Hans Beck / Martin Jehne / John Serrati (eds.): Money and Power in the Roman Republic (= Collection Latomus; Vol. 355), Leuven: Peeters 2016, 238 S., ISBN 978-90-429-3302-6, EUR 45,00
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Der Konnex zwischen Geld und Macht übt gerade in Zeiten globaler Euro-, Schulden- und Finanzkrisen, wie sie die letzten Jahre gesehen haben, eine fast schon schaurige Faszination aus und so ist es kein Wunder, dass sich auch die Althistorie wieder dieses Themas annimmt; endlich, wie die Herausgeber selbst betonen, denn in der althistorischen Forschung zur römischen Republik "the fascination with one form of capital [sc. symbolic capital ...], has led to a noticeable neglect of other registers in Bourdieu's canon [... and] the time was ripe to return to 'real' capital and explore the intersection between economy and political culture" (7). In einer übersichtlichen Einleitung skizzieren die Herausgeber dann ihr Programm: Die Impulse aus der verstärkt sozial- und kulturgeschichtlich orientierten Forschungen der letzten Jahre, die sich mit politischer und symbolischer Kommunikation, Patronage- und Freundschaftsverhältnissen, demographischen und religiösen Veränderungen der italischen Halbinsel in der Spätzeit der Republik beschäftigt haben, sollen wiederum kombiniert werden mit der alten Frage nach der Beziehung von Geld und Politik. "The goal of the volume is to frame the topic of money and power in the Roman Republic within a broader discussion by moving away from the binary of elites versus non-elites, and the purely symbolic capital of socio-political power and status" (12). Die einzelnen Beiträge sind dabei grob in drei Sektionen eingeteilt, die als thematische Klammer fungieren, nämlich "Currencies of Power" (18-81), "Money and State Action" (82-130) und "Wealth and Status" (131-207).
Die Beiträge der ersten Sektion beschäftigen sich dabei vor allem mit dem wechselseitigen Einfluss individueller Vermögen und politischer Handlungen. David Hollander (18-25) und Cristina Rosillo-López (26-36) legen beide den Fokus auf die zunehmende Monetarisierung der politischen Szene im letzten vorchristlichen Jahrhunderts. Ausgehend von einigen allgemeineren Überlegen zeigt Hollander am Beispiel des C. Verres, dass Geld für eine erfolgreiche Karriere alleine nicht ausreichte. Er interpretiert die monetäre Strategie des Verres als Fehlkalkulation, da Vermögen zwar ein wichtiger Teil des senatorischen "portfolio of power" war, jedoch weder der einzige, noch gar notwendigerweise der ausschlaggebende (24). Leider wirft der sehr kurze Beitrag ebenso viele interessante Fragen auf wie er beantwortet. Eine Ergänzung bieten dagegen die Ausführungen von Rosillo-López, die sich den gleichen Themen widmet und den Prozess der Monetarisierung der römischen Politik im Zusammenhang mit der staatlichen Monetärpolitik des 2. und 1. Jahrhunderts skizziert. Der Anstieg von Korruption und Bestechung hatte neben unerwünschten Veränderungen in der politischen Kultur auch negative Auswirkungen auf die Stadtbevölkerung, die unter Geldknappheit und Preissteigerungen litten (32-36). Jonathan Edmondson (37-52) kann überzeugend darlegen, dass Gruppen gut ausgebildeter und ausgerüsteter Gladiatoren in der Späten Republik nicht nur ein finanzielles Investment waren, sondern sich gleichsam zu einer Art quasi-Währung entwickelten, welche auch in aristokratische Praktiken des Gabentauschs (gift-exchange) eingeschrieben waren (51f.). Brahm Kleinmann (53-67) unterzieht die von Aurelius Cotta durchgesetzte Reform der Gerichtshöfe einer Neubetrachtung und sieht in diesem Gesetz eine Folge des wachsenden politischen Einflusses der publicani, die sich gegen von Lucullus unternommene Reformen in der Steuerverwaltung stemmten und dabei auf die Unterstützung einflussreicher Politiker in Rom zählen konnten, allen voran die mit Lucullus konkurrierenden Cottier (67). Schließlich kann Wolfgang Blösel (68-81) belegen, dass die Anwesenheit in Rom für einflussreiche Politiker politisch notwendiger (und gegebenenfalls auch finanziell lukrativer) als ein Provinzkommando sein konnte. Seinen Kalkulationen zufolge haben bis zu der Hälfe der Konsulare und zwischen 20-50 Prozent der Praetorier die Verwaltung einer Provinz nach Ablauf ihres Amtsjahres abgelehnt (68-72). Die Gründe dafür seien vielfältig: dazu zählen die starke Beanspruchung der Provinzen durch die publicani und die besseren Aussichten auf finanziellen Gewinn als Legaten unter den großen Befehlshabern, aber auch die Möglichkeit, von Rom aus Profit aus den Provinzen zu ziehen (79).
