Nicola Labanca (a cura di): Militari italiani in Africa. Per una storia sociale e culturale dell'espansione coloniale. Atti del convegno di Firenze, 12-14 dicembre 2002, Napoli: ESI SpA - Edizioni Scientifiche Italiane 2004, 496 S., ISBN 978-88-495-0747-8, EUR 38,00
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Im Dezember 2002 fand in Florenz eine außergewöhnliche Tagung statt - außergewöhnlich deshalb, weil mit Sozial- und Kulturhistorikern auf der einen und Militärhistorikern und Militärs auf der anderen Seite zwei Kulturkreise aufeinander trafen, die sich sonst nur selten begegnen, geschweige denn produktiv miteinander kommunizieren. Zudem bot das Thema der vom "Centro interuniversitario di Studi e Ricerche Storico-Militari" (einem Verbund, dem Militärhistoriker und militärhistorisch interessierte Gelehrte von elf Universitäten angehören) und der "Società Italiana di Storia Militare" unter Federführung von Nicola Labanca organisierten Konferenz - "Militari italiani in Africa" - eine Menge Sprengstoff, von der schmählichen Niederlage italienischer Truppen in Adua 1896, einem Trauma der italienischen Militärgeschichte, über die Eroberung Libyens und seine gewaltsame Pazifizierung vor und nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zum Krieg gegen Abessinien 1935/36 mit dem lange geleugneten Einsatz von Giftgas und dem blutigen Guerillakrieg in den folgenden Jahren.
Von den zuweilen spürbaren Spannungen zwischen den Exponenten der verschiedenen Lager, die nicht selten auch Spannungen zwischen den Generationen gewesen sind, spürt man in dem jetzt erschienenen Tagungsband nicht mehr viel, was seinen Wert freilich in keiner Weise schmälert. Die 23 Beiträge decken den Zeitraum vom Beginn der kolonialen Expansion Italiens Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zusammenbruch des italienischen Kolonialreiches im Zweiten Weltkrieg ab (eine Ausnahme machen die Erinnerungen eines ehemaligen Militärattaches in Somalia "von der Unabhängigkeit zum Chaos") und geben - zumeist Personen, Personengruppen oder Institutionen in den Mittelpunkt stellend - zusammengenommen einen guten Überblick über zentrale Aspekte der in Deutschland nahezu unbekannten italienischen Kolonialgeschichte sowie über die gegenwärtig diskutierten Themen und methodischen Zugriffe.
Unter den drei einleitenden Beiträgen ragt die von Giorgio Rochat, dem Altmeister der italienischen Militärgeschichtsschreibung, verfasste Zusammenfassung über das italienische Heer und die Kolonialkriege in Afrika heraus. Auf dieser Grundlage bauen besonders die Aufsätze auf, die im ersten Teil des Tagungsbandes unter dem Titel "Politik und Gesellschaft" zusammengefasst sind. Hier geht es vor allem um Kriegführung, Besatzung und gewaltsame Befriedung, wobei auffällt, dass sich mit Gianluigi Gatti (die faschistische Miliz in Libyen), Cristina Pipitone (italienische Offiziere in den Kolonialkriegen) oder Matteo Dominioni (Polizeiaktionen in Italienisch-Ostafrika) vor allem jüngere Kollegen mit Themen beschäftigen, die man lange Zeit als sperrig und unbequem empfunden hat.
Der zweite Teil des Tagungsbandes experimentiert auf anregende Art und Weise mit einer sozial-, kultur- und geschlechtergeschichtlich erweiterten Militärgeschichte, wobei vor allem die Wechselwirkung zwischen kulturschaffenden beziehungsweise kulturvermittelnden Institutionen, den in Afrika eingesetzten italienischen Soldaten und der Bevölkerung des Mutterlandes thematisiert wird.
Der dritte Teil des Bandes - "Institutionen und Archive" - spiegelt neben der ungewöhnlichen Zusammensetzung der hier dokumentierten Tagung auch die Tatsache wider, dass die Militärarchive in Italien von den Teilstreitkräften selbst verwaltet und von Offizieren geführt werden und dass hier - mit einem Wort - Zustände herrschen, die man aus anderen staatlichen Archiven nicht gewohnt ist. Um so wertvoller sind die Beiträge der Chefs der Archive von Heer, Luftwaffe, Marine, Carabinieri und Guardia di Finanza, die einen Einblick in die Bestände dieser Archive vermitteln, die zuweilen nicht ohne Probleme zugänglich sind. Die letzten vier Aufsätze des Sammelbandes beschäftigen sich mit Einzelproblemen, wobei der Beitrag von Pier Paolo Meccariello über die Einschätzung der ökonomischen Entwicklung des italienischen Imperiums durch die Guardia di Finanza besondere Beachtung verdient. Wenn abschließend eine kritische Bemerkung erlaubt ist, so wäre zu bemängeln, dass es Herausgeber und Organisatoren versäumt haben, die in den einzelnen Beiträgen gesponnenen Fäden - etwa in den einzelnen Teilabschnitten vorangestellten Zusammenfassungen oder einem abschließenden Beitrag - zusammenzufassen und so den Band präziser in der Forschungslandschaft zu verorten.
Thomas Schlemmer