Rezension über:

Susanna Schrafstetter / Stephen Twigge: Avoiding Armageddon. Europe, the United States, and the Struggle for Nuclear Nonproliferation, 1945-1970, Westport, CT: Praeger Publishers 2004, 244 S., ISBN 978-0-275-97599-9, USD 69,95
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Rezension von:
Matthias Peter
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Peter: Rezension von: Susanna Schrafstetter / Stephen Twigge: Avoiding Armageddon. Europe, the United States, and the Struggle for Nuclear Nonproliferation, 1945-1970, Westport, CT: Praeger Publishers 2004, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 5 [15.05.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/05/7250.html


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Susanna Schrafstetter / Stephen Twigge: Avoiding Armageddon

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Am Anfang war die Atombombe. Mit dem Eintritt ins Nuklearzeitalter durch den Abwurf zweier Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 stellte sich die Frage nach der Ausgestaltung eines internationalen Sicherheitssystems nach dem Zweiten Weltkrieg auf geradezu dramatische Weise völlig neu. Mit der Entwicklung nuklearer Waffensysteme begann zugleich die Suche nach den Möglichkeiten ihrer Begrenzung und Kontrolle. Nukleares Machtstreben einerseits und das Verlangen nach atomarer Abrüstung bzw. Rüstungskontrolle andererseits bildeten zwei Seiten derselben Medaille, untrennbar voneinander und zeitlich parallel verlaufend. Der Einsatz amerikanischer Atombomben in Japan ist denn auch der Ausgangspunkt des Buches von Susanna Schrafstetter und Stephen Twigge, das sechzig Jahre nach der bislang einzigen Anwendung von Nuklearwaffen sowie angesichts neuer Proliferationsgefahren besondere Aufmerksamkeit verdient. Die Autoren, ausgewiesene Kenner der komplizierten Materie, legen einen konzisen Längsschnitt vor. Sie spannen den Bogen von den ersten Versuchen zur Errichtung eines nuklearen Kontrollregimes bis zum Abschluss des Atomwaffensperrvertrags 1969 und nehmen dabei die unterschiedlichen Interessen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik sowie der UdSSR in den Blick.

Die Autoren teilen das Ringen um nukleare Abrüstung und Nonproliferation in fünf Phasen ein, die in entsprechenden Kapiteln dargestellt werden. Im Mittelpunkt der ersten Phase, die von 1945 bis 1948 reichte, stand das Bemühen, Nuklearwaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und alles spaltbare Material in die Verfügungsgewalt der Vereinten Nationen zu übergeben. Die hierfür von der Moskauer Außenministerkonferenz im Dezember 1945 vereinbarte Atomenergiekommission (UNAEC) war ein Zeichen für das Bemühen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, ihre Zusammenarbeit auch auf diesem Gebiet in Friedenszeiten fortzusetzen. Wie im Falle der gemeinsamen Verwaltung Deutschlands zeigten sich jedoch rasch die unvereinbaren Gegensätze der Vier Mächte. Während die USA einer Internationalen Atomenergiebehörde entsprechende, an die Möglichkeit von Sanktionen gekoppelte Inspektionsbefugnisse übertragen wollten (Baruch-Plan), forderte Moskau die vorherige Zerstörung existierender Atomwaffen und mithin die Aufgabe des amerikanischen Nuklearmonopols (Gromyko-Plan). Die britische Regierung wiederum beobachtete mit Argwohn, dass Washington keineswegs daran dachte, sein nukleares Wissen mit Großbritannien zu teilen. Die überwiegend von Wissenschaftlern in der UNAEC vorgetragene französische Position schließlich war zu schwach, um die verschiedenen Konzepte unter einen Hut zu bringen.

