Barbara Dimde: Gladiatur und Militär im römischen Germanien (= Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne; Bd. 7), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2019, 404 S., 17 Farb-, 6 s/w-Abb., ISBN 978-3-515-12490-4, EUR 64,99
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Beim hier angezeigten Buch handelt es sich um die leicht überarbeitete Dissertation der Verfasserin, die im Juni 2018 abgeschlossen worden ist. In der Einleitung (11-18) macht Dimde zu Recht auf eine Forschungslücke bezüglich der von ihr gewählten Thematik aufmerksam. Zum Teil liegt dies natürlich im Mangel an archäologischen und schriftlichen Quellen begründet, weshalb Dimde auch Zeugnisse aus anderen Teilen des Imperiums berücksichtigt, zumal es sich sowohl beim Militär als auch bei der Gladiatur um stark standardisierte Bereiche gehandelt hat. Als ein Ergebnis der Arbeit wird schon hier, in der Einleitung, herausgestellt, "dass die römische Gladiatur grundsätzlich in einen kaiserlich-militärischen und einen städtisch-zivilen Sektor untergliedert werden muss" (12). Die Militärgladiatur sei also gänzlich dem "kaiserlichen Sektor" (ebd.) zuzuordnen. Ferner gibt Dimde in diesem Abschnitt einen kurzen Überblick über die Provinzgeschichte der beiden germanischen Amtsbereiche (13-16) und einen Forschungsüberblick (16-18), wobei festgestellt wird, dass "eine detaillierte Analyse der Veranstaltungspraxis 'germanischer' munera oder auch der Zuschauer und Gladiatoren" nicht Ziel der Arbeit ist.
Es folgt der große Abschnitt "Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?" (19-222), in dem zuerst nacheinander die ober- und niedergermanischen Theaterbauten bzw. die Überreste derselben besprochen werden, durchgängig unter Hinweis auf den Katalog, der verschiedene ausgewählte Funde und Befunde umfasst (300-356). Vorneweg bietet Dimde bereits die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Demnach sind insgesamt sechs 'militärische Theater' nachgewiesen, d.h. Anlagen bei militärischen Stützpunkten, sowie sieben 'zivile', die durchweg innerhalb besiedelter Areale errichtet worden sind. Verschiedene weitere antike Städte werden derartige Anlagen aufgewiesen haben, doch waren diese entweder in Holzbauweise errichtet und sind deshalb vergangen, oder sie sind modern überbaut, eventuell auch als Steinbruch benutzt worden. Unter den militärischen Theatern sind die bei Legionsstützpunkten errichteten Exemplare wenig überraschend deutlich größer gewesen als Theater am Limes bei den Auxilia. Die Arenen der letzteren bei den Kastellen Arnsburg und Zugmantel waren allerdings untypischerweise rund. Zum einen wird vermutet, dass venationes, die in ovalen Anlagen besser darzustellen seien, hier nicht durchgeführt wurden wegen des hohen finanziellen und logistischen Aufwands, zum anderen wird bemerkt, dass die Einmessung leichter sei. Allerdings finden sich am raetischen Limes in Dambach und Künzing bereits wieder ovale Theater.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand handelt es sich bei den Legionslagern in Vindonissa und Vetera um die frühesten Standorte von Theatern, die hier zwischen 30 und 40 n.Chr. bzw. in claudischer Zeit erreichtet wurden. Die zivilen Pendants folgten ein wenig später ab der 2. Hälfte des 1. Jh.s n.Chr. Die Blütephase fällt ins letzte Drittel des 2. Jh.s, in dem verschiedene Umbaumaßnahmen nachgewiesen werden können, die häufig der Vergrößerung des Zuschauerraumes dienten. Das Ende der militärischen Anlagen erfolgte bei Auflassung oder Zerstörung des jeweils zugehörigen Lagers, spätestens im letzten Drittel des 3. Jh.s, die zivilen Vertreter wurden ab etwa derselben Zeit ebenfalls nicht mehr benutzt. Im Vergleich mit den weiteren Provinzen des römischen Imperiums, in denen zum Teil noch Mitte oder Ende des 4. Jh.s Amphitheater genutzt wurden, ist dies vergleichsweise früh.
