Hansjürgen Brachmann / Elżbieta Foster / Christine Kratzke / Heike Reimann: Das Zisterzienserkloster Dargun im Stammesgebiet der Zirzipanen. Ein interdisziplinärer Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Siedlungsprozesse in der Germania Slavica (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa; Bd. 17), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2003, 457 S., 43 s/w-Abb., 8 farb. Tafeln, ISBN 978-3-515-98268-9, EUR 64,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Worüber Vorberichte bereits informierten, liegt nun als Monographie vor - die Behandlung der Siedlungsgeschichte des Klosters Dargun im "Grenzgebiet" zwischen Mecklenburg und Pommern. Den zeitlichen Rahmen bilden die Jahre 1172 (Gründung unter dänischem Einfluß) und 1300, wobei quellenbedingt ältere (Archäologie) und jüngere Befunde (Kunstgeschichte) einbezogen werden. Vier Autoren analysieren aus jeweils disziplinspezifischer Perspektive die relevanten Quellen (mit Ausnahme der Orts- und Flurformen) in eigenen Abschnitten, wobei Einleitung und Zusammenfassung die separaten Beiträge locker verbinden.
Die archäologischen Quellen interpretiert der vor fünf Jahren verstorbene Hansjürgen Brachmann, der das Dargun-Projekt wesentlich vorangetrieben hatte. Die schematische Gliederung in drei Phasen der Keramikentwicklung - Kammstrichware, Gurtfurchenware und graue Irdenware (74, 207 bzw. 122 Fundplätze; pauschale Liste im Anhang) - weist ungeachtet ihrer prinzipiellen Unschärfe (genauere Datierungen und gleichzeitig bestehende Siedlungen sind damit nur schwer zu ermitteln) auf eine kontinuierliche Besiedlung hin, wobei die Klostergründung (wie auch anderenorts) erkennbar an bestehende Strukturen anknüpfte. Der onomastische Teil (Elżbieta Foster) bietet ein Namenbuch der Orts- und Gewässernamen im Umfeld von Dargun, in einer südöstlich anschließenden Region mit Klosterbesitz sowie Namen einzeln liegender Klosterbesitzungen. Foster zeigt über das Untersuchungsgebiet hinaus, daß sich Bildungen vom Typ "Personenname im Plural" (im Gegensatz zur Auffassung Reinhold Trautmanns) auf späte Ausbauten von Orten beziehen und dass Ortsnamen mit der Endung -ici- häufig nicht alt, sondern jung sind. Die Schriftquellen ermöglichen, da das Klosterarchiv nahezu vollständig erhalten ist, viele Einblicke in die Geschichte des Grundbesitzes und dessen Verkauf bzw. der Tausch-, Rechts- und Abgabenverhältnisse, der beteiligten Grundherren und Siedlungsvorgänge sowie der Pfarrstrukturen. Heike Reimann beschreibt außerdem die Wirtschaft des Klosters (Landwirtschaft, Mühlen, Fischerei, Salz) und dessen Rolle in Handel (Stadthöfe in Malchin, Rostock und Kolberg) und Finanzen (Leihgeschäfte). Die Baugeschichte der Klosterkirche, deren Details demnächst monographisch vorgelegt werden, referiert Christine Kratzke im Überblick. Zu weiteren Klostergebäuden läßt sich mangels erhaltenen Baubestands nur wenig aussagen. Die ebenfalls untersuchten 55 mittelalterlichen Pfarrkirchen zeigen wie die Kirchen unter Darguner Patronat erwartungsgemäß ein heterogenes Bild, denn viele Faktoren beeinflussten die Bauten.
Die Unterscheidung von drei Phasen der Siedlungsgeschichte - vor Klostergründung (Kontinuität), um 1200 (Umstrukturierung der Besiedlung unter pommerscher Landesherrschaft) sowie nach 1230 (neue Rechtsverhältnisse unter mecklenburgischer Landesherrschaft) - orientiert sich an historischen Daten, denn weder Archäologie noch Onomastik oder Kunstgeschichte erlauben eine solch feine zeitliche Differenzierung. Alle Beiträge fragen bewusst nicht nach Anteilen verschiedener Ethnien, sondern nach strukturellen Veränderungen im hohen Mittelalter; "ein umfassendes Bild der Geschichte des Stammes der Zirzipanen" (15) entsteht dabei ebenso wenig, wie sich "Zirzipanien" genauer charakterisieren läßt. Herauszuheben sind die Gründung des Klosters innerhalb eines (1172 aufgegebenen?) slawischen "Burgbezirks" und bis in das 14. Jahrhundert reichende ältere "slawische Traditionen" - von der Namengebung bis zu anerkannten Besitzansprüchen.
Mitunter ist aktuelle archäologische Forschungsliteratur nicht einbezogen, etwa hinsichtlich einschlägiger Keramikanalysen sowie siedlungsarchäologische Arbeiten zu Zisterzienserklöstern und Datierungen (der Burgwall von Behren-Lübchin wird gemäß der Auffassung des Ausgräbers Ewald Schuldt mit dem dänischen Kriegszug von 1171 in Verbindung gebracht (199), obwohl 1991 publizierte Jahrringdaten dies nicht mehr stützen).
Sebastian Brather