Zofia H. Archibald / John K. Davies / Vincent Gabrielsen (eds.): Making, Moving and Managing. The New World of Ancient Economies, 323-31BC, Oxford: Oxbow Books 2005, viii + 368 S., ISBN 978-1-84217-157-8, GBP 60,00
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Die Wirtschaftsgeschichte der antiken Welt erfreut sich einer zunehmenden Aufmerksamkeit der Forschung. Dies gilt auch und insbesondere für die Wirtschaft der hellenistischen Welt [1], die von der (neo-) primitivistischen bzw. neuerdings substantivistisch orientierten Forschung in der Regel eher stiefmütterlich behandelt wurde. Der vorliegende Sammelband bildet die der Empirie gewidmete Fortsetzung des methodische und theoretische Fragen behandelnden Sammelbandes zur hellenistischen Wirtschaftsgeschichte, der von den Herausgebern bereits im Jahr 2001 vorgelegt worden ist. [2] Der hier nun anzuzeigende Band vereint in sich dreizehn Abhandlungen, die sich des Phänomens der hellenistischen Wirtschaft in seiner gesamten Bandbreite annehmen.
Den Auftakt macht ein mehr als lesenswerter programmatischer Beitrag von Zofia Archibald, der einen brillanten Überblick über die hellenistische Wirtschaftsgeschichte liefert (Markets and Exchange: the Structure and Scale of Economic Behaviour in the Hellenistic Age, 1-26). Im Rahmen dieses Beitrags geht Archibald nicht nur auf die theoretischen Grundlagen für die wirtschaftsgeschichtliche Erforschung dieser Epoche ein, sondern macht den Leser auch mit den theoretischen Grundbedingungen, die die Wirtschaft des Hellenismus charakterisieren, vertraut. Im Zuge dessen betont sie den Charakter derselben als Marktwirtschaft, wobei Archibald völlig zu Recht die Applikation der Konzepte Polanyis auf die Zustände der hellenistischen Welt zurückweist. [3] Der marktwirtschaftliche Charakter der Wirtschaft der hellenistischen Welt äußert sich dabei auch und vor allem in den nachzuweisenden Preisschwankungen. Richtigerweise betont die Verfasserin ferner die besondere Bedeutung der Heiligtümer für das Marktgeschehen.
Auf diesen programmatischen Aufsatz folgen die Abhandlungen zu den einzelnen Problemkreisen in der hellenistischen Wirtschaftsgeschichte. Vier in dem Sammelband vereinte Beiträge widmen sich dabei den institutionellen Gegebenheiten des Geldwesens (G.G. Aperghis, A. Bresson, F. de Callataÿ, P.G. van Alfen), vier weitere beleuchten die Aussagemöglichkeiten von instrumentum domesticum im allgemeinen und von Amphoren im besonderen für die Analyse wirtschaftsgeschichtlicher Fragen (A. Chaniotis, L. Hannestad, M. Lawall, J. Lund). Großes Interesse verdient auch der Beitrag von J. Davies, der die wirtschaftlichen Implikationen hellenistischer Paläste analysiert. Einen äußerst zentralen Aspekt der Wirtschaft thematisiert V. Gabrielsen, der sich den Themen Banken- und Kreditwesen widmet. Bemerkenswert sind auch die Ausführungen von G. Reger zu Herstellung und Verhandlung von Parfüms in der hellenistischen Zeit. Eine eindringliche Analyse der Wirtschaft der Chersones liefert schließlich V.F. Stolba. Aus diesem breiten Spektrum seien in der Folge einige Beiträge exemplarisch herausgegriffen, deren Auswahl die Interessen des Rezensenten widerspiegelt und keine Wertung in bezug auf die anderen Beiträge des Sammelbandes darstellt.
