Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Der Winterkönig. Friedrich von der Pfalz. Bayern und Europa im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Begleitband zur Bayerischen Landesausstellung im Stadtmuseum Amberg (9.5.2003 - 2.11.2003), Stuttgart: Theiss 2003, 376 S., 80 Abb., 1 CD-ROM, ISBN 978-3-8062-1810-7, EUR 34,90
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Das schicksalhafte Leben des Kurfürsten Friedrichs V. von der Pfalz, das eng mit den politischen und konfessionellen Wirren des Dreißigjährigen Kriegs verknüpft ist, könnte ausreichend Stoff für einen historischen Roman bieten, für den ein verkauftsträchtiger Titel durch den historischen Spottnamen des Unglücklichen gleich mitgeliefert würde: Der 'Winterkönig'. Dem Wittelsbacher aus der kalvinistischen Kurpfalz, dem bereits eine Ehe mit einer Tochter aus dem englischen Stuart-Haus eine gewichtigere Rolle in der europäischen Politik sichern sollte, schien eine große Zukunft beschieden, als er nach dem Prager Fenstersturz 1618 von den böhmischen Ständen zu ihrem König gewählt wurde. Doch währte seine Regierung nur 'einen Winter' bis zum Sieg der katholischen Liga am Weißen Berg. Die Niederlage indes brachte dem Pfälzer nicht nur seinen Spottnamen ein, sondern führte zum Verlust seiner Länder und zwang ihn zum Exil in den Niederlanden, wo er 1632 an einem 'pestilenten Fieber' starb.
Aufstieg und Fall des letzten Kurfürsten der Oberen Pfalz zu dokumentieren, hat sich die diesjährige Landesausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte in Amberg zur Aufgabe gemacht, zu der ein Katalog zusammen mit einer ergänzenden CD-Rom erschienen ist. Vorausgeschickt werden muss, dass es sich um einen historischen Ausstellungskatalog handelt, doch widmen sich mehrere, nach den Stationen des kurfürstlichen Werdegangs angeordnete Beiträge (von Heidelberg über Prag zum niederländischen Exil in Den Haag) auch dem kulturellen Umfeld des Hofes und erlauben dadurch einen Blick auf die Kunst vor und während des Dreißigjährigen Krieges. Zweifelsohne bleibt dieser im Gegensatz zu der groß angelegten Schau der Münsteraner Ausstellung '1648 - Krieg und Frieden in Europa', die dieselbe Epoche zum Gegenstand hatte, stark auf das unmittelbare Umfeld Friedrichs bezogen, doch bietet das untersuchte Material einen Querschnitt durch die wesentlichen Bereiche frühneuzeitlicher Funktionsformen von Kunst: Dies gilt zunächst für die verschiedenen Aufgaben von Bildern am Herrscherhof, deren Verwendung von herrschaftlicher Repräsentation - sei es in Form des Porträts, des historischen Ereignisbildes oder der allegorischen Herrscherdarstellung - bis zur höfischen Kunstsammlung reichte. Aufgrund der historischen Umstände spielen aber auch Aspekte des zeitgenössischen (illustrierten) Flugblattwesens bzw. der Umgang mit (religiöser) Kunst an einem kalvinistischen Hof eine Rolle.
Die Betrachtung nimmt ihren Ausgang in Heidelberg, das unter Friedrichs Herrschaft zu einem kalvinistischen Bildungshort wie einem lokalen Zentrum der Kunstförderung (z.B. (Frankenthaler Malerschule) gleichermaßen aufblühte (vgl. den Beitrag von Frieder Hepp). Das spätestens mit den englischen Ehebanden gestiegene Repräsentationsbedürfnis fand seinen Ausdruck in diversen Baumaßnahmen an der Heidelberger Residenz, wobei der unter dem französischen Landschaftsarchitekten Salomon de Caus gestaltete Hortus Palatinus zu den Teilen der Anlage gehört haben dürfte, der die Zeitgenossen am meisten beeindruckte (Beitrag von Anette Frese). Die kurze Zeit in Prag stand dagegen eher unter dem Zeichen der Auflösung: Während Friedrich die in Prag verbliebenen Überreste der Kunstsammlung Rudolfs II. übernahm, fiel die Ausstattung des Veitsdom einem von Friedrichs kalvinistischen Hofprediger Abraham Scultetus vorangetriebenen Bildersturm zum Opfer, der auf heftige Proteste stieß und zahlreiche Schriften von Theologen aller Konfessionen nach sich zog (vgl. Beitrag von Eliška Fucíková). Aber erst nach dem Sturz des Königs und seiner Flucht aus Prag setzte eine - gelegentlich als erster 'Medien-Hype' der Geschichte bezeichnete - Flut von (illustrierten) Flugblättern und Flugschriften ein, deren Charakteristika Jana Hubková" auf der Basis der in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnissen der interdisziplinären Flugblattforschung herausarbeitet. Den Abschluss bildet schließlich Willem Jan Hoogsteders Rekonstruktion der Kunstsammlung des Herrscherpaars im Exil in den Niederlanden, in der sich repräsentative Funktion und persönliche Vorlieben vereinen: Unter den vielen Porträts, zu denen zahlreiche Kinderporträts sowie genealogisch-legitimierende Bildnisse der Wittelsbacher Familie zählen, findet sich eine Reihe von portrait historiés, in denen die schicksalhafte Lebensgeschichte des pfälzischen Paares Bearbeitung erfährt.
