Sächsische Schlösserverwaltung (Hg.): Der Grosse Garten zu Dresden. Gartenkunst in vier Jahrhunderten, Dresden: Sandstein Verlag 2001, 176 S., zahlr. Farb- und s/w-Abb., ISBN 978-3-930382-51-4, EUR 25,50
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Südöstlich von Dresden im Kontext der kursächsischen Residenzenlandschaft entstanden, gehört der Große Garten zu den bedeutendsten barocken Gartenanlagen Deutschlands. Heute dürfte er vielen Dresdnern hingegen vor allem als Volkspark von sonntäglichen Spaziergängen her präsent sein. Beiden Entwicklungsphasen, sowohl der Entstehung des Großen Gartens in den Jahrzehnten um 1700 nach Entwurf von Johann Friedrich Karcher, als auch seiner Umgestaltung durch Johann Karl Friedrich Bouché im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts widmet sich die Publikation. Sie geht auf eine von der Sächsischen Schlösserverwaltung und den Staatlichen Schlössern und Gärten Dresden veranstaltete Tagung zurück, die aus Anlass des 350. Geburtstages von Karcher und des 150. Geburtstages von Bouché im Oktober 2000 im Palais im Großen Garten stattfand; ergänzend wurden weitere Beiträge hinzugenommen.
Das Buch bündelt die Erfahrungen von Denkmalpflegern und aktuelle Forschungen jüngerer Kolleginnen und Kollegen, sodass ein interessanter, auch in der äußeren Gestaltung ansprechender Band zustandegekommen ist. Die Anlage wird nicht nur in aktuellen Aufnahmen präsentiert, sondern ebenso in großformatigen, zum Teil ausklappbaren Abbildungen historischer Pläne und Ansichten.
Roland Puppe, Leiter des Gartenreferats der Sächsischen Schlösserverwaltung, dem die Konzeption des Kolloquiums gemeinsam mit Annette Froesch zu verdanken war, ruft den hohen künstlerischen Rang des Großen Gartens in Erinnerung, der sich von Anfang an auf internationale Vorbilder berief. Das Kolloquium war die erste Veranstaltung im Palais seit seiner Zerstörung 1945; die äußere Instandsetzung wird bald abgeschlossen. Dem künstlerischen Anspruch von Architektur und Garten sollten die Überlegungen über die zukünftige Nutzung des Palais und die weitere denkmalpflegerische Sorge für den Garten verpflichtet sein.
Die Geschichte des Gartens vom späten 17. Jahrhundert bis heute wird von Harald Blanke vor Augen geführt. Er fasst für die frühe Phase Ergebnisse seiner kürzlich abgeschlossenen Dissertation zum Großen Garten im Zeitalter August des Starken zusammen, deren Erscheinen man nun umso begieriger erwartet. Nach der ersten Erwähnung der Anlage im Jahr 1676 tritt 1683 Karcher auf den Plan, dessen Gutachten zum Zustand und zur Einschätzung des Großen Gartens ein wichtiges Dokument des künstlerischen Horizonts eines durch Reisen europäisch gebildeten Gärtners ist. Karchers Tätigkeit in Sachsen ist ein frühes Beispiel für die Einführung von Prinzipien des klassischen französischen Gartens in Deutschland. Das in Kopie erhaltene Gutachten, aus dem die Autoren des Bandes immer wieder zitieren, hätte man gerne im vollständigen Wortlaut gelesen - man wird eine Transkription hoffentlich in der gedruckten Fassung von Blankes Dissertation finden. Das 1709 von Karcher in die Planung eingebrachte, dem Palais südöstlich vorgelagerte große Bassin ist zu Recht immer wieder als Marly-Zitat gesehen worden. Wichtig ist die Funktion des Ensembles als höfischer Festort im Rahmen der Veranstaltungen 1709 und 1719 sowie die seit den 1720er-Jahren von August dem Starken veranlasste Aufstellung seiner Skulpturensammlung in Palais und Garten. Der 1760 von Kurfürst Friedrich August II., der sich im Münchner Exil befand, bei François Cuvilliés dem Älteren in Auftrag gegebene, nicht ausgeführte Entwurf für eine Umgestaltung der Anlage orientierte sich an Nymphenburg. Nach kleineren Veränderungen im Laufe des 19. Jahrhunderts begann die zweite wichtige Phase in der Geschichte des Großen Gartens 1873 mit dem Amtsantritt des erst 22-jährigen Bouché als Gartendirektor, unter dessen Leitung im Laufe von fast fünfzig Jahren die Anlage ihr heutiges Gesicht erhielt. Der bereits im 18. Jahrhundert durch die preußischen Truppen verwüstete Garten wurde 1945 erneut stark beeinträchtigt, das Palais brannte aus. Seit 1983 steht das Ensemble vollständig unter Denkmalschutz.
