Martin Jehne: Die Römische Republik. Von der Gründung bis Caesar (= C.H. Beck Wissen; 2362), München: C.H.Beck 2006, 128 S., 2 Karten, ISBN 978-3-406-50862-2, EUR 7,90
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Ein wesentliches Anliegen der Reihe 'Beck Wissen' ist es, einem breiten Leserkreis den Einstieg in verschiedenste natur- und geisteswissenschaftliche Themen zu erleichtern. Auch zur Alten Geschichte sind zahlreiche Titel erschienen, die nicht nur Studierende der Altertumswissenschaften oder der Geschichte, sondern auch interessierte Laien dazu nutzen, sich der griechisch-römischen Antike zu nähern. Bislang fehlte jedoch eine Geschichte der römischen Republik, eine Lücke, die der Dresdner Althistoriker Martin Jehne mit dem hier anzuzeigenden Buch geschlossen hat.
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert, ergänzt von einer Zeittafel, einer Bibliographie, einem Register und zwei Karten. Kapitel I behandelt die Vorgeschichte der Republik. Zunächst werden die Quellen zur Frühzeit erörtert: Die ausführlichen Berichte zur Königszeit und frühen Republik, die erst im 1. Jahrhundert vor Christus entstanden, seien Ausdruck einer "intentionalen" Geschichtsschreibung (7) mit vorwiegend gesellschaftsstabilisierenden Funktionen; Historizität sei indes von geringer Bedeutung gewesen, die Authentizität des Berichteten wenig wahrscheinlich. Anschließend skizziert Jehne die Geschichte Roms bis in das 6. Jahrhundert vor Christus. Er sieht Hinweise für ein akephales System von Geschlechterverbänden, das mit einem sakralen Königtum verbunden werden könne. Mit der Etablierung etruskischer Herrscher habe sich das Verhältnis zwischen Königen und Clans verändert. Die legendäre Vertreibung der Könige und Gründung der Republik wird in diesem Kontext als Höhepunkt des Konflikts zwischen dem König, der seine Macht auszudehnen suchte, und den Clans, zu deren Nachteil dies verlief, verortet.
Die Kapitel II bis V widmen sich Roms Aufstieg zur 'Weltmacht'. Zunächst (Kapitel II) wird erläutert, wie Rom die Herrschaft über Italien erlangten: Die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Christus sei eine Periode der "mühevollen Verteidigung" (16) gewesen. Der Sieg über Veii habe den ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zur Vormacht in Italien dargestellt, die 290 mit dem Sieg über die Samniten fest etabliert gewesen sei. Die innere Entwicklung jener Zeit (Kapitel III) ist neben der sukzessiven Ausbildung der politischen Strukturen und der Kodifikation des Rechts vor allem von den Spannungen zwischen Plebejern und Patriziern geprägt: Anfangs habe die äußere Bedrohung, später die Expansion ein Auseinanderbrechen des Gemeinwesens verhindert. Die Lösung des Konfliktes sei mittels der politischen Integration der führenden Plebejer erfolgt.
Im 4. und 3. Jahrhundert vor Christus (Kapitel IV) hätten die langwierigen Auseinandersetzungen mit Pyrrhos und Karthago, aus denen Rom letztlich siegreich hervorging, zur römischen Beherrschung des westlichen Mittelmeerraumes geführt. Die innere Entwicklung sei von der Entstehung der Nobilität und vom zunehmenden inneraristokratischen Wettbewerb um die politischen Führungspositionen bestimmt gewesen. Mit dem Sieg über die letzten Mittel- und Großmächte im Osten und der damit verbundenen Eroberung Griechenlands seit dem 2. Jahrhundert vor Christus (Kapitel V) habe Rom schließlich eine "einsame Weltmacht" im "verhältnismäßig abgeschlossene[n] Kommunikationskreis" des Mittelmeerraumes (71) dargestellt.
Die Kapitel VI bis VIII thematisieren die sich seit Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus abzeichnende Krise der Republik und die Versuche, diese zu bewältigen, sowie ihren Untergang Ende des 1. Jahrhunderts vor Christus. Zunächst (Kapitel VI) umreißt der Autor jene Probleme, die Teil des sozialen und politischen Zündstoffs der spätrepublikanischen Verhältnisse waren und die er als Folge der Expansion betrachtet. Dabei verweist Jehne zum einen auf die immense Verteuerung der politischen Karriere: Die finanziellen Verluste hätten meist erst mit der Bekleidung des Konsulats oder einer Statthalterschaft am Ende einer sehr erfolgreichen Karriere ausgeglichen werden können; dies habe die inneraristokratische Konkurrenz angeheizt und die Ausbeutung der Provinzen sowie Kriege um der Beute willen zur Folge gehabt. Als besonders prekär wird zum anderen die Verarmung der Landbevölkerung und der plebs - und damit zusammenhängend das Problem der Veteranenversorgung, je stärker sich die Legionen auf aus dieser Gruppe rekrutierte Berufssoldaten stützten - herausgestellt. Weder die Reformbemühungen der Gracchen, des Drusus und des Marius noch der Restaurationsversuch Sullas (Kapitel VII), die jeweils am senatorischen Widerstand gescheitert seien, hätten diese Probleme zu lösen vermocht.
