David El Kenz / Claire Gantet: Guerres et paix de religion en Europe aux 16e - 17e siècles (= Collection Cursus - Histoire), Paris: Armand Colin 2003, IV + 182 S., ISBN 978-2-200-26274-7, EUR 15,00
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Verschiedene nationale Wissenschaftskulturen bringen verschiedene Arten von Publikationen hervor. Die Leistungen, die solche standortgebundenen Produkte erbringen, sind in der Regel nicht so einfach in andere Kontexte übersetzbar. Sie gehorchen vielmehr spezifischen Anforderungen der Kultur, der sie entstammen, und sollten eigentlich nur vor diesem Hintergrund bewertet und gewürdigt werden. So ist es beispielsweise im angelsächsischen Raum üblich, Jahr für Jahr neue textbooks auf den Markt zu bringen, die den Forschungsstand zwar relativ zeitnah immer neu synthetisieren, manchmal aber auch eine gewisse Redundanz aufweisen. Ähnliches gilt leicht modifiziert auch für Frankreich. Manche Synthesen bedienen direkt die Bedürfnisse der zentralen CAPES- oder Agrégation-Prüfungen, andere - wie das anzuzeigende Buch - flankieren diese gleichsam. In jedem Fall wird von den jeweiligen Autoren ein Spagat verlangt zwischen den Anforderungen einer allgemeinen Einführung und dem Anspruch, spezifische Akzente zu setzen, die über die bloße Zusammenfassung des Forschungsstandes hinausweisen. Claire Gantet und David El Kenz haben sich dieser Herausforderung mit einem kurzen Buch zur Geschichte der europäischen Religionskriege und ihrer Beilegungsversuche in der Frühen Neuzeit gestellt.
Schon ihre Fragestellung führt jedoch über den engeren Einführungscharakter des Buches hinaus. Denn es existiert schlicht noch keine umfassendere komparatistische Studie zum europaweiten Phänomen des Religionskrieges in dieser Epoche. Doch weisen die Autoren die geweckten Erwartungen vorerst von sich. Ein solcher Vergleich sei "trop complexe pour une introduction universitaire" (7). Das ist schade, denn vergleichende Fragen ließen sich viele formulieren: Auf welchen Ebenen sind religionskriegsartige Konflikte anzusiedeln - eher als Bürgerkriege oder ebenso in zwischenstaatlichen Kriegen? Welche Argumentationsfiguren legitimieren das Führen von Religionskriegen? Unterscheiden sich diese je nach konfessioneller Provenienz, oder lässt sich auch hier eine Form von struktureller Äquivalenz feststellen? Gibt es substanzielle Unterschiede bei Konflikten zwischen Konfessionen und solchen zwischen der christianitas und nicht-christlichen Religionen? Es spricht für Gantet und El Kenz, dass alle diese Fragen trotz der anders lautenden Beteuerungen zwar selten explizit, doch oftmals zwischen den Zeilen behandelt werden.
Vor allem aber bieten die Autoren einen fulminanten Einstieg in die Problematik. Das Eröffnungskapitel entwirft in drei Schritten das durchaus innovative Programm einer Kommunikationsgeschichte der Religionskriege. 1986 hatte Konrad Repgen in einem klassischen Aufsatz die Frage, was ein Religionskrieg sei, von seiner Legitimation her beantwortet: "Kriege sind nur insofern 'Religionskrieg' zu nennen, als von einer der Kriegsparteien die 'Religion', das Religionsrecht in Anspruch genommen werden, um Kriegführen zu rechtfertigen, um öffentlich zu begründen, warum eine konkrete militärische Gewaltanwendung, noch dazu gegen eine politische Obrigkeit, ein 'bellum justum' sei". [1] Gantet und El Kenz gehen in ihrem ersten Kapitel viel weiter und eröffnen so eine Reihe von Forschungsfragen, die in Repgens Perspektive gar nicht erst in den Blick kommen. Sie skizzieren auf brillante Weise eine Kultur der agonalen Kommunikation über die konfessionelle Wahrheitsfrage, die den Religionskrieg nicht von seiner nachträglichen Rechtfertigung, sondern von seiner Genese her avisiert. Drei Ebenen von kommunikativen Konflikten werden differenziert. Erstens: der Streit um das Wort mit dem Wort, sei es in blasphemischer Rede, kontroverser Predigt oder den akustischen Raum besetzendem Gesang; sei es in gelehrtem Disput und Religionsgespräch. Zweitens: der Streit um das Wort über technische Medien, sei es der Buchdruck, der nach der These von Johannes Burkhardt nicht nur die Reformation ermöglichte, sondern gleichfalls erst durch die Reformation seine revolutionäre Kraft entfalten konnte; sei es die Macht der Bilder, die nicht nur Ideen aus der Abstraktion in die Anschauung überführten, sondern selbst im Zentrum des Konflikts standen. Drittens schließlich: der "combat des corps" (20), der nicht nur als Militärgeschichte daherkommt, sondern zum Beispiel auch die rituelle Dimension religiös motivierter Massaker und die politiktheoretischen Voraussetzungen von Königsmorden umfasst. Diese ersten 20 Seiten sind ein Meisterstück an eleganter Forschungssynthese, das viele verschiedene Ansätze in eine gemeinsame Perspektive rückt und so weit über die selbstgewählte Beschränkung einer "introduction universitaire" hinausgeht.