In einem Unterabschnitt geht Dimde auf Bau, Finanzierung und Bedeutung der Amphitheater ein (136-188), wobei sie wegen der fehlenden epigraphischen Quellen aus den germanischen Provinzen die Inschriften aus dem übrigen Imperium auswertet. Sie demonstriert, dass die kaiserliche Bautätigkeit im Falle der militärischen Theater der Neuerrichtung, Instandsetzung, dem Ausbau und der Erweiterung wie auch Implementierung neuer Techniken diente. Grund war die Sicherung der Loyalität von Seiten des Militärs und die "Aufrechterhaltung der militärischen Werteordnung" (171), wobei Dimde die Bereitstellung der Infrastruktur und der munera mit Donativen vergleicht. In den Bau der zivilen Amphitheater waren die Kaiser dagegen nicht direkt involviert. Hier zeigt sich in Teilen aber ein Zusammenhang zum Kaiserkult. Weitere kleinere Abschnitte (197-222) enthalten verschiedene aus dem allgemein für das Imperium bekannten Befund abgeleitete Vermutungen für die bislang nicht entdeckten Amphitheater von Köln und Mainz. Dimde ist der Ansicht, dass jeweils eine militärische und eine zivile Anlage gesucht werden müsse.
Zuletzt widmet sich Dimde ausführlich der Verbindung von "Militär und munera gladiatoria" in den germanischen Provinzen (223-292). Hier kann sie wahrscheinlich machen, dass das römische Militär mit dem Fangen von Raubtieren für Spiele beschäftigt war, wobei die Tiere entweder nach Rom und/oder in die militärischen Amphitheater in den germanischen Provinzen geschickt wurden. Wertvoll ist hier insbesondere die ausführliche Nachzeichnung der umstritten geführten Diskussion der Bedeutung von ursarius. Dimde vermutet, dass es sich eher um einen mit der Pflege und/oder Dressur von Bären beschäftigten Mann handelte als um einen Bärenjäger. Geradezu spannend ist die detektivisch vorgebrachte Deutung eines Gladiatorenhelmes, der, wie Dimde anschaulich demonstrieren kann, offensichtlich im Besitz der 15. Legion in Niedergermanien war. Weitere Einzelfunde machen es wahrscheinlich, dass es zumindest in einigen militärischen Verbänden Gladiatoren gegeben hat.
Abgeschlossen wird die Abhandlung durch eine Zusammenfassung (293-299), den bereits erwähnten Katalog, einen Abbildungsteil (357-372), ein Literaturverzeichnis (373-391) und einen Sach-/Ortsindex sowie ein Personenregister (393-404). Ein Verzeichnis mit den erwähnten Quellenstellen fehlt leider.
Insgesamt gibt es wenig zu kritisieren. Ein sorgfältigeres Lektorat hätte die Qualität der Studie noch erhöht. So enthält der Text leider recht viele Verschreiber. Auch sollte man nicht von "Germania libera" sprechen (so z.B. auf 11, 97, 100), insbesondere nicht in der Kursiven, die üblicherweise antiken Begriffen vorbehalten ist (von "Germania magna" ist gelegentlich ebenfalls die Rede). Hinsichtlich der epigraphischen Zeugnisse wäre es schön gewesen, wenn man die Texte einheitlich umgesetzt hätte, statt der jeweils benutzten Edition zu folgen.
Inhaltlich ist dieses Erstlingswerk in jeder Hinsicht zu loben. Zwar handelt es sich eher um eine Studie zu "Gladiatur und Militär" im Römischen Reich, doch ist dieser erweiterte Blick der Quellenarmut in den germanischen Provinzen geschuldet. Gleichzeitig wird erst durch diesen übergeordneten Ansatz die teils völlig neue Einordnung der Zeugnisse in Ober- und Niedergermanien möglich. Das Buch sollte zukünftig somit nicht nur mit Blick auf die germanischen Amtsbereiche, sondern auch in allgemeinen Abhandlungen zur römischen Gladiatur die ihm gebührende Berücksichtigung finden.
Kreimir Matijević