Ursula Härting (Hg.): Gärten und Höfe der Rubenszeit im Spiegel der Malerfamilie Breughel und der Künstler um Peter Paul Rubens. Katalog zur Ausstellung im Gustav-Lübcke-Museum Hamm, 15.10.2000 bis 14.1.2001 und im Landesmuseum Mainz v. 4. 3. 2001 - 24. Juni 2001, München: Hirmer 2000, 466 S., 140 Farb-, 160 s/w-Abb., ISBN 978-3-7774-8890-5, EUR 51,00
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Der voluminöse Band begleitete eine Ausstellung, die 2000 im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm und 2001 im Landesmuseum in Mainz zu sehen war. Die Ausstellung demonstrierte exemplarisch, wie schwierig es ist, die im wesentlichen auf Sinnes-, Raum- und Bewegungseindrücke zielende Gartenkunst im Museum oder in einer Ausstellung erfahrbar zu machen. Einen bleibenden Eindruck hingegen hinterließen die ausgestellten hochrangigen Werke der Malerei und Grafik, die ein breites Spektrum von Gartendarstellungen der Jahrzehnte um 1600 vor Augen führten. Der Katalog ist eine Fundgrube, die eine Fülle von Material zur Verfügung stellt, Leihgaben von vielerlei Standorten, die selbst der begeistertste Gartenkenner kaum kennen wird. Bei den Exponaten handelte es sich vor allem um Gemälde, Druckgrafik und Handzeichnungen, sowie um einige skulpturale Bruchstücke und Gartenwerkzeuge. Es geht um die Blüte der Gartenkunst in den südlichen Niederlanden im frühen 17. Jahrhundert, die einerseits vielerlei europäische Eindrücke verarbeitete, andererseits auf das kulturelle Umfeld ausstrahlte. Für die Herausgeberin, die auf niederländische Malerei spezialisierte Kunsthistorikerin Ursula Härting, lag die Identifizierung dieses Zeitraums mit der Familie Breughel und Peter Paul Rubens nahe. Der europäische Kontext ergibt sich durch die Verbindung der südlichen Niederlande nach Spanien. Die Auseinandersetzung der Herausgeberin mit den Gärten der Rubenszeit geht, so ihr Vorwort, auf den Kongress "Felipe II - Jardín y Naturaleza en el siglo XVI" zurück, dessen Akten (Madrid 1998) man bei der Betrachtung des Themas mit berücksichtigen muss.
Inzwischen, zum Teil auch parallel mit dem hier zu besprechenden Werk, sind weitere Veröffentlichungen erschienen, die belegen, dass die Gartenkunst der südlichen Niederlande nach wie vor Forschungsgegenstand ist. In Gent fand 2000 eine Ausstellung zur südniederländischen Gartenkunst statt ("Tuinen van Eden van Keizer Karel tot heden", Herausgeber René De Heerdt). Die Beiträge einer die Ausstellung in Hamm begleitenden Tagung erschienen in Heft 1/2002 der Zeitschrift Die Gartenkunst und bieten leider diverse Dubletten zum Ausstellungskatalog. 2002 fand in Lemgo und in Antwerpen eine große Ausstellung zu Vredeman de Vries statt, der in Antwerpen eine weitere, auf die Gartenkunst konzentrierte Ausstellung im Rubenshuis sekundierte ("De wereld is een tuin. Hans Vredeman de Vries en de tuinkunst van de Renaissance"), deren ausgezeichneter Katalog zur Kenntnis der Gartenkunst der Epoche und ihrer Wiedergabe im Bild viel beiträgt.
Das vorliegende Werk umfasst Beiträge von Malerei- und Architekturhistorikern, Gartenarchitekten und Kennern der Musik-, Pharmazie- und Kulturgeschichte und spiegelt hierin die Erscheinungsvielfalt und vielgestaltige Relevanz des Gartens. Diese scheint besonders die kunsthistorischen Autoren beziehungsweise Übersetzer generell zu "blumiger" Ausdrucksweise angespornt zu haben, denn im sprachlichen Ausdruck "wuchern" geradezu die aus der Gartenwelt entlehnten Metaphern.