Das Scheitern des Baruch-Plans im Dezember 1946 und die Auflösung der UNAEC beendeten diese Phase, in deren Folge die USA, die UdSSR und Großbritannien aktiv den Aufbau einer eigenen zivilen und militärischen Atomwirtschaft betrieben. Der erfolgreiche sowjetische Atomversuch 1949 beendete wenig später auch die amerikanische Monopolstellung. Wie die Deutschlandfrage geriet auch die Frage der atomaren Rüstungskontrolle in den Sog des Kalten Krieges. Eine Zerstörung aller Atomwaffen und eine Internationalisierung der zivilen Nukleartechnologie stellten vor dem Hintergrund der militärischen Blockbildung keine Option im sicherheitspolitischen Kalkül der beteiligten Mächte mehr dar. Die Fragen von friedlicher Nutzung der Kernenergie und atomarer Abrüstung wurden getrennt und die Möglichkeiten zur Kontrolle der kommerziellen Nutzung der Atomenergie von amerikanischer Seite ausgelotet. Beispielhaft für diese von 1948 bis 1958 reichende Phase sind Eisenhowers Pläne von 1953 ("Atoms for Peace") und 1955 ("Open Skies"). Beiden Vorschlägen war gemeinsam, dass sie die Frage der vorhandenen Atomwaffen ausklammerten. Damit war der Weg frei für die Bildung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), deren Statuten im Oktober 1956 von 81 Nationen unterzeichnet wurden. Zumindest im kommerziellen Bereich gelang es auf diese Weise, ein wenn auch anfänglich noch bescheidenes Kontrollregime zu errichten.

Im dritten Kapitel ihrer Darstellung wenden sich die Autoren wieder den Bemühungen um nukleare Abrüstung zwischen 1954 und 1963 zu. Um wenigstens in Teilfragen zu einer Einigung zu kommen, strebten die Atommächte nun eine Begrenzung der Atomtests an. Dabei zeigte sich, dass dem nicht nur die bekannten sowjetischen Vorbehalte gegen die fortbestehende amerikanisch-sowjetische Asymmetrie entgegenstanden. Auch die aufstrebenden Atommächte Großbritannien und Frankreich fürchteten, durch ein isoliertes Teststopp-Moratorium davon abgehalten zu werden, in den Club der Nuklearstaaten aufzusteigen. Für die neue Bündnismacht Bundesrepublik wiederum musste es das Ziel sein, eine nukleare Mitsprache im multilateralen Rahmen der NATO zu erreichen. Dies sicherte zum einen, dass im Rahmen von Adenauers Politik der Stärke gegenüber Moskau jeder Abrüstungsschritt an Fortschritte in der Wiedervereinigungsfrage gekoppelt werden konnte. Zum anderen hoffte Bonn, auf diese Weise Einfluss auf den Einsatz von Atomwaffen im Kriegsfall ausüben zu können. In allen Debatten wurde sehr schnell deutlich, dass die Bundesrepublik ungeachtet ihres nichtnuklearen Status, verankert in dem von Adenauer 1954 ausgesprochenen Herstellungsverzicht von ABC-Waffen, eine Schlüsselstellung im Koordinatensystem der internationalen Nuklearpolitik einnahm. So konnte ein Teststopp-Abkommen der verbreiteten Furcht entgegenwirken, die Bundesrepublik könnte entweder im Zusammengehen mit Paris oder aber in einer Neuauflage des Hitler-Stalin-Pakts über den Weg eines Ausgleichs mit Moskau den Besitz eigener Atomwaffen anstreben. Für Bonn wiederum signalisierte das Partielle Teststopp-Abkommen von 1963, das allen Staaten, also auch der DDR, offen stand, dass die beginnende Ära der Entspannung die geltenden Prämissen Bonner Außen- und Deutschlandpolitik infrage stellte.

