Manu von Miller: Sonja Knips und die Wiener Moderne. Gustav Klimt, Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte gestalten eine Lebenswelt, Wien: Christian Brandstätter Verlag 2004, 112 S., 60 Farb-, 57 s/w-Abb., ISBN 978-3-85498-356-9, EUR 36,00
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Manu von Millers Publikation "Sonja Knips und die Wiener Moderne. Gustav Klimt, Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte gestalten eine Lebenswelt" setzt sich mit dem Schaffen von Vertretern der Wiener Moderne für die Mäzenin und Industriellengattin Sophie Amalia Maria Knips, geborene Freifrau Potier des Echelles, genannt Sonja Knips, auseinander. Gleich zu Beginn setzt die Autorin Maßstäbe für die eigene Arbeit: In der Ausstellung "Klimt und die Frauen" [1] seien erstmals zumindest deren Lebensdaten (der porträtierten Frauen) erforscht und Kurzbiografien erstellt worden, "doch um welche Persönlichkeiten es sich handelte und welchen Beitrag diese Damen nun tatsächlich zum kulturellen, politischen und sozialen Leben der Jahrhundertwende leisteten, konnte auch dort nicht abschließend geklärt werden. [...] Für das Bildnis Sonja Knips kann aufgrund einer Fülle neu recherchierten Materials eine Lücke geschlossen werden." (13). Welchen Beitrag zum kulturellen, politischen und sozialen Leben der Jahrhundertwende leistete also Sonja Knips?
Die Sammlertätigkeit der Knips wird in drei Hauptabschnitten untersucht. Der Erste ist dem Porträt, das Klimt 1898 von der Mäzenin malte, gewidmet. Dieses schildere den "Umbruch der gesellschaftlichen Position der Frau um die Jahrhundertwende, vielleicht sogar eine mögliche intime Beziehung zwischen Maler und Modell." Unter anderem wird in der Argumentation auf die Sitzhaltung, einzelne Bildelemente und Gegenstände aus dem privaten Besitz der Knips zurückgegriffen: Insbesondere ein Foto, das Sonja Knips in dem im Porträt sichtbaren roten Skizzenbuch verwahrte, dient als Indiz für eine Beziehung, und ein von Klimt dekorierter und beschrifteter Fächer soll zugleich als Liebes- und Abschiedsbrief fungiert haben (22 ff.). Von Miller geht auf Klimts Verhältnis zu Frauen, vor allem zu Emilie Flöge und der Dargestellten, ein und beschreibt die familiären Hintergründe der Knips, ihre adelige Abstammung und ihre anscheinend unglückliche Zweckehe mit dem Industriellen Anton Knips.
Anschließend befasst von Miller sich mit dem Schaffen der Wiener Werkstätte für Sonja Knips. Das Engagement der Mäzenin ging über das schlichte Sammeln von Arbeiten der Wiener Werkstätte weit hinaus: Wie ein Foto belegt, stellte sie sich zu besonderem Anlass für die Wiener Werkstätte sogar hinter einen Verkaufstresen (35 f.). Eine Reihe erstmals veröffentlichter Fotos, durch die Sonja Knips ihre Garderobe dokumentieren ließ, zeigen sie in Kleidern, von denen von Miller einige eindeutig dem Salon Flöge zuordnet. Laut von Miller habe die Kleidung des Salons Flöge sowie der Modeabteilung der Wiener Werkstätte für Sonja Knips die Möglichkeit dargestellt, sich als Frau und Persönlichkeit zu definieren. Zeitgleich mit dem Wechsel der Kleidung habe sie den Wandel "von einer biederen, schutzbedürftigen und inaktiven Bürgersfrau zur modisch befreiten und künstlerisch interessierten Persönlichkeit, die aus der traditionellen Frauenrolle herauszutreten vermochte" vollzogen (44).
Die umfangreichen Aufträge, die Sonja Knips Josef Hoffmann zunächst für die Gestaltung ihrer Wohnung in der Gumpendorferstraße, dann für ein Landhaus in Seeboden, Kärnten, schließlich für den Neubau einer Villa in der Nusswaldgasse sowie für ein Familiengrab erteilte, stellen in ihrem Mäzenatentum sicher den nachhaltigsten und kostenintensivsten Aspekt dar. In einem dritten und letzten Abschnitt geht von Miller detailliert auf die einzelnen Projekte ein. Zur Illustration greift sie auf Fotos aus Interieur- und Kunstzeitschriften der Zeit zurück, ergänzt durch eigene Aufnahmen, Fotos aus Familienbesitz und Muster für Teppich- oder Stoffentwürfe. Grundbucheintragungen und Stoffproben wurden herangezogen und so kann von Miller in Einzelfällen Umdatierungen oder Farbkorrekturen im Vergleich zur bisherigen Forschung vornehmen (74 f.).
