Handwerks- und Gewerbegeschichte der Frühneuzeit von Arbeiten, die vor allem mit Augsburger Material bestritten wurden, wichtige Impulse erhalten. Es wundert also nicht, dass das Thema "Frauen und Zünfte" am Beispiel der schwäbischen Reichsstadt neu konturiert werden konnte.
Die leitende Fragestellung zielt zunächst auf den Anteil der Frauen an der Arbeit im zünftigen Handwerk, um daraus Material für das Verhältnis der Geschlechter im Handwerk zu gewinnen. Angesicht der Quellenmassen beschränkt sich die Autorin klugerweise auf sieben Handwerke, die sie nach drei Kategorien auswählte. Sie klassifizierte (1) nach geschlechtsspezifischen Arbeitsmerkmalen "eher männliche" oder "eher weibliche" Berufe, (2) nach notwendigem Betriebskapital, (3) nach zahlenmäßigem Umfang des Handwerks im Lauf des 18. Jahrhunderts. Unter Verwendung der Ergebnisse von R. Reith werden Bäcker, Bader, Buchbinder, Goldschlager, Schneider, Zimmerleute und Zinngießer ausgewählt. Die "eher weiblichen Berufe" werden definiert als "ursprünglich den häuslichen Tätigkeitsmerkmalen von Frauen entwachsen" (22), während die "eher männlichen Berufe" nicht zur Mitarbeit von Frauen geeignet sind. Gelegentlich werden andere Berufe, vor allem aus dem Textilgewerbe, ergänzend herangezogen.
Die Auswertung von Quellen konzentriert sich auf die Argumente und Wahrnehmungen von Suppliken, die in einem weiten Sinne als "Ego-Dokumente" gelesen werden. Der Leitbegriff "Arbeit" wird angebunden an den familiären Rahmen, an die "Hauswirtschaft", sodass das Konzept des "Ganzen Hauses" auf den Prüfstand gestellt werden kann. Ein knappes erstes Kapitel gilt der rechtlichen Situation von Frauen in Augsburg, die wegen der seit 1641 verschärften Geschlechtsvormundschaft im Normzustand eine Bestätigung des älteren Forschungsstandes vermuten ließ. Der Ist-Zustand sah anders aus, wie Kapitel II, das Kernstück der Arbeit, auf fast 400 Seiten ausführlich nachweist. Der Platz reicht nicht, um die vielen Details zu referieren.
Zentral ist die Gliederung nach familiärer Einbindung der Frauen in handwerklichen Betrieben. Sie kamen in vier Gruppen vor: als Ehefrauen, Witwen oder Töchter von Handwerksmeistern sowie als Mägde. Untersuchungen zu jeder dieser Gruppen bilden je ein Unterkapitel, das wiederum je ähnlichem Aufbau folgt. Den Bestimmungen der Handwerksordnungen wird die Realität gegenübergestellt, wobei für jede der vier Gruppen eigene Schwerpunkte gebildet werden. Die Meisterfrauen waren "unverzichtbare Arbeitskräfte in Werkstatt und Haushalt", so der Untertitel dieses Abschnitts, essenzieller Teil eines "Arbeitspaares". Neben der Mitarbeit in der Werkstatt besaßen sie eigene Bereiche, die sie bestimmten, vor allem den Laden, gelegentlich den Absatz der Waren.
Ein weiteres Arbeitsfeld war die Arbeit im Haus, für die Lehrlinge, Gesellen und die Familie. Besonderes Merkmal der "Familienarbeit" konnte auch die Versorgung und Pflege gebrechlicher Eltern sein - ein Befund, der quer zu den bekannten Fakten liegt. Eine Studie zum Konfliktverhalten der Meisterfrauen greift über den Streit mit Lehrlingen und Gesellen hinaus und würdigt das kollektive Auftreten von Kürschner- und Weberfrauen 1745 beziehungsweise 1784, das sich gegen Konkurrenten und die Obrigkeit richtete. Witwen werden als "Meisterinnen ohne formale Ausbildung" charakterisiert. Sie besaßen in allen Handwerken ein uneingeschränktes Recht, den Betrieb ihres verstorbenen Mannes weiterzuführen. Bei kleinen Unterschieden fanden sie innerhalb der Zünfte "gute Akzeptanz".