Die historische Einführung von Barbara Welzel fasst zusammen, dass die 1609 einsetzende Periode des Friedens mit den nördlichen Niederlanden die Anlage von Landhäusern und Gärten und das friedliche "vivere in villa" förderte und damit der Gartenkultur zu großer Geltung verhalf. Die Herausgeberin gibt einen allgemeinen Überblick über die Wertschätzung der Lustgärten, die sich auch in den zahlreichen Wiedergaben in Malerei und vor allem Druckgrafik äußert. Härting versucht die "Atmosphäre der Lustgärten in der Kunst" "erspüren" zu lassen, die sie in der von Rubens Liebesgarten-Darstellung verbreiteten "knisternden Spannung" (8) gipfeln sieht. Michael Rohdes Überblick über die Gestaltungstendenzen der europäischen Gartenkunst um 1600 folgt dem Kanon der bekannten Anlagen. Zu Unrecht weniger bekannte Gartenautoren wie der Verfasser des ersten deutschsprachigen Buches zum Lustgarten, Johann Peschel, sollten in Zukunft in Überblicksdarstellungen durchaus einbezogen werden. Allerdings liegt ein verfügbarer Nachdruck von Peschels einflussreichem, wenngleich raren Buch Gartenordnung (1597) erst seit 2000 vor. Hana Seifertová fasst den Blick der Humanisten auf die Gartenkunst zusammen und betont zurecht, dass die Gärten als Pflanzensammlungen eine spezielle Form der Kunstsammlung im Sinne der Kunstkammer darstellten.
Der ausgewiesene Gartenkenner Erik De Jong geht konkret auf die Tätigkeit und das Werk von Hans Vredeman de Vries ein. Er betont die Bedeutung der Publikation Hortorvm Viridariorvmque elegantes & muliplicis formae von 1583, dem ersten Stichwerk nördlich der Alpen, das sich ausschließlich der Gestaltung von Lustgärten widmete, für die Geschichte der Gartenkunst. De Vries griff auf die architekturtheoretischen Publikationen seiner Zeit zurück und verband "in den 'papiernen Gärten' seines Traktats die zeitgenössische Formensprache aus den südlichen Niederlanden mit den neuen Architekturtheorien seiner Zeit und einer neuen Art der Darstellung" (40). Die Tätigkeit von De Vries am Hof Rudolfs II. in Prag hinterließ auch dort Eindruck. Dies belegen die außerordentlich interessanten, zwischen 1591 und 1594 zu datierenden Alben des Gärtners am Hofe Rudolfs II., Hans Puechfeldner, die sich heute in Wien und in Dumbarton Oaks, Washington D.C. befinden. Puechfeldner kopierte zunächst Vredeman de Vries, entwickelte dessen Formideen dann aber weiter.
Barbara Welzel verfolgt das Motiv des Liebesgartens von Rubens Darstellungen, in denen sie "vibrierend erotische Geselligkeit" (49) ausmacht, zurück in die Druckgrafik des Spätmittelalters. Ursula Härting stellt Rubens' Garten in Antwerpen vor. Chris de Maegd legt die zeittypischen Spielereien mit optischen, perspektivischen und allgemein illusionistischen Effekten dar, die in den Brüssler Gärten zahlreich vorhanden waren. Birgit Franke widmet sich dem wichtigsten Wassertechniker, Brunnen- und Grottenkünstler seiner Zeit, Salomon de Caus, dessen Werk im Garten des Brüssler Coudenbergpalastes von Krista De Jonge ausführlich dargestellt wird. Die nicht mehr erhaltenen Brunnen und Grotten stellten ein großartiges Ensemble dar, dem man andere, heute ebenfalls nicht mehr existierende Gärten wie Mariemont, Heverlee oder Enghien zur Seite zu stellen hat. Alexander Wied, Margret Klinge und Ria Fabri behandeln Gartendarstellungen in Gemälden und auf Kabinettschränken, während Thomas Aurelius Belz jene auf Kielinstrumenten - auf Virginalen oder Cembali - analysiert. Er vergleicht das Garten- und Musikerlebnis als gleichermaßen "Zeitkunst" die es ermöglichte, Garten und Musik assoziativ miteinander zu verknüpfen (137). Beiträge zu Wandteppichen und dem Genuss von Obst und Gemüse in verschiedener Form schließen sich an.
Der Schwerpunkt der Publikation und der Ausstellung war nicht die Gartenkunst selbst, sondern ihre Darstellung im Medium des - gemalten, gezeichneten oder gedruckten - Bildes. Das Werk bietet eine großartige Fülle an Material, auf das Garten- und Kunsthistoriker sicher oft zurückgreifen werden. Es ist wohl auf die Bandbreite der behandelten Themen und die Ausrichtung der Autoren zurückzuführen, dass die Terminologie der Gartenbeschreibung lediglich von den Gartenhistorikern korrekt angewendet wird. Bei den anderen Autoren herrscht ein vager und unkorrekter Sprachgebrauch bei der Benennung von Gartenbereichen und -elementen wie beispielsweise der Parterres.
Dies mindert nicht das Verdienst der Herausgeberin, außerordentlich interessantes Material zusammengetragen zu haben. Das Werk ist ein Kompendium, auf das Garteninteressierte immer wieder zurückgreifen werden. Wie die eingangs aufgeführten jüngeren Publikationen belegen, bietet die Gartenkunst der Zeit zwischen 1550 und 1650 jedoch noch ein weites Forschungsgebiet.
Iris Lauterbach