Frank Engehausen: Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden 1806-1918 (= Regionalgeschichte - fundiert und kompakt), Karlsruhe: G. Braun 2005, 208 S., 22 Abb., ISBN 978-3-7650-8328-0, EUR 12,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Maria Schimke (Bearb.): Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten. Band 8: Regierungsakten des Kurfürstentums und Großherzogtums Baden 1803-1815, München: Oldenbourg 2012
Hans-Peter Becht: Badischer Parlamentarismus 1819 bis 1870. Ein deutsches Parlament zwischen Reform und Revolution, Düsseldorf: Droste 2009
Die politische Geschichte des Großherzogtums Baden im 19. Jahrhundert galt und gilt als die Entwicklung eines liberalen Musterstaates. Zahlreiche Monografien und Aufsätze sind ihr mittlerweile gewidmet, eine systematische Zusammenfassung erfolgte zuletzt im 1992 erschienenen dritten Band des von Hansmartin Schwarzmaier herausgegebenen Handbuchs der baden-württembergischen Geschichte. Wer als Einsteiger in die Thematik einen schnelleren und vor allem einfacheren Zugang sucht, ist mit dem anzuzeigenden Buch aus der Feder von Frank Engehausen an der richtigen Stelle.
Zusammengefasst auf 200 Seiten findet sich hier im buchhändlerischen Kleinformat die Geschichte Badens, beginnend mit dem Aufstieg der unbedeutenden Markgrafschaft zum Großherzogtum bis zu dessen Ende infolge der Ausrufung der Republik Baden im Jahr 1918. Engehausen beschreibt die Formierung des fragilen Staatsgebildes durch Napoleon und die damit verbundenen inneren Reformen zum Ausbau eines modernen Staates. Auch wenn der starke napoleonische Druck auf Baden hierbei etwas zu kurz kommt, so wertet der Autor den Erlass der modernen Verfassung 1818 richtigerweise als Zugeständnis an die zusammengewürfelte Bevölkerung, die dadurch zu einem Staatsvolk zusammengeschweißt werden sollte. Die Verfassungskämpfe in den folgenden Jahrzehnten werden souverän und kenntnisreich beschrieben, ebenso die Vorreiter- und Sonderrolle Badens während der Revolution von 1848/49.
Die Reaktion unter preußischer Vorherrschaft sowie der Beginn der "Neuen Ära", die zahlreiche Reformen in Verwaltung, Justiz und Kirche mit sich bringt, setzen die Schilderungen fort. Großen Einfluss auf die neuerliche liberale Wende 1860 kam dabei Großherzog Friedrich I. zu. Er hatte bis über die Jahrhundertwende hinaus eine bestimmende Rolle und diente mehr und mehr als gesamtbadische Integrationsfigur, was jedoch nur am Rande Erwähnung findet. Größeres Gewicht legt Engehausen hingegen dem seit den 1860er-Jahren schwelenden Kirchenkonflikt bei, der letztlich zu einer weiteren Säkularisierung der Gesellschaft, aber auch zu einer Neuformierung des Parteiensystems führte. Hieraus resultierte um die Jahrhundertwende die so genannte "Großblockpolitik" - ein im Reich einzigartiges Bündnis von Nationalliberalen und den bis dato verfemten Sozialdemokraten, das sich gegen die katholische Zentrumspartei richtete. Alle Parteien fanden in der Burgfriedenspolitik während des Ersten Weltkriegs zusammen, an dessen Ausgang das Ende der Monarchie stand - allerdings, wie Engehausen zu Recht feststellt, nicht aus innerbadischen Gründen, sondern "unter dem überwältigenden Einfluss der Revolution im Reich" (203).
Obwohl der Titel "Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden" zugegebenermaßen einen bescheidenen Anspruch stellt, so wird dieser, was die politische Entwicklung Badens anbetrifft, übertroffen. Die Ausführungen Engehausens sind teilweise recht ausführlich, kenntnisreich allemal. Sie verdichten sich allerdings zu sehr zu einer Geschichte von Parlament und Regierung. Der Autor konstatiert zwar mit Hinweis auf den eng gesteckten Rahmen der Reihe die Schwerpunktsetzung auf der Politik; dennoch hätten zentrale soziale und wirtschaftliche Entwicklungen wie Agrarreformen, Industrialisierung oder Bevölkerungsexplosion zumindest Erwähnung verdient. Den Wert des Buches als Einstiegslektüre hätten ein Anmerkungsapparat und ein umfassenderes Literaturverzeichnis gesteigert; doch dies entsprach nicht den Vorgaben des Verlags und ist dem Autor nicht anzulasten. Dennoch überwiegt der positive Eindruck, weshalb dem Werk gute Aufnahme zu wünschen ist.
Harald Stockert