Michael Maas (ed.): The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge: Cambridge University Press 2005, xxvii + 626 S., 10 color plates, 30 b/w plates, 9 fig., 16 maps, ISBN 978-0-521-52071-3, GBP 19,99
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Seit einigen Jahren steht das Zeitalter Justinians im Fokus der modernen Forschung, die während der letzten Jahre einige wertvolle Studien und Gesamtdarstellungen zu diesem Thema hervorgebracht hat. [1] Im Rahmen dieses Interesses darf man auch den vorliegenden umfangreichen Sammelband betrachten.
Der Band gliedert sich in vier Hauptteile aus insgesamt 20 Aufsätzen, eine kurze Bibliografie und das Register (Namen- und Sachregister). Darüber hinaus enthält das Buch ein Quellenverzeichnis, einige Landkarten und eine chronologische Tafel zur Regierung Justinians.
Dieser Sammelband wurde als Einführung zum Zeitalter Justinians konzipiert. Es handelt sich jedoch weniger um die Beantwortung der Frage danach, ob Justinian den Anfang oder das Ende einer historischen Epoche markiert, als vielmehr um einen Versuch, die Grundzüge der historischen Periode selbst zu bestimmen (4-5). Die Fragestellung bezieht sich somit darauf, wie Justinian auf die brennenden Probleme seiner Zeit reagierte und welche Antworten er angesichts der Aufgaben und Herausforderungen, die die Gegenwart ihm stellte, fand. Dementsprechend versuchen zwanzig verschiedene Verfasser die wichtigsten politischen, sozialen, ökonomischen, militärischen, religiösen und kulturellen Aspekte dieses Zeitalters darzustellen und zu beurteilen.
Der erste Teil ("Structures and Ideologies of Empire", 3-212) besteht aus 8 Kapiteln, deren erstes (vom Herausgeber M. Maas: " Roman Questions, Byzantine Answers: Contours of the Age of Justinian", 3-27) ein allgemeines Bild der Epoche entwirft und zugleich eine Einleitung zum ganzen Band bildet. Im zweiten Kapitel (J. F. Haldon, "Economy and Administration: How Did the Empire Work?") findet sich eine gute und klare Analyse der Reichsverwaltung und Ökonomie Ostroms im 6. Jahrhundert (mit einem guten Schema der Verwaltungsstruktur, 42f., 46f.). Die anschließenden zwei Kapitel (B. Croke, "Justinian's Constantinople", 60-86, und 4. K. G. Holum, "The Classical City in the Sixth Century: Survival and Transformation", 87-112) befassen sich mit der Situation der Städte im Osten. Im fünften Kapitel behandelt A.D. Lee das byzantinische Militärwesen (" The Empire at War", 113-133). Es geht hier nicht um die Schilderungen der einzelnen Kriegshandlungen, sondern um die Darstellung der Struktur der byzantinischen Armee, der militärischen Infrastruktur und der Effektivität der Armee. Fragen nach der Taktik werden hingegen nur marginal berührt. P. Horden ("Mediterranean Plague in the Age of Justinian", 134-161) bespricht die größte Naturkatastrophe der Herrschaft Justinians, nämlich die große Pest von 541/542. Horden stellt zuerst verschiedene Identifikationsversuche dar und kommt zum Schluss, dass man diese epidemische Krankheit nicht mit Sicherheit identifizieren kann (152). Daraufhin werden nur kurz die Wirkungen der Pest bestimmt. Diese Ausführungen sind nicht völlig befriedigend, denn die jüngere Forschung findet hier wenig Beachtung. [2] Die mangelnde Aktualität des in diesem Kapitel gebotenen Forschungsstandes ist somit kritisch zu beurteilen. Das folgende Kapitel ("Law and Legal Practice in the Age of Justinian", 161-184) ist der Reform des Rechtswesens und dem Corpus Iuris Civilis gewidmet. Im anschließenden Kapitel ("Justinianic Ideology and the Power of the Past", 185-212) stellt Ch. Pazdernik das herrschaftliche Selbstverständnis Justinians dar. Er betont dabei Justinians Bestreben, alle Neuerungen als eine Wiederkehr der alten, traditionellen Werte und als Wiederherstellung der alten Ordnung erscheinen zu lassen (186). Die in der jüngeren Forschung wieder diskutierte Frage nach der Bedeutung des Renovatio-Gedankens für die Politik Justinians wird dabei hingegen nicht aufgegriffen. [3] Pazdernik deutet das Herrschaftsverständnis Justinians vor dem Hintergrund des damaligen politischen Diskurses, beachtet aber weder die mystischen Aspekte des Kaiserideals noch die deutliche Sakralisierung der Person des Kaisers in den letzten Jahren seiner Herrschaft. Was Justinians Selbstverständnis anbelangt, sollte man Nachdruck auf die persönliche Religiosität des Kaisers legen. Gerade aus diesem religiösen Empfinden resultierte das singuläre, religiös geprägte Selbstverständnis Justinians, das in vielen Fällen als ein Schlüssel zum Verständnis der kaiserlichen Politik bestimmt werden kann. [4]