Dass die Unterschrift Bonns zum eingeschränkten Teststopp-Abkommen nicht zuletzt ein wichtiger Schritt zur nuklearen Kontrolle der Bundesrepublik war, belegen die Autoren auch in ihrem nächsten Kapitel, das die Jahre 1957 bis 1965 in den Mittelpunkt rückt. Die Forderung Bonns nach nuklearer Mitsprache im Rahmen des westlichen Bündnisses blieb weiterhin eine ungelöste Frage. Mit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik gewann das Tauziehen um nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle daher eine neue, multilaterale Dimension, galt es doch, die europäischen NATO-Staaten, insbesondere aber die Bundesrepublik, in die nukleare Verteidigungsstrategie und -organisation des Bündnisses stärker einzubinden. Der amerikanische Vorschlag zur Schaffung einer seegestützten, gemischt bemannten Multilateralen Atomstreitmacht (MLF) sowie der von London vorangetriebene Vorschlag einer landgestützten Atlantischen Atomstreitmacht (ANF) aus bereits bestehenden Nukleareinheiten verfolgten deshalb vor allem das politische Ziel, den Aufbau weiterer nationaler Nukleararsenale in Europa zu verhindern und einer Stärkung der Achse Bonn-Paris entgegenzuwirken. Zwischen den Polen politischer Zweckmäßigkeit und gegenläufigen nuklearen Nationalinteressen hin- und hergerissen, wurden MLF und ANF von den beteiligten NATO-Staaten dilatorisch behandelt und verschwanden schließlich von der politischen Tagesordnung. Nur Bonn stand uneingeschränkt hinter der MLF, wenngleich auch dieses Thema in die Auseinandersetzung zwischen "Atlantikern" und "Gaullisten" geriet.

Das Scheitern von MLF/ANF bedeutete gleichzeitig das Ende der Bemühungen, die Frage der nuklearen Teilhabe im Bündnis durch die Mitbeteiligung an einer multilateralen Atomstreitmacht zu lösen. In den Mittelpunkt des Interesses rückte fortan der Ausbau des Konsultationsmechanismus innerhalb der NATO in Fragen der atomaren Verteidigung, während die Frage der Nonproliferation auf dem Wege eines Nichtverbreitungsvertrages (NVV) gelöst werden sollte. Dieser Zusammenhang steht im Zentrum des fünften, die Jahre 1964 bis 1969 umspannenden Kapitels der Studie. Auch hier betonen Schrafstetter und Twigge, dass der Atomwaffensperrvertrag aus Sicht der drei Atommächte USA, UdSSR und Großbritannien vorrangig der atomaren Nichtverbreitung insbesondere mit Blick auf die Bundesrepublik und damit der Festschreibung des nuklearen Status quo in Europa diente. Dagegen ging es den Nichtkernwaffenstaaten darum, durch die Aufgabe ihrer nuklearen Aspirationen nicht in ihrer Sicherheit oder bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie benachteiligt zu werden. Aus der Sicht Bonns kam der Durchführung der Kontrollen durch EURATOM anstatt durch die IAEO zudem europapolitische Bedeutung zu; eine uneingeschränkte friedliche Nutzung der Kernenergie sollte zudem die Wirtschafts- und Handelsinteressen der Bundesrepublik mit ihrer besonders fortgeschrittenen Nukleartechnologie wahren.

Im Schlusskapitel gehen Schrafstetter und Twigge noch der Wechselwirkung zwischen Erinnerungskultur und nationalem Selbstverständnis einerseits und der jeweiligen Haltung zur nuklearen Abrüstung andererseits nach. Das Kapitel ist das vielleicht spannendste des Buches, erweitern die Autoren hier doch ihren diplomatiegeschichtlichen Ansatz und nehmen erinnerungs- und mentalitätsgeschichtliche Faktoren in den Blick. Wenn sie etwa das Trauma des japanischen Überfalls vom 7. Dezember 1941 und die Angst vor einem "nuklearen Pearl Harbor" als Antriebsmoment amerikanischen nuklearen Sicherheitsdenkens nach 1945 ausmachen, so würde man hierüber gerne mehr lesen. Analog dazu sehen sie für Großbritannien in der Erfahrung des Alleingelassenseins 1940/41 den Ausgangspunkt für das britische Streben nach dem Status einer Atommacht. Frankreich wiederum habe sich gleich in beiden Weltkriegen im Stich gelassen gefühlt und in der Atombombe Mittel und Symbol staatlicher Souveränität gesehen. Gegenüber der Bundesrepublik habe die Erinnerung an die Tradition des deutschen Militarismus die Politik der Atommächte bestimmt, so wie umgekehrt die deutschen Erfahrungen von Versailles und Potsdam den Verdacht Bonner Politiker genährt hätten, die Siegermächte wollten der Bundesrepublik den Status einer gleichberechtigten Macht dauerhaft verwehren. Leider wird dieser Aspekt von den Autoren nicht vertieft, sondern eher thesenhaft dargelegt. Eine empirisch gesättigte Behandlung dieses wichtigen Problemfeldes wäre äußerst wünschenswert.