Die zweite, kürzere Sektion versammelt drei Beiträge, welche allesamt finanzielle Aspekte staatlichen Handelns zum Thema haben. Sowohl Bruno Bleckmann (82-96) als auch John Serrati (97-113) betonen die ad hoc-Herangehensweise des republikanischen Staates an erhöhte monetäre Anforderungen. So seien es keine zentral gelenkten budgetären Prozesse gewesen, die die Finanzierung des ersten Punischen Krieges erlaubt hatten, sondern das Zusammenspiel von römischem Privatkapital und den Kontributionen von Bundesgenossen und Alliierten (96). Nach Serrati habe dagegen das Beibehalten der lex Hieronica auf Sizilien und die zunehmende Bedeutung des sizilischen Getreides für die Versorgung der Legionen eine ständige römische Infrastruktur auf Sizilien notwendig gemacht und damit erst die Voraussetzung für die logistischen Leistungen Roms bei seiner späteren Expansion geschaffen. Der Beitrag von Nathan Rosenstein (114-130) ist im Kontext sowohl der Diskussion um den vermeintlich außerordentlichen römischen Imperialismus als auch um die sich verändernde politische Kultur der Republik zu sehen. Laut einer Gegenüberstellung der Ausgaben (basierend vornehmlich auf dem regulären stipendium als Mindestsumme) und Einnahmen der verschiedenen Eroberungen Roms seit dem Zweiten Punischen Krieg (s. bes. die Tabellen: 121, 123, 125), muss die römische Expansion unter dem Strich ein Verlustgeschäft gewesen sein (128); die Frage nach ihrer Motivation ist damit neu zu stellen.
Die letzte Sektion widmet sich Fragen des gesellschaftlichen und politischen Status. Hans Beck (131-152) und Elio Lo Cascio (153-164) analysieren beide die Auswirkungen des zunehmenden Geldreichtums der Eliten auf die sozialen Beziehungen innerhalb der römischen Gesellschaft und besonders zwischen den unterschiedlichen Schichten. Becks Verdienst ist es, den für das letzte Jahrhundert der Republik attestierten enorme Konkurrenzdruck unter Senatoren ebenso wie ihren zunehmend monetären Charakter schon für das vorangegangene Jahrhundert aufzuzeigen. Lo Cascio wirft dagegen einen weiter gefassten Blick auf die römische Gesellschaft und zeigt wie auch in der Republik die Vermögenschere zwischen Elite und Nicht-Elite immer weiter auseinanderklaffte. Besonderes Interesse widmet er der Frage nach der Quelle aristokratischen Reichtums, wobei er hier vor allem die landwirtschaftlichen Interessen der Oberschicht betont (162-164). In eine ähnliche Richtung geht auch der Beitrag von Francisco Pina Polo (165-177) der sich mit den Vermögensverhältnissen Ciceros beschäftigt und dabei die Diskrepanz in der Selbstdarstellung Ciceros als geldverachtendem Philosophen und seinen wirklichen Handlungsmustern aufzeigt. Nicht zuletzt auch in dieser widersprüchlichen Haltung zeigt sich die Bedeutung pekuniärer Werte in der späten Republik. Die beiden Beiträge von Elisabeth Deniaux (178-187) und Martin Jehne (188-207) runden den Band schließlich ab und rekurrieren noch einmal auf Themen der übrigen Sektionen. Deniaux widmet sich den Möglichkeiten, die die Aedilität aufstrebenden Politikern bot, um ihre eigene (zukünftige) Karriere zu fördern. Durch Getreidespenden und aufmerksamkeitserhaschende Spiele (die durch die Unterstützung von Freunden und Klienten ermöglicht wurden) wurde Geld nämlich sehr konkret zu einer "currenc[y] of power". Denn die Erinnerung an eine glanzvolle Amtsführung konnte damit ebenfalls - an dieser Stelle sei noch einmal auf Edmondsons Beitrag hingewiesen - zu einer quasi-Währung der Macht werden und das besonders von homines novi oder nicht-nobilitären Senatoren geschätzte Ädilenamt somit zur sozialen Mobilität innerhalb des Senatorenstandes beitragen. Jehnes Beitrag dient schließlich gleichsam als Schlusswort des gesamten Bandes, denn hier kommen die unterschiedlichen Fäden zusammen: In seiner Sicht ist Geld ein Instrument unter vielen, die letztlich alle gemeinsam dem Erreichen und dem Erhalten von Macht dienten. Die Gewichtung dieser Einzelinstrumente war letztlich eine Folge der individuellen Situation jedes Senators, der abhängig von seinem eigenen Status, seiner familiären Herkunft und seinen Verbindungen Geld in unterschiedlichem Ausmaße brauchte und es aus unterschiedlichen Quellen aufbringen musste. Dass Geld freilich dennoch nicht alleine ausschlaggebend sein konnte, war den Unwägbarkeiten der politischen Szene geschuldet (204: "They spent more and more money but for a number of reasons voting assemblies still produced erratic results.").
Der Band wird von einer ausführlichen Bibliographie (208-231) sowie unterschiedlichen Appendizes (232-238) beschlossen. Es handelt sich, um es abschließend zu formulieren, um eine sehr wertvolle Refokussierung der Forschung auf die ökonomischen Zusammenhänge der spätrepublikanischen Politik. Obwohl die Beiträge allesamt auch individuell mit viel Gewinn zu lesen sind, liegt der besondere Wert in der Gesamtschau, denn sie beziehen sich aufeinander oder ergänzen sich doch fruchtbar. Die in der Einleitung versprochene Verbindung von ökonomisch ausgerichteten Untersuchungen mit der in den letzten Jahrzehnten vorangetriebenen Erforschung der römischen Republik unter sozial- und kulturhistorischen Aspekten wird voll eingelöst. Es geht eben nicht bloß um rein wirtschaftliche Aspekte oder eine detaillierte Auflistung von Vermögenswerten oder Geschäften einzelner Senatoren. Stattdessen suchen die Beiträge immer wieder die Verbindung zu aktuellen Diskussionen und Ansätzen, die den monetären Aspekt im zeitgenössischen Kontext einbetten können. So mag dann auch die abschließende Feststellung Pina Polos (177) gleichsam als Fazit des gesamten Bandes gelten: "Wealth and power mutually supported each other in the context of politics and society in republican Rome." Diese gegenseitige Unterstützung erscheint nach Lektüre des vorliegenden Bandes in sehr deutlichem Licht.
Christian Rollinger