Gesine Manuwald (ed.): Cicero, Philippics 3-9. Edited with Introduction, Translation and Commentary (= Texte und Kommentare. Eine altertumswissenschaftliche Reihe; Bd. 30), Berlin: De Gruyter 2007, 2 Bde., XXIII + *59 + 1094 S., ISBN 978-3-11-019325-1, EUR 168,00
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Helmut Halfmann: Marcus Antonius, Darmstadt: Primus Verlag 2011
Werner Eck: Monument und Inschrift. Gesammelte Aufsätze zur senatorischen Repräsentation in der Kaiserzeit. Herausgegeben von Walter Ameling und Johannes Heinrichs, Berlin: De Gruyter 2010
Andrew Lintott: Cicero as Evidence. A Historian's Companion, Oxford: Oxford University Press 2008
Ciceros Philippische Reden gegen Antonius sind in den letzten Jahren mehrfach Gegenstand der internationalen Forschung gewesen. Die hier besprochene, kommentierte englischsprachige Ausgabe reiht sich in diesen Trend ein [1], wobei Manuwald sich auf die 3. bis 9. Rede beschränkt. Diese bilden im Corpus der Philippicae einen eigenen Komplex: Während die 3. und 4. Rede den politischen Kampf Ciceros gegen Antonius offiziell eröffnen, behandeln die darauf folgenden fünf Reden die erste Gesandtschaft des Senats an Antonius.
Die Ausgabe ist opulent ausgestattet: Band 1 umfasst eine ausführliche Einführung in die Reden, den lateinischen Text mit einer Übersetzung, welche derjenigen von Shackleton Bailey (1986) größtenteils folgt, das Literaturverzeichnis und die Indices. Band 2 enthält ausschließlich den Kommentar. Die Teilung des Werkes ist zweifellos von Vorteil. Zum einen war der Druck der fast 1200 (!) Seiten sicherlich nicht in einem Band zu bewältigen, zum anderen verhindert die Trennung von Text und Kommentar lästiges Blättern. Ungünstig ist die Gliederung der Bibliographie in vier Kategorien, da die benutzten Literaturabkürzungen keinen Hinweis darauf geben, in welchem der Abschnitte sie aufgelöst werden, so dass ein längeres Suchen bisweilen nicht ausbleibt.
Bei der Diskussion der einzelnen Reden schickt Manuwald jeweils eine kurze Einführung, eine Analyse der Struktur und bibliographische Hinweise dem eigentlichen Kommentar voraus. Dabei steht nicht so sehr die philologische Erörterung des lateinischen Textes im Vordergrund als vielmehr die historische Interpretation der Jahre 44 und 43 v.Chr. [2], für welche die Reden Ciceros neben seinen Briefen die wertvollste Quelle darstellen. Folglich wird in der vorliegenden Ausgabe auch kein ausführlicher textkritischer Apparat geliefert. Ein Appendix (155-162) listet die Abweichungen von Clark (21918), Fedeli (21986) und Shackleton Bailey (1986) auf.
Der historische Kommentar ist exzellent. Das liegt zum einen daran, dass Manuwald Unmengen an Forschungsliteratur berücksichtigt hat, und zum anderen an der Tatsache, dass ihr Urteil durchgängig sachlich und ausgewogen formuliert ist. Dass sie hierbei selten zu neuen Schlüssen gelangt, liegt in der Natur eines historischen Kommentars. Doch kann die eine oder andere Forschungsdiskussion aufgrund der detaillierten Untersuchung als entschieden betrachtet werden.
So ist die Kontroverse um die in Phil. 3, 25f. erwähnte Provinzverlosung durch Manuwald (416-419) nun wohl endgültig zugunsten der Ansicht von Stroh entschieden, wonach Antonius die 'Befreier' nicht brüskiert hat, indem er ihnen ihre Provinzen absprach. [3] Hierbei sollte ferner berücksichtigt werden, dass M. Brutus selbst noch im April des Jahres 43 C. Antonius als Proconsul bezeichnet (Cic. ad Brut. 5, 3f.) und damit die Provinzverlosung unter M. Antonius akzeptiert hat, trotz der Annullierung am 20.12.44! [4]
Ebenso ist Manuwald (457f.) darin zuzustimmen, dass der Senat die per Gesetz vergebenen provinciae üblicherweise nicht vor Ablauf der festgesetzten Amtszeit antasten konnte. Dies gilt auch für die Sitzung vom 20.12. Wahrscheinlich folgte dem Senatsbeschluss ein Gesetz im Februar, welches Antonius seine Provinzen förmlich absprach. Bis dahin hatten sowohl dieser als auch D. Brutus eine gewisse rechtliche Grundlage für ihren Anspruch auf Gallia Cisalpina. [5]
Was das Zustandekommen des Senatsbeschlusses am 20.12. angeht (297-299), ist es meines Erachtens mehr als wahrscheinlich, dass er ebenso wie der Sitzungsverlauf insgesamt von Cicero und den Gefolgsleuten des D. Brutus manipuliert worden ist, auch wenn hierfür ein direkter Beweis nicht erbracht werden kann. [6] Schon Syme empfand den Ablauf der Sitzung als verdächtig. [7]
Hinsichtlich der Reihenfolge, in welcher die Consulare im Senat im Jahre 43 um ihre Meinung befragt wurden, ist Manuwalds Argumentation (539f.), dass der Brief Cic. ad Brut. 23, 7 nicht aussagekräftig ist und die genaue Redereihenfolge folglich nicht ermittelt werden kann, ebenso schlüssig wie ihre Ansicht (538 Anm. 14), dass es in dieser Zeit keinen princeps senatus mehr gab. [8]
Dass die lex iudiciaria, welche Antonius im Sommer 44 eingebracht hatte, im folgenden Jahr kassiert wurde (596 zu Phil. 5, 12), ist meines Erachtens nicht sicher. [9] Jedenfalls scheinen die in dem Gesetz getroffenen Verfügungen bis zur Gerichtsreform des Augustus 17 v.Chr. nicht angetastet worden zu sein, so dass die Kassation nur von kurzer Dauer gewesen sein kann (so auch Manuwald).