Dem Verhältnis von Gartengestaltung und Architektur bei der Planung des Großen Gartens widmet sich Kathrin Reeckmann und greift auf ihre kürzlich erschienene Dissertation zum Werk des Architekten Johann Georg Starcke zurück. Starcke formte mit dem Palais, dessen Grund- und Aufriss auf italienische und französische Modelle verweisen, die "Idealversion einer Villa" (36), ein aufwändiges Lusthaus von höchstem künstlerischen Anspruch. Oberlandbaumeister Starcke hatte vermutlich mehr als bisher angenommen Einfluss auf die Gestaltung des Gartens, der in engem strukturellen Zusammenhang mit der Architektur steht. Bereits beim so genannten Italienischen Garten in Dresden ist die Zusammenarbeit Starckes mit dem Gärtner Martin Göttler belegt, von dem der erste Entwurf für den Großen Garten stammt.
Stephan Reinert trägt aus seinen Forschungen zur künstlerischen Vita Karchers vor, dem seine in Arbeit befindliche Dissertation gewidmet ist. Bis jetzt weiß man wenig über Karchers Ausbildung und Arbeiten vor 1683, als er in Dresden in Erscheinung trat. Offenbar kannte er schon vorher aus eigener Anschauung italienische und französische Gärten und Schlösser und hatte eine gewisse Weltläufigkeit, die ihn am kursächsischen Hof für höhere Aufgaben empfahl. Architektonische Kenntnisse erhielt Karcher durch seinen Lehrer Wolf-Caspar von Klengel und durch weitere Italienreisen in den 1690er-Jahren, sodass er 1699 von August dem Starken zum kursächsisch-polnischen Oberlandbaumeister ernannt wurde und damit vom Gärtner zum Architekten "avancierte" - ein Karriereschritt, wie man ihn etwa von Josef Effner in München kennt. Entwürfe für polnische Bauprojekte ließen das Selbstbewusstsein des Gärtners Karcher als Architekt so weit wachsen, dass er sich selbst 1702 als "Johann Friedrich Karcher alias Vitruvius" bezeichnet.
Der Beitrag von Winfried Werner widmet sich dem denkmalpflegerischen Umgang mit dem Palais im Großen Garten, dessen Innenausstattung fast vollständig zerstört ist. Ein Eindruck etwa von den bedeutenden Deckengemälden Samuel Bottschildts lässt sich vor allem aus den Aufnahmen gewinnen, die Anfang der 1940er-Jahre für das Farbdiaarchiv zur deutschen Wand- und Deckenmalerei angefertigt wurden. Die zukünftige Nutzung des Palais ist noch nicht abschließend geklärt: eine "sensible Mehrfachnutzung" - für eine Ausstellung sächsischer Barockplastik? Konzerte? Vorträge? - sollte dem Rang des Gebäudes Rechnung tragen.
Den musealen Charakter von Palais und Garten im mittleren 18. Jahrhundert stellt der Beitrag von Gerald Heres in den Vordergrund. Von den in dieser Zeit belegten 161 Gruppen, Einzelstatuen, Büsten und Vasen ist nicht viel erhalten. Den Reichtum der aus Rom, Venedig und Paris besorgten Sammlung antiker und moderner Skulptur führt die seit 1729 erschienene Kupferstichserie vor Augen.