Die letzten Jahre der Republik (Kapitel VIII) waren geprägt von Spannungen im Inneren wie auch von außenpolitischen Herausforderungen, was mächtige Einzelpersönlichkeiten, die das politische Geschehen zu bestimmen begannen, auf den Plan rief. Mit der Ermordung Caesars sieht der Autor das Ende der Republik gekommen. Ihr Scheitern begründet er mit verschiedenen Faktoren: Zum einen seien die städtischen Organisationsstrukturen der Beherrschung eines Weltreichs nicht gewachsen gewesen, sodass Einzelne mit großer Macht ausgestattet werden mussten, die dann nicht kontrolliert werden konnten. Zutreffend erscheint Jehne ferner die schon von antiken Autoren formulierte These, der Niedergang der Republik sei vom nachlassenden Außendruck seit Mitte des 2. Jahrhunderts befördert worden: Der Wegfall dieses Moments, das in der frühen Republik den "enormen persönlichen Ehrgeiz" der Senatoren auf das Wohl Roms fokussiert hatte, habe der "rein egozentrischen Selbstverwirklichung als Krieger und Karrieristen" (121) Tür und Tor geöffnet. Schließlich verweist Jehne auf eine betont antirepräsentative Haltung der politischen Führungsschicht, die sich geweigert habe, größere Bevölkerungsgruppe politisch zu integrieren: Deren Rolle als unbeteiligte Herrschaftsobjekte habe nicht die Bereitschaft erzeugt, Partei für die Republik zu ergreifen.
Abgesehen von der Neigung des Autors, bei der Deutung historischer Phänomene die psychologischen Befindlichkeiten der Akteure oder als überzeitlich erachtete Wesenszüge des Menschen zu betonen, sowie der Tendenz, mehr oder weniger implizite Parallelen zu gegenwärtigen gesellschaftlichen Problemen und weltpolitischen Konfliktlagen zu ziehen, was zumindest der Rezensentin mit methodischen Problemen behaftet erscheint, ist vor allem in Hinblick auf den Umgang mit den Quellen auf Schwierigkeiten zu verweisen. Hierbei fällt zwar zunächst positiv auf, dass immer wieder für den Leser nachvollziehbar die literarische Überlieferung aufgegriffen und interpretiert wird. Zumindest fallweise wird dazu auch einige Mühe auf die quellenkritische Diskussion ihrer Aussagemöglichkeiten verwendet. Letzteres wird jedoch leider nicht durchgehend verfolgt. Das hat zur Folge, dass nicht immer deutlich wird, warum manche Quellen als so 'tendenziös' zu gelten haben, dass ihre Historizität anzuzweifeln ist, andere jedoch über einen 'wahren Kern' zu verfügen scheinen (so zum Beispiel bei den detaillierten Informationen zur Klientel sowie zur sozialen Struktur und 'Mentalität' der Patrizier und Plebejer in der Frühzeit, die Jehnes Interpretation der Ständekämpfe zugrunde liegen). Dies ist allerdings sicherlich vor allem auf die knapp bemessenen Vorgaben der Reihe hinsichtlich des Buchumfangs zurückzuführen.
Im Ganzen betrachtet ist Martin Jehne jedoch eine leicht verständliche und kurzweilige Geschichte der römischen Republik gelungen, die viele gerne lesen werden. Zentrale Themen und Fragestellungen dieser Epoche werden erläutert, wobei komplexe Sachverhalte und Ereignisketten entwirrt und in eine auch für Laien nachvollziehbare Form gebracht werden. Die wichtigsten Namen, Begebenheiten und Entwicklungen finden Erwähnung, ohne dass Anschaulichkeit und Übersichtlichkeit der Darstellung dadurch beeinträchtigt würden. Das Buch bietet so einen nützlichen Abriss über die Ereignisgeschichte der römischen Republik und eine gute Basis für die weiterführende Lektüre.
Astrid Habenstein