G.G. Aperghis formuliert in seinem Aufsatz (City Building and the Seleukid Royal Economy, 27-43) die wuchtige Grundthese, die Seleukiden hätten in ihrem Herrschaftsgebiet Städte gegründet, um die Wirtschaft zu intensivieren und hierdurch das Einkommen der Staatskasse an Silbergeld zu steigern. Dieses Geld hätte wiederum insbesondere für die Besoldung des Militärs und damit der Herrschaftssicherung gedient. Grundvoraussetzung einer solchen Annahme ist freilich die Unterentwicklung sowohl der Wirtschaft als auch der Monetarisierung im Achaimenidenreich, der man mit der Gründung der Städte abzuhelfen suchte. Dies erscheint dem Rezensenten freilich eine allzu pessimistische Grundannahme für die wirtschaftlichen Bedingungen im Achaimenidenreich zu sein.[4]
A. Bresson hat für den vorliegenden Sammelband einen äußerst wichtigen, Grundfragen der Wirtschaftsgeschichte berührenden Aufsatz verfasst (Coinage and Money Supply in the Hellenistic Age, 44-72). Bresson geht dabei von der Grundannahme aus, dass im Gegensatz zu öfter in der Forschung zu findenden Einlassungen man sich in der Antike durchaus der Bedeutung einer ausreichenden Geldversorgung bewusst war. Bresson stellt fest, die Einkünfte der hellenistischen Herrscher hätten in der Hauptsache aus Naturalien bestanden, die dementsprechend einer Monetarisierung zugeführt werden mussten. Vor diesem Hintergrund war der Handel für jede Staatlichkeit wesentlich für den Erhalt der Wirtschaft. Nach diesen wichtigen Feststellungen wendet sich Bresson der Geldmenge zu. Da der Großteil der Münzen aus der Beute an Edelmetall aus dem Perserreich durch Alexander III. und die Diadochen geprägt wurde, war man in der Folgezeit der Notwendigkeit enthoben, in großem Umfang neu zu prägen. Dies änderte sich erst, als die Römer rund 150 Jahre später begannen, große Mengen an Geld als Kriegsbeute nach Italien abzuleiten. Eine wesentliche Folge für die Wirtschaft insbesondere der Seleukiden war dabei die Erhöhung des Wertes des Silbers, was zu geringeren Preisen im seleukidischen Machtbereich führte, der dementsprechend attraktiver für Händler wurde.
A. Chaniotis zeichnet in seiner Abhandlung, die auch und vor allem methodischen Fragen der Auswertung von archäologischen Befunden gewidmet ist, auf der Grundlage des instrumentum domesticum die Entwicklung der kretischen Wirtschaft vom Hellenismus in die römische Kaiserzeit nach (Inscribed instrumenta domestica and the Economy of Hellenistic and Roman Crete, 92-116). Auch anhand dieser Befundgruppe vermag er die Entwicklung der kretischen Wirtschaft von einer der lokalen Bedarfsdeckung verhafteten zu einer exportorientierten Ökonomie der Kaiserzeit zu illustrieren. Damit liefert Kreta ein schlagendes Beispiel für die in der antiken Wirtschaft festzustellenden Entwicklungen, die man im Falle der Insel nur unter dem Schlagwort 'Wirtschaftswachstum' subsumieren kann. [5]
Ebenso grundlegenden Fragen der Wirtschaftsgeschichte wendet sich V. Gabrielsen zu (Banking and Credit Operations in Hellenistic Times, 136-164). Gabrielsen macht als Grundannahme seines Beitrages geltend, dass man in der hellenistischen Zeit ein Konzept des Geldes als abstrakte Qualität des wertschöpfenden Besitzes hatte. Eine wesentliche Neuerung der hellenistischen Welt bestand dann in der wachsenden Anzahl derjenigen, die als Kreditgeber auftraten, und im Wachstum der von diesen Kreditgebern getätigten Transaktionsvolumina. Es sind für Gabrielsen vor allem die Städte und Heiligtümer, die sich zunehmend auf dem Kreditmarkt engagierten, der dementsprechend umfänglich gewesen sein muss.