Die Frage nach ihrer wirtschaftlichen Lage bleibt letztlich unentschieden und ist auf keinen Fall generell mit Armut zu beantworten. Aber es fehlte den Witwen in Krisenzeiten die Möglichkeit, wie Meister als Gesellen zu arbeiten. Töchter von Handwerkern waren bisher nach dem Wissen des Rezensenten noch nie Gegenstand längerer Ausführungen. Die 90 Seiten lange Untersuchung betritt Neuland. Sie stehen unter dem Motto "informelle Lehrlinge", weil Mitarbeit im elterlichen Betrieb, und zwar durchaus qualifiziert, möglich war. Sie war in den sieben ausgewählten Handwerken auch nicht verboten, im Gegensatz zu den Bortenmachern, die aus konjunkturellen Gründen nach 1690 vehement gegen Töchterarbeit vorgingen.
Eine besondere Beziehung ergab sich von Witwen zu ihren Töchtern, an die sie oft die Handwerksgerechtigkeit als Aussteuer weitergaben. Das Kapitel über Mägde kreist um eine Restgruppe im Handwerkerhaushalt. Wer waren sie überhaupt? Trotz der klaren Antwort (alle Frauen, die nicht zur Kernfamilie des Meisters gehörten) kann die Gruppe nur schlecht in den Quellen belegt werden. Offenbar fanden Mägde trotz aller Verbote Nischen, um Arbeit zu finden. Den literarischen Topos vom faulen und untreuen Gesinde aufgreifend, untersucht die Autorin die Häufigkeit des Gesindewechsels und fand das Gegenteil bestätigt.
In der Zusammenfassung des 3. Kapitels werden die Ergebnisse nach Handwerksarten gewichtet. Auf den Punkt gebracht: Der Anteil der Frauenarbeit war eher von der Meisterzahl als vom Kapitalbedarf oder von den mehr oder weniger stark ausgeprägten geschlechtsspezifischen Merkmalen eines Berufs abhängig. Oder anders formuliert: Je weniger Gesellen in einem Beruf arbeiteten, umso mehr Möglichkeiten besaßen Meisterfrauen und -töchter (467f.).
Die Autorin dürfte eine solche Generalisierung und Regelhaftigkeit wahrscheinlich anfechten, weil sie die starke Differenzierung zwischen den verschiedenen Handwerken betont (471). Das vierte Kapitel (mit dem zu weit gefassten Titel: "Zur Konstruktion und Reproduktion von 'Geschlecht' im Handwerk") filtert knapp geschlechtsbezogene Argumentationsstrategien von Männern und Frauen aus Gerichtsakten. Bei Konflikten unter Bäckern und Goldschlagern stellt die Autorin männliche Diffamierung unliebsamer Konkurrenten fest, indem deren Frauen ins Spiel gebracht werden: Frauen als angebliche Gründerinnen eines Berufs (Zuckerbäcker) oder Lehrmeisterinnen in einer Art verkehrter Welt. Wenn Frauen ihr Geschlecht ins Spiel brachten, taten sie dies mit List, um aus ihrer Schwäche auch zu Gunsten der Meister Vorteile zu ziehen.
Abschließend wird noch einmal die Frage nach dem "ganzen Haus" aufgeworfen. Die Autorin rechnet auf Grund ihrer Ergebnisse das städtische Handwerk nicht diesem Typus zu, weil der handwerkliche Betrieb vollständig marktorientiert war, im Notfall auch ohne Gesinde auskam und eigenständig agierende Frauen kannte.
Eine kritische Gewichtung der Arbeit muss die ethnologisch basierten Quellenanalysen, die manchmal etwas zu breit ausfallen, ebenso würdigen wie die systematische Präsentation und Aufarbeitung dieser Quellenfunde. Sowohl die Auswahl der Gewerbe wie die Rückkopplung der Frauengruppen an die familiale Situation überzeugen. Ein Standard für weitere Forschungen ist damit gesetzt. Freilich muss künftig geprüft werden, inwieweit Augsburg für andere Städte und Region typisch war. Wie sah es in kleineren Städten oder im Landhandwerk aus? Einerseits spricht die geringe Gesellenzahl dafür, dass wahrscheinlich der Handwerksbetrieb der Mitarbeit der Frauen und Töchter bedurfte. Andererseits dürften in Gebieten ohne Exportgewerbe die Chancen für Frauen, Arbeit zu erhalten, geringer gewesen sein. Die Geschichte des Handwerks im 18. Jahrhundert hat durch dieses Buch sehr viel gewonnen.
Wilfried Reininghaus