Hans Cools / Marika Keblusek / Noldus Badeloch (eds.): Your Humble Servant. Agents in Early Modern Europe, Hilversum: Uitgeverij Verloren 2006, 167 S., ISBN 978-90-6550-908-6, USD 52,50
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Der vorliegende Sammelband mit zehn Beiträgen und einer bilanzierenden Einleitung der Mitherausgeberin Marika Keblusek geht auf eine Tagung zurück, die im Februar 2004 im Königlich Niederländischen Institut in Rom abgehalten wurde und die Teil des größeren Forschungsprojektes "Double Agents: Cultural and Political Brokerage in Early Modern Europe" an der Universität Leiden ist. Die Beiträge des Tagungsbandes widmen sich einem ebenso wichtigen wie definitorisch schwer in den Griff zu bekommenden Phänomen: dem frühneuzeitlichen Agenten.
Damit wird ein Thema berührt, das in der neueren Forschung zu personalen Strukturen in der Frühen Neuzeit verstärkte Aufmerksamkeit gefunden hat. Erinnert sei an dieser Stelle nur an die jüngsten Studien zu den jeweils maßgeblichen Personen im Prozess des frühneuzeitlichen Kulturtransfers oder auch an die einschlägigen Studien von Wolfgang Reinhard, Sharon Kettering oder Antoni Mączak zu frühneuzeitlichen Netzwerken sowie Klientel- und Patronagebeziehungen, in deren Rahmen auch die vielgestaltigen Rollen und Funktionen von Agenten oder Maklern (broker) näher beleuchtet werden. Gleichwohl ist, wie Marika Keblusek einleitend zu Recht hervorhebt, eine systematische und interdisziplinäre Analyse der frühneuzeitlichen Agenten und ihrer Tätigkeit nach wie vor ein Desiderat der Forschung, und auch die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes haben nicht das Ziel, ein lückenloses Bild des facettenreichen Wirkens frühneuzeitlicher Agenten zu liefern. Vielmehr werden Fallstudien präsentiert, die einen Eindruck von der Komplexität dieses Themas vermitteln und auf deren Grundlage weiterführende Forschungen möglich sind.
Zu den Stärken des Bandes zählt zweifellos das breite Spektrum der angegangenen Themen, das es ermöglicht, einen intensiven Eindruck von den mannigfaltigen Rollen, Aufträgen und Diensten der Agenten zu erlangen. Agenten waren Sekretäre, Diplomaten, Geistliche, Händler, Künstler oder auch Bibliothekare, um hier nur einige Berufe zu nennen. Insofern hat es seine Berechtigung, wenn einleitend darauf hingewiesen wird, dass das Wirken des frühneuzeitlichen Agenten eher als Funktion denn als Beruf zu verstehen ist. Dieses Verständnis wird durch die Befunde der einzelnen Aufsätze bestätigt. Kaleidoskopartig werden die verschiedenen Sphären, in denen die Agenten für ihre Patrone wirkten, präsentiert.
Es finden sich Beiträge über Agenten aus dem Kunstmilieu (David Howarth über die Bedeutung von Kunstagenten für die berühmte Arundel-Kunstsammlung, Hans Cools über den Wirtschafts- und Kunstmakler Francesco Feroni, Badeloch Noldus über die Kunstagenten Michel le Blon und Pieter Isaacsz, Brendan Dooley über Don Giovanni de' Medici und Filip Vermeylen über das frühneuzeitliche Antwerpen), aus dem Bereich der Wirtschaft (Hans Cools, Jan Willem Veluwenkamp über den niederländischen Handel 1500-1800) und aus der Welt der Bücher (Marika Keblusek über das frühneuzeitliche Buchwesen); ferner Studien, die im engeren Sinne das politische Wirken von Agenten und ihren Patronen umfassen (Badeloch Noldus, Thomas James Dandelet über Agenten der Familie Colonna in Italien und auf der Iberischen Halbinsel sowie Geert H. Janssen über das Patronagenetzwerk des niederländischen Statthalters Wilhelm Friedrich von Nassau-Diez), sowie eine Untersuchung, die vorrangig dem Problem frühneuzeitlicher Nachrichtenübermittlung gewidmet ist (Heiko Droste über das Beispiel Schweden). Charakteristisch ist hierbei vor allem der Befund, dass die Wirkungskreise der Agenten selten eindeutig einer bestimmten Sphäre zugeordnet werden können. Vielmehr agierten sie oftmals als multifunktionale Organe ihrer Patrone, als Personen, die in unterschiedlichsten Bereichen von Nutzen für ihre jeweiligen Auftraggeber waren.
