Giacomo Martina / Ugo Dovere: Il cammino dell'evangelizzazione: problemi storiografici. Atti del XII Convegno di studio dell'Associazione Italiana dei Professori di Storia della Chiesa, Palermo, 19-22 settembre 2000 (= Percorsi), Bologna: il Mulino 2001, 337 S., ISBN 978-88-15-08481-1, EUR 26,00
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Seit seiner Stiftung ist das Christentum eine expansive, eine missionarische Religion gewesen, ausgehend von den Christusworten "Euntes ergo docete omnes gentes" ("Gehet hin und lehret alle Völker", Mt.28,19/20), und die Ausbreitung des christlichen Glaubens ist eine der vornehmsten Aufgaben der Kirche bis heute. Immer wieder in den vergangenen 2000 Jahren hat der Missionsgedanke Begrenzungen der Kirche überwunden, ganz zu Beginn jene auf das Judentum, in der ausgehenden Spätantike jene auf die Oikumene des Römischen Reiches, um sich dann bewusst der ganzen, größer gewordenen Welt zuzuwenden.
Mission führt - gleich mit welchen Vorkenntnissen und Mitteln sie angegangen wird, gleich auch, welchen Erfolg im Sinne der Kirche sie hat, und obwohl sie bei aller Entwicklung im Laufe der Zeiten grundsätzlich die (Teil)vernichtung anders gearteter Kulturen und Glaubensvorstellungen zum Ziel hat - stets zur Begegnung zwischen Angehörigen verschiedener Religionen. Sie gehört daher in den komplexen Themenbereich kultureller Begegnungen - christliche Mission ist die Institutionalisierung der Kulturbegegnung seitens der Kirche -, die gerade im heutigen Europa ein aktuelles, brennendes Problem sind und die daher in den vergangenen Jahren immer stärker das Interesse der Historiker gleich welcher Epoche gefunden haben.
Missionsgeschichte ist also ein altes und zugleich aktuelles Thema, und diesem widmet sich der vorliegende Sammelband, der aus kirchenhistorischer Perspektive, von innen heraus also, die Geschichte der Mission oder eigentlich der Christianisierung und zugleich die der Missionsgeschichtsschreibung zum Ziel hat. Er versammelt neun Beiträge, durchgehend in italienischer Sprache, zu einem Kongress über die historiographischen Probleme des Weges oder der Wege zur Christianisierung - und das heißt zugleich, der Erfolgsgeschichte der christlichen Mission. Neben einem Einleitungskapitel, das anhand einer beispielhaften Reihe von zentralen Schritten in der langen Geschichte der Christianisierung und der damit einhergehenden Kulturveränderungen den Rahmen für die Beiträge absteckt und die Fragestellung ausformuliert (Giacomo Martina, "Evangelizzazione e inculturazione") und einem Schlusskapitel, das die Zusammenfassung der Kongressbeiträge unter dem Motto der "kulturellen Verschiebungen" im Laufe der Jahrhunderte enthält (Jean Comby, "Gli sposamenti culturali del Vangelo nel corso dei secoli e i nuovi interrogativi del XX secolo"), präsentiert sich im Großen und Ganzen ein chronologischer Abriss der Christianisierungsgeschichte.
Ein so umfassendes Thema kann nur exemplarisch behandelt werden, und das ist auch grundsätzlich gut gelungen - die Missionsgeschichte wird für die Spätantike und vor allem für die Neuzeit bis in die Gegenwart anhand von einzelnen wichtigen Weltregionen oder Missionsträgern behandelt. Paolo Siniscalco ("L'evangelizzazione dei popoli del Mediterraneo nei primi secoli cristiani") beschäftigt sich mit der so wichtigen Anfangsphase christlicher Ausbreitung, die erst das Überleben, die Etablierung und den Aufstieg zur Weltreligion ermöglichte (und setzt sich mit den terminologischen Fragen von "Evangelisation", "Christianisierung" und "Mission" auseinander). Vittorio Peri ("L'adesione al cristianesimo dei popoli germanici e slavi") fügt die oben schon erwähnte wichtige Ausbreitung über das alte Römische Reich hinaus an - in deren Zug das einzige Mal in diesem Band (soweit ich sehe) die Existenz zweier konkurrierender Missionskirchen in Rom und Byzanz thematisiert wird - und beendet seine Darstellung der Germanen- und Slavenmission mit dem 9. Jahrhundert, als gewiss die entscheidenden Spuren gelegt waren, als aber noch große Teile des germanischen und slavischen Europa heidnisch geblieben waren.