Von Miller vermittelt dem Leser einen Eindruck des Entstehens und Umfangs der Sammlung der Sonja Knips. Zur eingangs gestellten Frage nach der Persönlichkeit der Knips und ihrem Beitrag zum kulturellen und sozialen Leben bleiben jedoch Fragen offen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass von Miller dem Leser keinen umfassenden kritischen Einblick in das Quellenmaterial bietet. Welche Ansichten vertrat Sonja Knips? Und waren diese vor dem gesellschaftlichen Kontext üblich? Wie äußerte sie sich im Tagebuch zu für die Wiener Werkstätte relevanten Personen? In einem Nebensatz erfährt der Leser, dass das Tagebuch wie ein Kalender geführt wurde (90). Zwei Fotos, die dem Leser aus dem bislang unveröffentlichten Buch gezeigt werden, bieten jedoch ein unterschiedliches Bild: Während das Erste die oben erwähnten Kalendernotizen zeigt, scheint das Zweite nach dem Bau der Villa in der Nusswaldgasse als Botschaft für die Nachwelt verfasst worden zu sein: Den längeren Bericht versah Sonja Knips sogar mit einer eigenen Überschrift. Die Fotos aus zeitgenössischen Interieurzeitschriften schließlich werfen die Frage auf, wie es zu beurteilen ist, dass Sonja Knips die Abbildung ihrer eigenen Wohnräume in Zeitschriften, zum Teil sogar unter Angabe ihres Namens, billigte oder sogar förderte?
Bei der Beurteilung der Aktivitäten der Sammlerin wäre eine Einordnung ihrer Position und ihrer Tätigkeiten in den gesellschaftlichen Kontext der Zeit sinnvoll gewesen: So stellt sich die Frage, wie finanzkräftig der ihren Anschaffungswünschen zunächst meist ablehnend gegenüberstehende Anton Knips (85) war, auch im Vergleich zu anderen Auftraggebern, und wie daher der Kostenaufwand für den Bau der Villa Knips einzuschätzen ist. Welche Folgen hatte es ferner für eine Frau in Wien um 1900, wenn sie ihren Urlaub ohne ihren Mann auf einem Landsitz verbringt oder gar die eheliche Wohnung verlässt, um, ebenso ohne ihren Mann, eine Villa zu bewohnen? Von Miller bewertet die Lebensweise der Knips als "avantgardistisch", definiert jedoch nicht, was dies für eine Frau im Wien der Jahrhundertwende bedeutete. [2]
Mit der Sammlerin befasste sich von Miller bereits in einem 2001 in der Zeitschrift Belvedere erschienenen Artikel. [3] Er geht ausführlich auf das von Klimt geschaffene Porträt der Knips ein und enthält mit geringen Abweichungen die Informationen, die die hier besprochene Publikation in diesem Zusammenhang anführt. In der jüngsten Publikation werden die Arbeiten der Wiener Werkstätte und Josef Hoffmanns hinzugenommen, das Bild von der Sammlung Knips durch diese Komponenten vervollständigt und mit biografischen Details ergänzt. Hierzu wurde der Öffentlichkeit bislang nicht zugängliches Material verwendet und in Einzelfragen Korrekturen in Farb- oder Datierungsfragen vorgenommen. Die ausführliche und detaillierte Darstellung des Umfangs der mäzenatischen Tätigkeit der Knips, die anscheinend den Mittelpunkt ihres Lebens bildete, zählt sicher zu den Vorzügen des Buches. Ebenso ist die gute Qualität des Abbildungsmaterials hervorzuheben, das zum Teil erstmalig aus dem Besitz der Familie der Sammlerin veröffentlicht wurde. So ist die Publikation eine ästhetisch ansprechende Dokumentation der Sammlungstätigkeit der Sonja Knips, die jedoch aus der Literatur zur Gesellschaft und zur Stellung der Frau in Wien um 1900 zu wenig Nutzen zieht.
Anmerkungen:
[1] Tobias G. Natter / Gerbert Frodl (Hrsg.): Klimt und die Frauen, Wien / Köln 2000.
[2] Heindl spricht z. B. von einer "Avantgarde der Frauenbewegung", die die Frau als gleichberechtigtes Wesen an die Seite des Mannes setzen wollte. Waltraud Heindl: Frauenbild und Frauenbildung in der Wiener Moderne, in: Lisa Fischer / Emil Brix: Die Frauen der Wiener Moderne, Wien / München 1997, 21-33, hier 28.
[3] Manu von Miller: "Symphonie in Rosa". Das Bildnis Sonja Knips, in: Belvedere 1 (2001), 48-59.
Claudia Postel