Was dann folgt, ist (leider) erheblich konventioneller. Hier erfüllen Gantet und El Kenz ihre Pflicht als Handbuchautoren für ein studentisches Publikum. In sechs Kapiteln durchmessen sie sowohl grob chronologisch als auch nach Nationalgeschichten geordnet das Konfliktpotenzial, das die Glaubensspaltung für Europa mit sich brachte. Nach zwei auf das Reich als der Wiege der Reformation konzentrierten Kapiteln, die von Luther bis zum Augsburger Religionsfrieden reichen, folgen kleinere Abschnitte zur Eidgenossenschaft, den skandinavischen Ländern, der englischen Reformation und - sehr erfreulich - zur Entwicklung in Ostmitteleuropa bis nach Russland. Größere Kapitel zu den französischen Religionskriegen und zum Aufstand der Niederlande runden den europäischen Rundblick ab, in dem Gantet und El Kenz gleichsam implizit vergleichend die jeweiligen Spezifika der verschiedenen Konfliktlagen in den einzelnen Regionen konturieren. Sie tun auch dies auf dem neuesten Stand der Forschung, bekunden dabei ebenfalls eher implizit eine gewisse Sympathie für kulturhistorische Ansätze, die ihre im Grunde traditionell politikgeschichtliche Darstellung hier und da akzentuieren und das kommunikationsgeschichtliche Modell der Einleitung in Erinnerung rufen. Interessant ist dabei, wie die Autoren nicht-französische Paradigmen der Forschung subtil für ihre Darstellung fruchtbar machen, wobei auch dies nicht ohne Reibungsverluste in der Übersetzbarkeit bleibt. "Construction confessionnelle" (44, 123) für Konfessionsbildung und "confessionnalisation" (123) bilden die Leitkriterien für die Interpretation der Entwicklung im Reich, doch wäre es im Sinne der Komparatistik durchaus interessant gewesen, ihre Anwendbarkeit auch für die anderen europäischen Fälle zu diskutieren. [2] Der Dreißigjährige Krieg, die letzten hugenottischen Rebellionen der 1620er-Jahre und die englischen Bürgerkriege des 17. Jahrhunderts bilden schließlich die Eskalationen der konfessionellen Spannungen seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts, öffnen aber zugleich Wege zu neuen Formen der politischen Einhegung des Religionskrieges.
Die Autoren skizzieren diese in einer knappen, aber außerordentlich anregenden Synthese am Schluss des Buches. Erst hier machen sie deutlich, wie eine Analyse der "influences mutuelles des divers conflits" (151) aussehen könnte, und präsentieren schließlich auch veritable komparatistische Ergebnisse. Es zeichnen sich hier verschiedene Phasen ab: Während in einer ersten Phase bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts die konfessionellen Differenzen nur eine zusätzliche legitimierende und homogenisierende Funktion für latente soziale und ökonomische Konflikte hatten, vollzog sich zwischen 1550 und 1650 eine Fusion von konfessionellen und politischen Motiven. Auch hier wirkte das Konfessionelle auf allen Seiten gleichermaßen strukturierend im Konflikt um die politische Ordnung der Staaten. Dies wirkte sich schließlich auch auf die errungenen Religionsfrieden aus. Während die Beilegung der konfessionellen Konflikte auf der einen Seite eine Stärkung der Zentralgewalt mit sich brachte (Frankreich, in gewisser Weise Großbritannien), suchte man in anderen Fällen das Heil in dezentralen Strukturen (Westfälischer Frieden, Niederlande). Gemeinsam ist diesen Versuchen im Verlaufe des 17. Jahrhunderts aber eine Verschiebung der politischen Kultur. Für die Epoche der Religionskriege hatte noch gegolten: "[À] l'époque moderne, on ne peut distinguer le 'religieux' du 'politique', de l''économique' ou du 'culturel'" (154). Die Kultur des Religionsfriedens zeichnete sich demgegenüber durch Ausdifferenzierung verbunden mit einer Säkularisierungstendenz aus. Sie äußerte sich einerseits als Verrechtlichung der konfessionellen Konflikte, andererseits als Praxis der alltäglichen Koexistenz, die die Wahrheitsfrage umging, indem sie sie nicht mehr stellte.
Claire Gantet und David El Kenz ist der Spagat gelungen: Die souverän gemeisterte Pflicht gegenüber der akademischen Kultur Frankreichs wird umrahmt von der Kür gegenüber einer echten historiografischen Herausforderung. Das reicht für ein spannendes Buch.
Anmerkungen:
[1] Konrad Repgen: Was ist ein Religionskrieg?, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 97 (1986), 334-349, hier 338, Hervorhebung im Original.
[2] Vgl. für Frankreich jüngst: James R. Farr: Confessionalization and Social Discipline in France, 1530-1685, in: ARG 94 (2003), 276-293; kritisch hingegen: Philip Benedict: Confessionalization in France? Critical Reflections and New Evidence, in: Raymond A. Mentzer / Andrew Spicer (Hg.): Society and Culture in the Huguenot World, 1559-1685, Cambridge 2002, 44-61.
Jan-Friedrich Missfelder