Ulrich Kober: Eine Karriere im Krieg. Graf Adam von Schwarzenberg und die kurbrandenburgische Politik von 1619 bis 1641 (= Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 24), Berlin: Duncker & Humblot 2004, 429 S., ISBN 978-3-428-11177-0, EUR 86,00
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Dass Georg Wilhelm der schwächste aller Hohenzollernherrscher gewesen sei, war Konsens der wertungsfreudigen, forciert protestantischen kleindeutsch-borussischen Historiographie und hat bis heute keine energischen Widerworte gefunden. Man warf dem Manne vor allem zweierlei vor: dass er sich gern beraten ließ; und am allerliebsten von einem Katholiken, dem Grafen Adam von Schwarzenberg. Es war ein doppelter Skandal, Tiefpunkt einer sonst doch so glorreichen Vergangenheit. Schwarzenberg war der böse Geist des immerhin gutwilligen, doch schwachen Kurfürsten, ein "Verräther", die "Geißel Brandenburgs", zudem "Kundschafter des Wiener Kabinets". [1] Indem man diese Graue Eminenz des Kurhofes pechschwarz malte, bekam auch das Bild des völlig überforderten Regenten noch düsterere Züge, und die Heldenrolle des nachfolgenden "Großen Kurfürsten" hob sich klar ab. So man an den finsteren Zeiten zuvor etwas zum Loben fand, war es die vermeintliche "Militärdiktatur" Schwarzenbergs in seinen letzten, gleichsam den 'innenpolitischen' Jahren, in denen er die bornierten Stände in die Schranken verwiesen und so frühabsolutistischem Fortschritt die Bahn geebnet habe.
Es ist nun nicht so, dass Kober die uralten Mythen schnörkellos zertrümmerte, diese Dekonstruktion stellt sich nebenbei ein. Indem er das professionelle Wirken Schwarzenbergs minutiös nachzeichnet, beschreibt er zwanzig Jahre kurbrandenburgischer Politik. Mehr noch, er lässt keine Verästelung aus, sogar, wenn Schwarzenberg bei diesem und jenem Vorgang einmal nur eine Nebenrolle gespielt hat und seitenlang gleichsam untertaucht. Damit gerät die Monographie in den Wirrwarr einer Politik, die in komplizierten Zeiten (was die schneidige ältere borussische Historiographie mit ihrer Vorliebe für wuchtige Konturen nicht einsehen wollte) kompliziert, gleichsam kleinteilig sein musste. Es ist eine große Stärke der Arbeit, dass sie das nicht zum Vorwurf erhebt, sondern verständlich macht. Wo immer es die Quellen erlauben, geht sie den internen Meinungsbildungsprozessen nach. Wir begegnen Räten, die angesichts der Schwindel erregenden Gefahren wie auch Chancen dieser wendungsreichen Kriegsjahre hin- und hergerissen waren, zwischen Furcht und Vorwärtspreschen, zwischen konfessioneller Solidarität und Staatsräson. Dies war in fast allen anderen Ratsgremien jener Jahre, über deren Debatten Verlaufsprotokolle berichten, ganz ähnlich (die weitgehende Geschlossenheit des Dresdner Geheimen Rats war untypisch) - wir lernen die zeitüblichen Nöte eines größeren Reichsterritoriums in diesen Jahrzehnten kennen. Es ist nicht einfach, den Leser hierbei, über dem unentwegten Hin und Her der Truppenteile und taktischen Winkelzüge, bei der Stange zu halten. Kober macht das Beste daraus: in einer abwechslungsreichen, oft kraftvollen, gelegentlich ironischen, immer erfrischenden Sprache.
Leider lässt die Arbeit am Ende etwas nach. Die letzten fünf Jahre Schwarzenbergs und Georg Wilhelms bleiben eigentümlich unscharf. Hat der Leser bis dahin oft genug bewundert, wie Kober nach facettenreichen Ereignisfolgen immer wieder innehält, einordnet, trefflich bewertet, wird es ihm nach 1635 mit dem Mutmaßen zu viel, und den Autor scheint nun bei seinen Wertungen das Glück verlassen zu haben. Was er zur "Desavouierung" (356) des Kurfürstentags seit 1636 schreibt, stimmt sicher nicht, die Fürsten monierten in den Folgejahrzehnten den Steuerbeschluss dieser Tagung, nicht ihre "Unfähigkeit [...], dem Schwedenproblem auf den Leib zu rücken" - wo reichlich Quellen fließen, sollte man eben dann doch nicht mehr mutmaßen. Warum Georg Wihelm seit 1637 eine größere eigene Armee unterhielt, ob aus außenpolitischer Einsicht, Prestigedenken, gar innenpolitischen Erwägungen, wer ihn darauf brachte und welche Rolle Schwarzenberg hierbei spielte: all das bleibt vage. Von gerade einmal vierzig schwächeren Seiten abgesehen, ist die Studie Kobers aber vorzüglich.
