Keith Hamilton / Patrick Salmon / Stephen Twigge (eds.): Berlin in the Cold War, 1948-1990 (= Documents on British Policy Overseas. Series III; Vol. VI), London / New York: Routledge 2009, VIII + 119 S., ISBN 978-0-415-44870-3, EUR 67,50
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Berlin stand im Zentrum des Kalten Krieges. Hier trafen die beiden Militärblöcke des Warschauer Pakts und der NATO unmittelbar aufeinander. Hier verlief die unsichtbare Frontlinie im Krieg der östlichen und westlichen Geheimdienste. Zugleich symbolisierte die geteilte Stadt wie kein anderer Ort die Spaltung des europäischen Kontinents und die Bipolarität des internationalen Staatensystems zwischen 1947/48 und 1989/90. Dennoch blieb die Stadt als ehemalige Hauptstadt des 'Dritten Reiches' formell in der gemeinsamen Verantwortung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, sodass Amerikaner, Briten und Franzosen selbst während der Krisenzeiten des Ost-Westkonflikts auf Rudimente politischer Zusammenarbeit mit der Sowjetunion angewiesen waren.
Diese Gemengelage bildet den historischen Kontext der Quellensammlung über Berlin im Kalten Krieg, den das britische Außenministerium im Rahmen seiner Reihe "Documents on British Policy Overseas" jüngst herausgegeben hat. Der Band versammelt insgesamt 509 Botschafterberichte, Strategiepapiere und Situationsanalysen aus fünf Jahrzehnten britischer Berlinpolitik im Kalten Krieg. Dabei geben die gedruckt vorliegenden Teile der Edition lediglich Hilfsmittel zum Verständnis der Quellen an die Hand: eine nützliche Liste der verwendeten Abkürzungen, ein Personenverzeichnis mit den Funktionen der erwähnten Akteure sowie drei kurze Kapitel, in denen der politische Rahmen der alliierten Präsenz in Berlin knapp, aber konzise erläutert und auf einschlägige Dokumente im Anhang verwiesen wird. Die Dokumente selbst sind auf einer beigefügten DVD als PDF-Dateien versammelt. Diese Editionsweise reduziert nicht nur die Kosten. Sie ermöglicht auch eine bequeme Suche mit Schlagworten und bringt den Nutzer in den Genuss, mit originalgetreuen Kopien der Aktenstücke anstatt mit transkribierten Dokumenten zu arbeiten.
Hinsichtlich des Inhalts und der zeitlichen Reichweite führt der Titel allerdings in die Irre. Denn der Band deckt keineswegs den gesamten Zeitraum zwischen 1948 und 1990 ab, sondern konzentriert sich - unter den Stichworten "Berlin Isolated", "Berlin Divided" und "Berlin Reunited" - auf die drei wichtigsten Krisen um Berlin während der sowjetischen Blockade 1948/1949, in der zweiten Berlin-Krise nach dem Chruschtschow-Ultimatum bis zum Mauerbau zwischen April 1959 und August 1961 sowie im Zuge des Zusammenbruchs der DDR vom Januar 1988 bis Oktober 1990. Diese Beschränkung erlaubt zwar eine vergleichsweise dichte Dokumentierung dreier zweifellos zentraler Phasen der Geschichte Berlins in der Weltpolitik nach 1945. Sie hat aber den Nachteil, dass andere wichtige Zeitabschnitte (etwa rund um die Verhandlungen zum Vier-Mächte-Abkommen 1971) unberücksichtigt bleiben und längerfristige Entwicklungen (beispielsweise die britische Haltung zur Bundespräsenz in Berlin) nur bruchstückhaft nachvollzogen werden können. Trotzdem sind insbesondere die Dokumente des letzten Zeitabschnitts um die deutsche Wiedervereinigung für die Zeitgeschichtsforschung ausgesprochen wertvoll. Denn sie fallen noch unter die in Großbritannien geltende dreißigjährige Sperrfrist für Regierungsakten und wären der Öffentlichkeit ohne die vorliegende Dokumentation für weitere zehn Jahre verschlossen geblieben.
Dass die Dreißigjahresregel für diese Akten außer Kraft gesetzt wurde, verdanken wir einer größer angelegten Publikationsaktion des britischen Außenministeriums mit Blick auf die Zwanzigjahrfeiern zur Wende in der DDR und zur deutschen Einheit. In derselben Reihe erschien, von denselben Historikern aus der Geschichtsabteilung des Foreign Office betreut, fast zeitgleich ein Band mit insgesamt 244 Dokumenten zur deutschen Wiedervereinigung. Beide Publikationen dienen unverkennbar dem Nachweis, dass nicht die gesamte außenpolitische Elite Großbritanniens 1989/90 wie die Regierungschefin Margaret Thatcher dachte, die sich lange Zeit hartleibig gegen den Trend zur Vereinigung der zwei deutschen Staaten stemmte. Tatsächlich verdeutlicht der Band über Berlin im Kalten Krieg (ganz ähnlich wie der Band zur Wiedervereinigung), wie sehr die "Eiserne Lady" in ihrer eigenen Regierung isoliert war. Die Berufsdiplomaten rieten dazu, in engem Einvernehmen mit der Bundesregierung nach konstruktiven Lösungen zu suchen und auf die Verlässlichkeit des demokratischen Wandels der Nachkriegsdeutschen zu vertrauen - schon deshalb, weil Großbritannien andernfalls nicht nur in Europa, sondern auch gegenüber den USA dramatisch an Einfluss verlieren werde.
Insgesamt bildet der von Keith Hamilton, Patrick Salmon und Stephen Twigge mustergültig edierte Band eine unverzichtbare Hilfe für jeden, der sich künftig mit der britischen (und alliierten) Berlin- und Deutschlandpolitik beschäftigt. Die Hoffnung, dass Folgebände die zu beklagenden Lücken bald schließen, wird freilich vorerst wohl nicht erfüllt werden. Die gegenwärtige Sparpolitik der britischen Regierung trifft das Außenministerium besonders hart: In den nächsten vier Jahren soll sein Haushalt um 24 Prozent reduziert werden.
Dominik Geppert