Cornelia Jöchner analysiert Lage, Struktur und Relief des Großen Gartens im Kontext der sächsischen Residenzenlandschaft und zitiert in ihren Überlegungen zur Nutzung der Anlage im Rahmen des höfischen Zeremoniells die maßgeblichen zeitgenössischen Autoren wie Rohr, Sturm oder d'Aviler. Sie führt unausgeführte Planungen Augusts des Starken an und spricht für den Großen Garten in seiner landschaftlichen Umgebung von einer "Durchfurchung der Landschaft nach optischen Gesichtspunkten". "Der Große Garten wäre (...) die Kernzelle eines großräumlichen Systems geworden, das sich von der Ebene der Flusslandschaft bis auf die Elbhänge erstreckt und eine Erschließung der Landschaft vor den Toren der befestigten abgeschlossenen Stadt bedeutet hätte." (87)
Simone Balsam beschreibt die Gestaltung der Freiflächen beim Palais im Laufe der Jahrhunderte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte ein deutliches Interesse an einer "stilgemäßen" - also nicht landschaftlichen - Neugestaltung dieser Bereiche. Unter Bouché wurde die Anlage "zu einer typischen Anlage des gemischten Stils" (101). Die 1873 von Bouché vorgelegten Umgestaltungsvorschläge hätte man im Anhang des Buches gerne vollständig abgedruckt gefunden.
Clemens Wimmer fasst Herkunft und Prägung des aus einer bekannten Potsdamer Gärtnerfamilie stammenden Bouché zusammen und definiert die Merkmale der für ihn maßgeblichen Lenné-Meyer-Schule - ein Erbe, das der Leiter des Großen Gartens auch in Dresden immer vertreten sollte. Auf die Erinnerungen einer Enkelin Bouchés an das Leben ihres Großvaters folgen Ausführungen von Stephanie Jäger über sein Wirken in Sachsen. 1895 wurde er zum Königlichen Obergartendirektor ernannt und hatte damit einen weit größeren Zuständigkeitsbereich als nur den Großen Garten zu betreuen.
Die Beiträge von Sylvia Butenschön und Reinhard Grau führen die Funktionen des Großen Gartens als Stadtpark seit dem 18. Jahrhundert vor Augen. In den Parkordnungen des 19. Jahrhunderts spiegeln sich die über die Jahrzehnte veränderten Nutzungsansprüche. Der Große Garten wurde schließlich zum "Lieblingsplatze der Dresdner" (135). Graus Bericht über die Nachkriegszeit zeigt, dass mit Engagement, auch mit Glück, so manche ideologische Umplanung verhindert werden konnte, etwa die Umgestaltung des barocken Gartentheaters in ein "modernes Arbeitertheater". In jüngerer Zeit, 1991, konnte die Bebauung des Geländes der ehemaligen Gartenbau-Ausstellungen mit einem Euro-Trade-Center zwar vereitelt werden, die Ausweisung dieses Bereichs als Gewerbegebiet zeigt jedoch einmal mehr die Gefährdung historischer Gartenanlagen durch wirtschaftliche Interessen. Der abschließende Beitrag von Erika Schmidt ist aus der Sicht der Gartendenkmalpflege ein Plädoyer für einen verantwortungsbewussten Umgang mit den verschiedenen historischen Phasen, die im Großen Garten ihren Ausdruck gefunden haben.
Es gilt immer wieder, die Kenntnis für den künstlerischen Rang historischer Gärten zu vermehren und dadurch ein öffentliches Interesse an der Bewahrung und Pflege dieser Kunstdenkmale zu wecken. Die vorliegende Publikation zum Großen Garten ist ein gutes Beispiel für die engagierte und kenntnisreiche Vermittlung von Anliegen der Gartenforschung und der Gartendenkmalpflege an die Öffentlichkeit.
Iris Lauterbach