Und der ultramontane Finsterling Schwarzenberg? Kober arbeitet heraus, dass der Graf keine prokatholische, sondern eine überkonfessionelle, an Ratio status und hohenzollerischer Hausräson orientierte Politik propagierte. Ihm ging es nicht um Seelen, er hatte territoriale Expansion und ganz besonders Pommern im Visier. Man kann das fortschrittlich finden oder aber veraltet (da gleichsam 'vorkonfessionell') - auf jeden Fall war es zeituntypisch, was interessante Wahrnehmungsprobleme zur Folge hatte. Dass Schwarzenbergs Maßstäbe von denen der meisten Mitakteure so gravierend divergierten, führte wiederholt zu Fehleinschätzungen, was Kobers aufmerksamem Blick nicht entgangen ist; so wurde der Graf von der katholischen Restitutionskampagne der späten 1620er Jahre schlichtweg überrascht, solcher konfessioneller Eifer erschloss sich seinem Denken so wenig wie den damals ebenfalls überrumpelten Kollegen im Dresdner Geheimen Rat - deren außenpolitischer Kurs für Schwarzenberg offensichtlich das gern kopierte Vorbild abgab. Die anderen brandenburgischen Räte sahen sich seit Kriegsanfang mit einem dezidiert katholischen Expansionswillen konfrontiert, dem nur die konfrontationsbereite Solidarität aller deutscher Protestanten Einhalt gebieten konnte. Mit dem Maß an Rücksicht, die Schwarzenberg auf diese Kollegen nehmen musste, dem Maß ihres Einflusses auf den Kurfürsten changierte die brandenburgische Politik.
Erst seit 1635 kamen sich die Rollen des häufig abwesenden Spitzendiplomaten und des Günstlings nicht mehr in die Quere. Schwarzenberg hatte sich endgültig durchgesetzt, und weil Außenpolitik damit auf Kaisertreue geschrumpft war, konnte der Graf getrost im Lande bleiben. Er hatte in seinen letzten Jahren vor allem darauf zu achten, dass die brandenburgische Armee einigermaßen beaufsichtigt, versorgt, finanziert wurde. Der Zivilist konnte schon einmal wegen der selbstherrlichen Militärs herumpoltern, über die knauserigen Stände lamentieren, aber vor allem wurde er offenbar zwischen diesen Kräften zerrieben. Er musste sich durchlavieren, von Notbehelf zu Notbehelf, ein Getriebener, kein "frühabsolutistischer" Visionär - und das, nachdem doch ein die Ständemacht zerrüttender Dammbruch schon erfolgt war, der aber mit einem anderen Aufsteiger, auf kaiserlicher Seite gleichwohl, zu tun hat: Wallenstein nämlich und dessen Kontributionssystem.
Ein Mythos (?) freilich bleibt unangetastet: Über Georg Wilhelm nämlich weiß Kober nichts Freundliches zu sagen. Verdächtig gesellig sei er gewesen, und er habe meistens das abgesegnet, "was ihm von bestimmten Parteien vorgetragen wurde" (27). War das aber nicht der zeitübliche Regierungsstil? Sitzt Kober hier nicht einem Ressentiment auf, das er ansonsten vorbildlich auszuschalten vermag: dem Brandenburg von 1630 vorzuwerfen, nicht das Preußen seit 1713 oder 1740 zu sein? Ging der kursächsische Nachbar unter seinem vergleichbar zurückhaltenden, hinter Beratern verschwindenden "Bierjörgen" nicht als großer Kriegsgewinnler aus der Auseinandersetzung? Manche der Koberschen Aktenzitate lassen durchaus kurfürstliche Eigenwilligkeit und originelle Formulierungen erkennen. Wie Georg Wilhelm dem mächtigen Gustav Adolf politische Selbständigkeit abtrotzte (und dieser zähe Widerstand war ein ganz persönlicher, durch keine Ratsbeschlüsse bestärkt), kann Respekt abnötigen. Kober hat dem vermeintlichen Finsterling Schwarzenberg ein nuanciertes, vielfarbig schillerndes Porträt gewidmet; ob das Bild seines Herrn pechschwarz bleiben wird, muss vorerst offen bleiben.
Anmerkung:
[1] So die Wertungen bei Gottfried Traugott Gallus: Geschichte der Mark Brandenburg für Freunde historischer Kunde, 2. Aufl., Bd. 4, Züllichau / Freystadt 1801, 1 ff.
Axel Gotthard