Der zweite Teil ("Religion and Philosophy", 215-342) ist vor allem der Kirchenpolitik und verschieden dogmatischen Strömungen des Christentums im 6. Jahrhundert gewidmet. P. T. R. Gray ("The Legacy of Chalcedon: Christological Problems and Their Significance", 215-239) behandelt die theologischen Streitigkeiten im Christentum des 5. und 6. Jahrhunderts und die Grundzüge der Kirchenpolitik Justinians. L. van Rompay ("Society and Community in Christian East", 239-266) stellt die gesellschaftlichen Folgen des Konzils von Chalkedon dar. Aus den theologischen Streitigkeiten resultierten insbesondere tiefe soziale Antagonismen. Nicht besonders klar und erschöpfend wird aber die wichtige Frage danach beantwortet, in welchem Maße die mangelnde religiöse Einheit und die Spannungen zwischen den einzelnen Glaubensrichtungen zur Schwächung der Struktur des Reiches beigetragen haben. Das folgende Kapitel von C. Sotinel ("Emperors and Popes in the Sixth Century: The Western View", 267-290) ist den Beziehungen zwischen den oströmischen Kaisern und den Päpsten gewidmet. Sotinel beobachtet, wie die Wege des West- und Ostchristentums allmählich auseinander gingen, und sieht in den Problemen und Konflikten, die aus der Kirchenpolitik Justinians resultierten, die Vorzeichen der künftigen Kirchenspaltung (287). Im zwölften Kapitel ("Christian Piety and Practice in the Sixth Century", 291-315) behandelt D. Krueger die Formen der christlichen Frömmigkeit und die Neuerungen in der Liturgie, die im 6. Jahrhundert erschienen. Das letzte Kapitel in diesem Abschnitt (Ch. Wildberg, "Philosophy in the Age of Justinian", 316-340) befasst sich mit der Philosophie. Hier findet sich ein Überblick sowohl über die wichtigsten Philosophen der Zeit als auch über die wichtigsten philosophischen Themen, die damals zur Debatte standen. Mit Recht wird hervorgehoben, dass Elemente der Philosophie weiterhin eine wichtige Rolle in der Bildung der christlichen intellektuellen Eliten spielten (334f.). Ein Abschnitt ist auch der Schließung der Akademie in Athen 529 gewidmet. [5]
Der dritte Teil ("Literature and the Arts", 343-397) enthält nur zwei Kapitel. Das Erste behandelt die Kunst (J. D. Alchermes, "Art and Architecture in the Age of Justinian", 343-375), das Zweite die Literatur ("C. Rapp, Literary Culture under Justinian", 376-397). Besonders negativ muss dasjenige von Rapp beurteilt werden. Es ist wenig informativ, in den meisten Handbüchern zu Justinian findet man mehr Informationen. Rapp beschränkt sich auf einige Hinweise zu den wichtigsten griechischen und lateinischen Autoren. Das Kapitel zur Literatur spiegelt nicht den neuesten Forschungsstand wieder, und vor allem begeht Rapp einen Fehler, wenn sie feststellt, die Romana des Iordanes seien verloren: "Jordanes, who wrote his Roman History (Romana, now lost)" (390)! Ein solcher Kardinalfehler darf in einem so ernsthaften und anspruchsvollen Buch nicht begangen werden, und sollte vom Herausgeber korrigiert werden.
Der vierte Teil ("Peoples and Communities", 401-533) besteht aus fünf Kapiteln, die den Juden im Oströmischen Reich (N. De Lange, "Jews in the Age of Justinian", 401-426), der Stellung der Frau (L. Brubaker, "The Age of Justinian: Gender and Society", 427-476), den politischen Beziehungen zwischen Byzanz und den barbarischen Königreichen im Westen (W. Pohl, "Justinian and the Barbarian Kingdoms", 448-476), den römisch-persischen Beziehungen (G. Greatrex, "Byzantium and the East in the Sixth Century", 477-509) und den Anfängen des Islam (F. M Donner, "The Background to Islam", 510-534) gewidmet sind. Dies ist wohl der beste Teil des Buches. Insbesondere die Kapitel von Pohl, Greatrex und Donner sind sehr informativ und stellen klar und sachlich die Schlüsselprobleme der oströmischen Außenpolitik, die geopolitischen Bedingungen dieser Politik und die Wirkungen der Siege im Westen und der Niederlagen im Osten dar.