Die Studie überzeugt durch ihre klare, thesenbezogene Gliederung und eine konzise Darstellung. Ihre Stärke ist weniger die Erschließung unbekannter Quellen als die Sichtung des Forschungsstands. Neues erfährt der Leser gerade in den Kapiteln des Buches, welche die Vierziger- und Fünfzigerjahre behandeln, nicht. Wer aber einen raschen Überblick über die wichtigsten Stationen im Ringen um eine umfassende nukleare Rüstungskontrolle im ersten Vierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg gewinnen will, wird nicht enttäuscht. Die Herangehensweise der Autoren führt aber naturgemäß zu Verkürzungen sowie zur Fokussierung auf die außen- und sicherheitspolitischen Grundlinien der beteiligten Hauptmächte. Ausgeblendet werden die durchaus ernst zu nehmenden Anliegen der kleineren westeuropäischen Bündnispartner und die Herausforderung, die der NVV für die Solidarität und Kohärenz der NATO darstellte. Weder fühlten sich die nichtnuklearen Mitgliedstaaten durch Washington ausreichend konsultiert, noch traf die Zurückhaltung Deutschlands hinsichtlich der Unterzeichnung des Vertrags auf das Verständnis der Verbündeten. So berichtete der deutsche NATO-Botschafter Wilhelm Grewe im September 1968, dass auch die nichtnuklearen Bündnispartner eine weitere vertragliche Bindung der Bundesrepublik als Voraussetzung für die eigene Unterschrift betrachteten. [1] Darüber hinaus gab es auch außereuropäische, regional organisierte Kontrollbestrebungen, wie das Beispiel der Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Lateinamerika 1967 (Vertrag von Tlatelolco) zeigte. Erst durch die Mitwirkung der Nichtkernwaffenstaaten, insbesondere der Gruppe der Blockfreien, und durch die im NVV vereinbarten Überprüfungskonferenzen entwickelte sich mit der Zeit ein umfassendes Nichtverbreitungsregime, das typisch war für eine Zeit multilateraler Diplomatie.

Der thematische und diplomatiegeschichtliche Zuschnitt der Studie sollte ferner nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere Faktoren die Rüstungskontrollpolitik beeinflussten. Das betrifft etwa die Wechselwirkung von atomarer Rüstungskontrolle einerseits und konventioneller Abrüstung andererseits. Dieser Zusammenhang war gerade für die Bundesrepublik als potenzieller Kriegsschauplatz und Nichtnuklearmacht von besonderer Bedeutung und prägte später die Wiener MBFR-Verhandlungen. Hinzu kam eine ökonomische Dimension, wuchs doch angesichts steigender Ausgaben für das nukleare Wettrüsten der Druck, die Kosten für die Stationierung und Ausrüstung der konventionellen Streitkräfte in Europa zu senken. Auch der von den Autoren nur gestreifte Aspekt der Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Nukleartechnologie sollte näher untersucht werden, beispielsweise das in Konkurrenz zu französischer Technologie stehende deutsch-englisch-niederländische Projekt der Urananreicherung mittels der Gasultrazentrifuge. Schließlich verdienen die gesellschaftlichen Einflüsse eine genauere Betrachtung, waren doch die einzelnen Phasen des nuklearen Wettrüstens von Gegenströmungen begleitet, von der Pugwash-Konferenz über gerade in Großbritannien und der Bundesrepublik besonders aktive Anti-Atom-Bewegungen der Fünfziger- und Sechzigerjahre bis zu den Friedensbewegungen der späten Siebziger- und Achtzigerjahre. [2]