Schließlich sei auf den Aufsatz von V. F. Stolba verwiesen, der ausgehend von einer Klausel in Bezug auf die Verhandlung von Getreide in einem inschriftlich überlieferten Eid (IOSPE I2 401) aus Chersonesos eine grundlegende Behandlung der Entwicklung der dortigen Landwirtschaft liefert, in die er auch und vor allem naturwissenschaftliche Analysen mit einbezieht. Auf diese Weise vermag er die Bedingtheit wirtschaftlicher Prozesse in der Chersones durch eine Veränderung des Klimas um die Wende vom vierten zum dritten vorchristlichen Jahrhundert aufzuzeigen.
Alles in allem ist der hier angezeigte Band weit mehr als nur eine Sammlung von Studien zum Thema Wirtschaft des Hellenismus. Er liefert auch und vor allem in methodischer Hinsicht Denkanstöße, die über die im Mittelpunkt stehende Epoche weit hinausgehen und auch für andere Epochen - etwa die Wirtschaft der römischen Kaiserzeit - fruchtbar gemacht werden können. Gerade am Beispiel des Hellenismus wird hier aber eindringlich aufgezeigt, wie die Berücksichtigung aller Quellengattungen unter einem eher formalistischen Forschungsansatz wesentliche neue Erkenntnisse sowohl in Detailfragen als auch in Hinsicht auf den Charakter der Wirtschaft der zur Debatte stehenden Epoche liefern kann. Kurz: Der hier anzuzeigende Sammelband ist für jeden, der sich mit Fragen der Wirtschaft des Hellenismus beschäftigt, eine Pflichtlektüre. Darüber hinaus ist seine Lektüre auch von großem Gewinn für jeden, der sich anderen Epochen der antiken Wirtschaftsgeschichte widmet.
Anmerkungen:
[1] Vgl. etwa über den hier anzuzeigenden Sammelband hinaus R. Descat (ed.): Approches de l'économie hellénistique, Saint-Bertrand-de-Comminges 2006.
[2] Z. H. Archibald, J. Davies, V. Gabrielsen, G.J. Oliver (eds.): Hellenistic Economies, London-New York 2001.
[3] Die Anwendbarkeit der Theoreme Polanyis auf den Alten Orient wurde übrigens jüngst ebenfalls zurückgewiesen: vgl. M. Silver: Redistribution and Markets in the Economy of Ancient Mesopotamia: Updating Polanyi, in: Antiguo Oriente 5 (2007), 89-112.
[4] Vgl. nur P. Briant: From Cyrus to Alexander. A History of the Persian Empire, Winona Lake 2002, 803-804 zur achaimenidischen Geldwirtschaft. Zu einer pessimistischeren Sicht der Geldwirtschaft des Achaimenidenreichs vgl. B. Weisser: Herrscherbild und Münzporträt in Kleinasien, in: Historisches Museum der Pfalz Speyer (Hg.): Das Persische Weltreich. Pracht und Prunk der Großkönige, Stuttgart 2006, 71-85, bes. 71-73. Zur Monetarisierung der ägäischen Welt am Übergang von den Achaimeniden zum Hellenismus vgl. R. Descat: Aspects d'une transition: l'économie du monde égéen (350-300), in: P. Briant / F. Joannès (eds.): La transition entre l'empire achéménide et les royaumes hellénistiques, Paris 2006 (Persika 9), 353-373, hier 364-365, der hier die bedeutende Neuerung im Gebrauch von Bronzemünzen sieht. Die große Bedeutung des Überganges zur Münzgeldwirtschaft in den Gebieten jenseits des Euphrat unterstreicht allerdings A. Lemaire: La Transeuphratène en transition (c. 350-300), in: P. Briant / F. Joannès (eds.): La transition entre l'empire achéménide et les royaumes hellénistiques, Paris 2006 (Persika 9), 405-441, hier 430.
[5] Zum Wirtschaftswachstum in der römischen Kaiserzeit vgl. zuletzt M. Silver: Roman Economic Growth and Living Standards: Perceptions versus Evidence, in: AncSoc 37 (2007), 191-252.
Kai Ruffing