Neben seinem Inhalt sollte der Katalog insofern Beachtung finden, als in ihm ein Katalogmodell realisiert wurde, das angesichts steigender Produktionskosten und knapper werdender Kassen in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht häufiger zum Einsatz kommen könnte: Der gedruckte Katalogband ist nur den Aufsätzen sowie einem sehr knapp gehaltener Katalogteil mit briefmarkengroßen Abbildungen der Ausstellungsstücke vorbehalten. Die ausführlichen Beiträge zu den einzelnen Objekten, die teilweise die oben beschriebenen Schwerpunkte aufgreifen und mit zahlreichen Beispielen ergänzen, sowie die dazugehörigen Abbildungen sind dagegen auf die beigelegte CD-Rom verlagert. Als großen Vorteil dieses Publikationsverfahrens wird man sicher sehen dürfen, dass eine weitaus größere Menge an Katalognummern in Farbe abgebildet werden kann, als dies in einem Katalog zu leisten wäre. Dies trifft etwa, wie auch von den Herausgebern hervorgehoben, auf die Abbildungen zum sogenannten Tilly-Schatz zu, bei dem es sich um Ausgrabungsfunde eines Feldlagers des Feldherrn Tilly vor Heidelberg mit über 300 Einzelstücken handelt, die im gedruckten Katalog nur in einer kleinen Auswahl gezeigt werden können, während auf der CD-Rom ein Vielfaches davon abrufbar ist. Doch würde man bei einer solchen Entscheidung hoffen, dass die Umsetzung in das technische Medium ähnlich leicht zu benutzen wäre wie das gedruckte Gegenstück. Im vorliegenden Fall scheint man dieses Ziel dadurch angestrebt zu haben, die Seiten wie Buchseiten anzulegen, durch die sich der Benutzer über Richtungspfeile von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel 'blättert' - vorausgesetzt, dass er das Prinzip verstanden hat, das zwischen den einzelnen Katalogbeiträgen (Pfeile oben) und mehreren 'Seiten' innerhalb der einzelnen Beiträge (Pfeile unten) unterscheidet. Darin mag man sich nicht nur an McLuhans These erinnert fühlen, dass bei einem Wechsel zu neuen Medien immer vertraute Muster des vorhergehenden Mediums mitverarbeitet werden, sondern auch einen Beleg dafür finden, dass die Möglichkeiten des Mediums nicht immer voll ausgeschöpft wurden: Eine Menüleiste fehlt ebenso wie ein klares Inhaltsverzeichnis, über das man einzelne Katalognummern anwählen kann - sie findet man nur über die Suchfunktion. Zum Inhaltsverzeichnis wiederum gelangt man von der Katalogebene nur, indem man den Ausstieg aus dem Programm wählt. Ähnliches gilt für den Umgang mit den Abbildungen: Bei einzelnen Katalognummern finden sich weitere Bildbeispiele, zu denen sich aber nicht automatisch der dazugehörige Abschnitt des Textbeitrags öffnet. Für die kürzeren Katalogartikeln dürfte dies kein Problem darstellen, bei Nummern wie derjenigen zu den illustrierten Flugblättern, bei der man sich immerhin durch bis zu 34 Seiten klicken muss, um zu dem entsprechenden Kommentar zur Abbildung zu gelangen, hätte man sich eine andere Lösung gewünscht. Schließlich könnte man sich vorstellen, dass so mancher Betrachter eine andere Vergrößerungsoption für die Abbildungen bevorzugt würde als eine 'Lupe', bei der man zwar jedes Detail sehen kann, der Gesamtzusammenhang aber verloren geht. Sollte diese Form der Gestaltung Copyright-Gründen verpflichtet sein, könnte man sich vorstellen, dass hier künftig auf andere Kopiersperren wie das 'cryptage'-Prinzip zurückgegriffen wird.
Ungeachtet dieser Verbesserungsvorschläge wird man dem Katalog bescheinigen können, einen guten Einblick in die Situation der Kunst während des 30jährigen Krieges zu geben und ihn zugleich als willkommene Anregung sehen dürfen, sich verstärkt - und in internationaler Zusammenarbeit - der länderübergreifenden Kunstlandschaft des frühen 17. Jahrhunderts zu widmen.
Gabriele Wimböck