Noch ein Wort zu den Quellen. Schrafstetter und Twigge stützen ihre Darstellung auf amtliches Aktenmaterial, vor allem aus den National Archives London (dem ehemaligen Public Record Office), daneben auch aus amerikanischen und deutschen Archiven. Ferner greifen sie hinsichtlich der deutschen Nichtverbreitungspolitik auf die Edition der Akten zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland zurück. Leider werten sie die zahlreichen im Rahmen dieser Aktenedition deklassifizierten Dokumente, die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts für die Zeit bis Mitte der Siebzigerjahre zugänglich sind und eine differenzierte Darlegung der Bonner NV-Politik ermöglichen, nicht aus. So unterbleibt denn auch eine genauere Betrachtung etwa der Gespräche mit Washington über Nachbesserungen bzw. Interpretationen zum Vertragstext. Ferner wäre deutlich geworden, dass sich das innenpolitische Ringen um den Atomwaffensperrvertrag, das die Autoren vor allem als parteipolitischen Dissens herausarbeiten, auch in den unterschiedlichen Positionen innerhalb des Auswärtigen Amts spiegelte, vertreten etwa durch Staatssekretär Georg Ferdinand Duckwitz einerseits und den Abrüstungsbeauftragten der Bundesregierung, Swidbert Schnippenkötter, andererseits.

Welche Bilanz lässt sich nun aus der Darstellung von Schrafstetter und Twigge ziehen? Den begrenzten Maßnahmen zur atomaren Rüstungskontrolle stand die sich parallel vollziehende quantitative und qualitative Aufrüstung des nuklearen Waffenarsenals in West wie Ost gegenüber. Am Ende wird deutlich, dass die Bemühungen um eine vertragliche Fixierung der nuklearen Abrüstung bzw. Nichtverbreitung seit 1945 dem bekannten Muster des Ost-West-Konflikts folgten. Zugleich waren sie ein Spiegel alliierter Deutschlandpolitik, zusätzlich gespeist von einer verzerrten Wahrnehmung der eigenen Vergangenheit wie eines stereotypen Deutschlandbildes. Mit Inkrafttreten des NVV 1970 wurde aber darüber hinaus ein Nichtverbreitungsregime etabliert, das auf der ersten Überprüfungskonferenz 1975 kontrovers diskutiert, aber noch nicht in Zweifel gezogen wurde. [3] Der Export deutscher Nuklearanlagen nach Brasilien Mitte der Siebzigerjahre lieferte erneut Zündstoff in der Debatte um die Haltung der Bundesrepublik in der Proliferationsfrage. Hinsichtlich weiterer Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung rückten abermals die beiden Supermächte und die Begrenzung ihres strategischen Nuklearpotenzials in den Verhandlungsmittelpunkt (SALT), ein neuer Vertrag zur Begrenzung von Atomtests wurde geschlossen (1974). In Wien erhielten die Verhandlungen über eine ausgewogene Reduzierung konventioneller Truppen in Europa (MBFR) eine nukleare Komponente. Gleichzeitig konnte mit dem Aufstieg von China, Indien, Israel und Pakistan zu Atommächten der Anspruch auf Nichtverbreitung nicht eingelöst werden. Es ist zu hoffen, dass das vorliegende Buch der anregende Ausgangspunkt für weitere Forschungen zu diesen Fragen wird.


Anmerkungen:

[1] Vgl. Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte. Jahresband 1968, München 1999. Band II, Dok. 283, 1094-1097.

[2] Lawrence S. Wittner: The Struggle against the Bomb. Vol. 1: One World or None. A History of the World Nuclear Disarmament Movement Through 1953. Vol. 2: Resisting the Bomb. A History of the World Nuclear Disarmament Movement, 1954-1970. Vol. 3: Toward Nuclear Abolition. A History of the World Nuclear Disarmament Movement, 1971 to the Present, Stanford 1993, 1997 und 2003.

[3] Vgl. dazu den Bericht des Delegationsleiters der Bundesrepublik bei der Genfer Abrüstungskonferenz, Botschafter Schlaich, vom 3.6.1975, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte. Jahresband 1975, München 2006. Band I, Dok. 146, 668-676.

Matthias Peter