Hal K. Rothman: The New Urban Park. Golden Gate National Recreation Area and Civic Environmentalism (= Development of Western Resources), Lawrence, KS: University Press of Kansas 2004, xi + 258 S., ISBN 978-0-7006-1286-4, GBP 24,95
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Unsere Vorstellung von US-amerikanischen Nationalparks ist bestimmt von den traditionsreichen Aushängeschildern wie Yosemite oder Yellowstone, riesigen Naturreservaten mit geringer oder fast fehlender Besiedelung. Hal K. Rothman widmet sich in seiner Studie dagegen einem anderen Parktypus, genauer gesagt dem ersten größeren urbanen Nationalpark, der seit den frühen Siebzigerjahren in der Ballungszone bei San Francisco angelegt wurde. Der Kontrast zwischen den von bürgerlichen Idealisten des 19. Jahrhunderts entwickelten Nationalparkkonzepten älterer Prägung mit ihrer Überhöhung vorgeblich unberührter Wildnis und den Anforderungen an stadtnahe Schutzgebiete durchzieht sinnigerweise auch die zu besprechende Studie.
Rothman lässt keinen Zweifel an der Bedeutung seines Untersuchungsgegenstandes aufkommen: die Geschichte der Nationalparks könne als Geschichte der amerikanischen Demokratie interpretiert werden und die Golden Gate National Recreational Area liefere das erfolgreiche Vorbild für gute Parkpolitik in Zeiten, da der politische Legitimationsdruck steige. Mit dem Golden Gate sei der Prototyp eines neuen Parks entstanden, der Landschaftsbewahrung und deren Nutzung für Freizeit und Erholung in sinnvoller Weise kombiniere - laut Rothman ein Vorbild für die Zukunft der Parks im 21. Jahrhundert.
Rothmans Parkgeschichte ist in erster Linie eine politische Geschichte der letzten vier Jahrzehnte. Er zeigt, welche politischen Konstellationen zwischen der Mikroebene der Lokalpolitik und der Großen Politik in Washington an der Entstehung und dem Ausbau des Golden Gate-Parksystems beteiligt waren. Sein Augenmerk gilt den Akteuren, dem Schmieden von Allianzen und Abhängigkeitsbeziehungen, dem Überwinden von Widerständen, der Integration von Interessen. Rothman betont, dass die (nationale sowie die lokale) Parkverwaltung dabei an Einfluss und Unabhängigkeit in ihren Entscheidungen verlor. Doch beurteilt er diese Entwicklung positiv als einen Lernprozess, in dem die Administratoren mehr und mehr Rücksicht auf gesellschaftliche Belange nahmen.
Schon in der Gründungsphase war das lokale Engagement von Anwohnern sehr wichtig, zumal im Großraum San Francisco sehr früh Fragen der Lebensqualität große Aufmerksamkeit fanden. So gelang es dem Kongress-Abgeordneten Philip Burton, die Idee des Golden Gate-Parks als Element einer Erholungspolitik für die arbeitende Bevölkerung in einem Bundesgesetz zu verankern. Für Burton ging es in erster Linie darum, durch Erfolge in einem konsensträchtigen Politikfeld lokale Unterstützung für seine künftige politische Karriere zu organisieren.
Die Tatsache, dass die Verwalter der Golden Gate National Recreational Area im Unterschied zu anderen Parkleitungen sensibel auf die Anforderungen lokaler Politik reagieren mussten, lag auch in der simplen Tatsache begründet, dass Nationalparks in den unterentwickelten Regionen als Zentren des Fremdenverkehrs häufig Wohlstandsmaschinen waren, während dies auf den urbanen Kontext nicht zutrifft. Zudem durchziehen das Parkgelände vielfältige administrative und politische Grenzen, sodass die Zahl der politischen "Mitspieler" recht hoch war.
Ähnlich vielfältig waren auch die im Park zusammengefassten Landschaftsteile, an die Bewohner und Behörden unterschiedliche Nutzungsansprüche stellten. Dennoch gelang es der Parkverwaltung bis in die Neunzigerjahre, langfristige Planungsinstrumente zu entwickeln, um der Parkgestaltung eine gewisse Kohärenz zu verleihen. Der Planungsprozess war so gestaltet, dass ein Maximum von Interessen, etwa an der Nutzung eines Strandabschnitts, berücksichtigt werden konnte und mit den Parkzielen abzugleichen war. Hierbei kam es nicht selten auch zu kulturellen Konflikten, etwa zwischen Wanderern und Radfahrern in den Achtzigerjahren (als Mountainbikes aufkamen). Nach langem Zögern und nur auf massiven öffentlichen Druck hin wurde der Park Anfang der Neunzigerjahre für Radfahrer teilweise geöffnet; in diesem Fall konnte der Konflikt aber nicht vollständig bereinigt werden.
Auch die Interpretation der geschützten Landschaftsteile erwies sich als komplizierter, aber zugleich facettenreicher im Vergleich mit herkömmlichen Parks. Dominierte in den Siebzigerjahren die sozialpolitische Zielsetzung eines Erholungsgeländes in der Nähe der Wohnbevölkerung, begann in den Achtzigerjahren die Ausdifferenzierung des Deutungsangebotes. Teilweise aus Geldmangel stützte sich die Parkverwaltung dabei auch auf Partner außerhalb des Parks. Dabei stellte sich heraus, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit sehr verschiedenen Interpretationsversionen antraten. An Stelle einer Meistererzählung amerikanischer Natur und Geschichte entstand in der Folge ein bunter Strauß an Deutungen aus so unterschiedlichen Perspektiven wie der indigenen Bevölkerung, der spanischen Kolonialzeit, der US-Armeepräsenz usf., die alle Spuren im Parkgelände hinterlassen hatten.
Rothman legt eine Studie vor, die das politisch-administrative Geschehen um den Park konsequent in gesellschaftliche Kontexte einordnet und somit die Veränderungen lokaler und regionaler Politik in den letzten drei Jahrzehnten einzufangen versteht. Er liefert damit ein interessantes Beispiel für die Verknüpfung von Geschichte der Umwelt, Geschichte des Umweltschutzes und einer breit verstandenen Sozialgeschichte. Dabei stehen allerdings die spezifischen Besonderheiten der Region um San Francisco im Mittelpunkt, sodass der vom Autor hervorgehobene nationale Vorbildcharakter der Golden Gate Area einer Relativierung bedarf.
Jens Ivo Engels