Es ist schwierig, diesen Sammelband eindeutig zu beurteilen. Das Buch bietet keine ausführliche chronologische Beschreibung der Ereignisse, wie viele andere Gesamtdarstellungen zu Justinian. Es bildet keine Geschichte der Herrschaft Justinians, die großen Kriege oder der Nika-Aufstand werden nicht systematisch geschildert. Stattdessen gibt es eine systematische Darstellung der wichtigsten Aspekte dieser Herrschaft. Dies bietet einen guten Einblick in das Wesen der einzelnen Probleme und veranschaulicht die prägenden Phänomene der Epoche und ihre Zusammenhänge. Die thematisch gegliederte Darstellung bildet somit die größte Stärke dieses Buches. Es ist ein sehr sinnvolles Konzept, dass fast in jedem Kapitel nicht nur systematisch die jeweilige Problematik behandelt wird, sondern es auch einen Rückblick und Ausblick gibt, was erlaubt, die einzelnen Fragen richtig zu verstehen und aus der richtigen historischen Perspektive zu beobachten. Ohne Zweifel haben wir es mit einem Buch zu tun, das als eine kohärente Gesamtdarstellung betrachtet werden sollte, und nicht als ein Band mit zwanzig verschiedenen Aufsätzen. Im Ganzen bildet es eine sehr nützliche Einführung zum Zeitalter Justinians. Diese Aufgabe erfüllen im Prinzip die meisten Aufsätze. Das Niveau der einzelnen Kapitel ist jedoch leider ungleich. Sehr informativ und wertvoll sind diejenigen von Pohl, Greatrex, Donner, Haldon, Croke, Holum, Lee, Sotinel, die weit über die Grenzen einer bloßen Einführung zur jeweiligen Problematik hinausgehen. Daneben gibt es jedoch die Fehler in den Ausführungen von Rapp zur Literatur, was in einem wissenschaftlichen Handbuch nicht akzeptabel ist. Die neuere Forschung, insbesondere die deutsche, ist oft unberücksichtigt geblieben, sodass das vorliegende Buch nicht in jedem Fall auf dem neusten Forschungsstand ist. Für eine Einführung zur Epoche wären die Hinweise auf die wichtigste einschlägige Literatur wünschenswert, aber im Literaturverzeichnis fehlen viele ältere und neuere Bücher und Aufsätze. Die Tendenz der englischsprachigen Forschung, Arbeiten, die nicht auf Englisch geschrieben werden, nicht zu berücksichtigen, ist nachdrücklich zu kritisieren, weil sie sich gegen das Wesen der Wissenschaft richtet. Die genannten Schwächen setzen den wissenschaftlichen Rang des ganzen Buches leider herab. Insgesamt darf man jedoch davon ausgehen, dass das Buch einen guten Zugang zu den einzelnen Aspekten der Herrschaft Justinians bietet, es ersetzt aber keineswegs die bisherigen Gesamtdarstellungen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. J. Moorhead: Justinian, London 1994; B. Rubin: Das Zeitalter Justinians, Bd. 2, aus dem Nachlass hrsg. von C. Capizzi, Berlin 1995; J. S. Evans: The Age of Justinian, London / New York 1996; G. Gauthier: Justinien. La rêve impérial, Paris 1998; P. Maraval: L'empereur Justinen, Paris 1999; O. Mazal: Justinian I. und seine Zeit, Köln 2001; M. Meier: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen 2003; M. Meier: Justinian. Herrschaft, Reich und Religion, München 2004.
[2] Wenig berücksichtigt wird besonders Meier, Das andere Zeitalter Justinians (wie Anm. 1).
[3] Zu dieser Diskussion vgl. etwa D. Brodka, Rezension zu Meier, Das andere Zeitalter Justinians (wie Anm. 1), in: Terminus 6, 2004, 144ff.
[4] Dazu vgl. jüngst Meier, Das andere Zeitalter Justinians (wie Anm. 1), 183.
[5] Dazu jüngst U. Hartmann, Geist im Exil. Römische Philosophen am Hof der Sassaniden, in: M. Schuol/U. Hartmann/A. Luther (Hgg.), Grenzüberschreitungen. Formen des Kontakts zwischen Orient und Okzident im Altertum, Stuttgart 2002, 123-160.
Dariusz Brodka