Zieht man eine erste Bilanz der vorliegenden Einzelstudien und ihrer allgemeinen Aussagekraft für den Typus des frühneuzeitlichen Agenten, dann lassen sich, wie Marika Keblusek einleitend betont, eine Reihe von Charakteristika feststellen, die für weiterführende Forschungen wegweisend sein können. So waren bestimmte Fähigkeiten der Agenten ausschlaggebend dafür, ob sie mit Erfolg tätig waren oder nicht. Hierzu zählten zum Beispiel Organisationstalent, Sprachkenntnisse oder auch die Fähigkeit, ein eigenes Netzwerk an Informanten herauszubilden. Daneben war es von Nöten, bei Bedarf schnell zwischen verschiedenen Funktionen und Aufgaben zu wechseln und Anforderungen zu erfüllen, für welche die Agenten streng genommen oftmals nicht ausgebildet waren. Als Beispiel ließe sich der frühneuzeitliche Diplomat anführen, der sich nicht nur auf dem glatten diplomatischen Parkett behaupten musste, sondern der als Informant auch Auge und Ohr seines Herren und nicht selten auch dafür zuständig war, den Erwerb und die Versendung von Kunstgütern zu organisieren.
Zudem war es eine zentrale Aufgabe der Agenten sicherzustellen, dass in ausreichendem Maße Nachrichten beschafft wurden, die den Bedarf der Auftraggeber an politischen, wirtschaftlichen oder auch künstlerischen Informationen decken konnten. Auf den dafür erforderlichen Aufbau eigener Netzwerke der Agenten wurde bereits hingewiesen. Förderlich war in diesem Kontext zudem der fundamentale Prozess, den man mit Wolfgang Behringer als Kommunikationsrevolution der Frühen Neuzeit bezeichnen kann und der in den Beiträgen von Jan Willem Veluwenkamp und Heiko Droste angemessen gewürdigt wird. Gemeint sind die innovativen Veränderungen des Postwesens, die mittels der Herausbildung eines festen Streckennetzes mit periodischen Postreitern eine neue Grundlage für die Übermittlung von Nachrichten schufen und die daher den Gewinn von Informationen jedweder Art in qualitativer und quantitativer Hinsicht verbesserten.
Es hieße, den Gehalt der im vorliegenden Band enthaltenen Fallstudien zu überfordern, ginge man mit dem Anspruch an ihn heran, letztgültige, generalisierende Aufschlüsse über die sehr heterogene Thematik zu erlangen. Dafür sind die Befunde der einzelnen Beiträge zu speziell, und auch die Einleitung kann diese Aufgabe nur in Ansätzen erfüllen. Vielmehr liegen nunmehr zehn Detailstudien vor, die einzelne, durchweg anschauliche Mosaiksteine in dem größeren Kontext des Leidener Forschungsprojektes darstellen und die zweifelsohne wichtige Impulse für zukünftige Untersuchungen zu frühneuzeitlichen Agenten liefern. Dass der Band, der eine Reihe von jüngeren Historikern zu Wort kommen lässt, illustrative Farbabbildungen sowie aussagekräftige Diagramme und Tabellen enthält und zudem durch ein Personen- und ein Ortsregister leicht zu erschließen ist, verstärkt den insgesamt positiven Eindruck, den man bei der Lektüre gewinnt. Zu hoffen ist, dass sich künftig weitere Studien eingehend mit dem Wirken frühneuzeitlicher Agenten auseinandersetzen, um das Bild dieser Personengruppe weiter zu differenzieren und - wenn möglich - auf breiter empirischer Basis zu typologisierenden Betrachtungen gelangen zu können.
Michael Rohrschneider