Überzeugend ist Manuwalds Diskussion (665, 925) der verschiedenen Stellen (Phil. 5, 31; 6, 2; 8, 2-4; 12, 17), welche Ciceros Auffassung des tumultus behandeln. Ihre Ansicht, dass Cicero "obviously shared the general opinion that this term was less severe than bellum" (665), ist zweifellos richtig, auch wenn in Phil. 8, 2-4 das Gegenteil behauptet wird. Zu Manuwalds Behandlung von Phil. 5, 32 ist hinzuzufügen, dass Antonius, wenn er eine contentio partium propagierte, augenscheinlich die frühere Taktik Caesars aufgriff (Caes. civ. 1, 22, 5).
Dass in Phil. 7, 1 auf die Annullierung der von Caesar festgelegten Einkünfte für die luperci Iulii angespielt wird, halte ich gegen Manuwald (829f.) für wahrscheinlich, zumal der Beschluss Antonius schon einige Zeit vor dem 20.3.43 bekannt war (Phil. 13, 31). Ferner ist es meines Erachtens äußerst unwahrscheinlich, dass Pansa die Formulierung in Phil. 7, 5f. als Kompliment aufgefasst hat (847). Stellt Cicero an der genannten Stelle doch heraus, dass Pansa nur Consul sei, solange er Ciceros Politik folge!
Offenkundige Fehler sind rar: Auf Seite 28 ist "Lepidus" hinter "P. Servilius Isauricus" zu streichen, auf Seite 87 in Anmerkung 228 statt "resaons" "reasons", auf Seite 463 statt "late December" "early December" und auf Seite 821 statt "cannot achieved" "cannot be achieved" zu lesen. Ferner ist auf Seite 297 übersehen worden, dass die dort aus MRR 2 übernommene Liste der Volkstribunen des Jahres 43 von Broughton in MRR 3, 76 und 222 im Falle von L. Cornificius und M. Agrippa korrigiert worden ist.
Insgesamt ist Manuwalds Kommentar der 3. bis 9. Philippica uneingeschränkt zu empfehlen, und es bleibt zu hoffen, dass auch die Reden 10 bis 14 bald einen vergleichbar qualitätvollen Kommentar erhalten werden.
Anmerkungen:
[1] Neben der kommentierten Ausgabe von J. T. Ramsey zur 1. und 2. Rede (2003) sind insbesondere die Kommentare von R. Cristofoli allein zur 2. (2004) und diejenigen von C. Monteleone zur 3. und 4. (2003; 2005) sowie derjenige von C. Novielli zur 13. Philippica (2001) zu erwähnen. Daneben erschienen unlängst vollständige, kommentierte Ausgaben aller Reden von S. Helles (1999) und M. J. Muñoz Jiménez (2006) in dänischer bzw. spanischer Sprache.
[2] Zuletzt K. Matijević, Marcus Antonius: Consul - Proconsul - Staatsfeind. Die Politik der Jahre 44 und 43 v.Chr., Rahden 2006. Das Buch wird in Manuwalds Bibliographie zwar aufgeführt, konnte inhaltlich aber nicht mehr berücksichtigt werden.
[3] Siehe schon Manuwald, Klio 88, 2006, 167-180.
[4] Matijević, Antonius, 219.
[5] Matijević, Antonius, 231 Anm. 357, 328 mit Anm. 569.
[6] Matijević, Antonius, 230-237.
[7] R. Syme, The Roman Revolution, 2., verb. Aufl., Oxford 1952, 162.
[8] Anders beispielsweise F. X. Ryan, Rank and Participation in the Republican Senate, Stuttgart 1998, 200-203.
[9] Siehe schon K. Bringmann, Chiron 3, 1973, 236f.
Kreimir Matijević