Dann macht die Geschichte einen großen Sprung, um bei Giacomo Di Fiores umfangreicher und spannender Darstellung der Geschichte des letztendlichen Scheiterns der katholischen Mission im Asien - Indien, Japan, China (wo es "ephemere Versuche" bereits im 14. Jahrhundert gab) - des 16. und 17. Jahrhunderts zu landen ("Strategie di evangelizzazione nell'Oriente asiatico tra Cinquecento e Settecento"). Einer von der regionalen Herkunft her geschlossenen, wenngleich in unterschiedliche Orden (Dominikaner, Jesuiten, Franziskaner und Kapuziner) zerfallenden Gruppe frühneuzeitlicher Missionare widmet sich Gaetano Zito ("Religiosi siciliani missionari tra Seicento e Settecento"); im Anhang sind alle Namen und Ziele chronologisch auflistet. Mit den drei letzen Beiträgen erreichen wir das 19. und 20. Jahrhundert. Fidel González Fernández ("L'attività missionaria in Africa tra Ottocento e Novecento") beleuchtet jenen Moment der langen Missionsgeschichte Afrikas (die allerdings ebenfalls weitgehend aus "ephemeren und scheiternden Versuchen" im Mittelalter besteht), in dem sich im 19. Jahrhundert die Christianisierung mit den Entdeckern weit auszubreiten und tief einzudringen begann. Ralph M. Wiltgen legt eine detailreiche Mikrostudie der Missionsorganisation für Hawai vor ("Le origini della prefettura apostolica delle isole Sandwich (1825)"), während sich schließlich Willi Henkel ("Il ruolo della Congregazione della Propaganda Fide") der systematisch-energischen Einrichtung der katholischen Missionszentrale an der Kurie und ihren Prinzipien (die in weiten Teilen Erbe der bereits mittelalterlichen Missionserfahrungen waren) widmet. Damit liegt ein breiter Fächer von regional, chronologisch und vor allem auch methodisch vielfältigen und abwechslungsreichen Studien vor uns.
Bei allem Verständnis allerdings für die Notwendigkeit der Beschränkung fällt eine ganz empfindliche Lücke in der Abfolge der Beiträge sofort auf: Man vermisst praktisch das gesamte Mittelalter. Zweifellos sind die Jahrhunderte zwischen dem 10. und 15. nicht gerade von einer wirklichen Ausbreitung des christlichen Glaubens gekennzeichnet: Sie gehören nicht zur Erfolgsgeschichte, sie führen meist (nicht immer!) vom Weg der Christianisierung ein wenig ab in Irrwege oder Sackgassen, hin zu nicht recht gelungener Kulturveränderung - doch hat man ja auch die gescheiterte frühneuzeitliche Asienmission hinzugenommen. Und es gab just bereits im Mittelalter zahllose Versuche und Reflexionen der Misserfolge, die auf die weitere Geschichte großen Einfluss hatten. Vor allem eine der entscheidendsten Phasen der Kirchen- und Missionsgeschichte, das 11. bis 13. Jahrhundert, klingt nur ganz am Rande (wenigstens in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zwischen Christen und Juden gewürdigt) im Einleitungskapitel an. Dabei waren es just Kirchenreform und Kreuzzüge, die den Blick der Zeitgenossen wieder für eine ganz neuartige, inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gedankengut der zu Missionierenden schärften und die zudem Diskussionen auslösten um die Anwendung von Gewalt oder friedlichen Mitteln, aus denen der Mission ganz neue Fundierungen zuwuchsen - ganz abgesehen von den daraus hervorgehenden großen Bewegungen der Franziskaner und Dominikaner, die nicht zuletzt Missionsorden waren. In einem solchen Beitrag hätte auch (wenn man ihm schon kein eigenes Kapitel widmen konnte) die frühe Auseinandersetzung mit dem sich ausbreitenden Islam (der als Missionsgegner, -konkurrent und oftmals Überlegener nicht eigens aufgegriffen wird) thematisiert werden können, die das Christentum im Gefühl existenzieller Bedrohung vor ganz neue, ungekannte Aufgaben stellte - und die Kulturkontaktzonen an den Rändern der Christenheit hervorbrachte, Gebiete im Heiligen Land, Süditalien und der Iberischen Halbinsel, aber auch in Ostmitteleuropa, in denen die Angehörigen unterschiedlicher Religionen nahe beieinander lebten und von denen für die Missionsidee unendlich wichtige Impulse ausgingen. Schließlich ist es ein wenig schade, dass wieder einmal die Mission in Asien (und auch schon in Afrika) erst für die Frühe Neuzeit thematisiert wurde, als hätte es keine (noch so "ephemeren") Vorläufer im Spätmittelalter gegeben und als wären die Christen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts sich dessen nicht bewusst gewesen und hätten nicht aufgrund dieser Hintergrunderfahrungen agiert.
Trotz dieser hier - gewiss nicht zuletzt dem Spezialgebiet der Rezensentin geschuldeten - relativ umfangreich ausgefallenen Kritik liegt ein Buch vor, das in jenen Bereichen, die es abdeckt, einen äußerst nützlichen und geschlossenen Einblick in die Missionsgeschichte, die Verfahrensweisen und Theorien der Missionare sowie in deren Darstellung in der jeweiligen Zeit gibt - der, wiederum leider, nicht durch ein Register erschlossen wurde.
Felicitas Schmieder