Francis A. Dutra: Military orders in the early modern Portuguese world. The Orders of Christ, Santiago, and Avis, Aldershot: Ashgate 2006, XI+400 S., ISBN 978-0-86078-998-7, GBP 62,50
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Für die monarchische Konzeption und Tradition nahezu aller Kronen Europas sind sie spätestens ab dem 14. Jahrhundert zu einem bestimmenden Element ritterlich-fürstlicher Emblematik geworden: Die Rede ist von den großen monarchischen Ritterorden, welche in Nachfolge der zumeist aus den kulturell-kriegerischen Auseinandersetzungen im nahöstlichen Raum hervorgegangenen militärischen Ordensfamilien das Bild der Monarchie selbst (in ihrer pittoresken Gewandung zumal wortwörtlich) zum Teil bis heute prägen - denken wir nur etwa an die englischen Beispiele wie den Order of the Garter oder den Order of the Bath. Für die Vergangenheit genügt ein Blick auf die Gründungen des Ordre Royal du Saint Esprit (1578) oder den Andreas-Orden [Orden des Hl. Andreas des Erstberufenen - Orden Swjatogo Andreja Perwoswannogo] (1698) um diesen Konnex in seiner fundamentalen Bedeutung zu unterstreichen. Die Liste aller entsprechenden Institutionen würde den hier zur Verfügung stehenden Platz sprengen - allen gemeinsam aber ist die Referenz beziehungsweise versuchte Anknüpfung an die großen eigenen monarchischen oder internationalen Vorbilder. Unter diesen langlebigen ehrwürdigen Einrichtungen ragen, neben dem schon erwähnten Hosenbandorden (gestiftet 1342) oder dem Ordine dell'Annunziata (gestiftet 1364), vor allem die portugiesischen Kronorden hervor.
An deren erster Stelle stand der 1317 aus der 'Konkursmasse' der Templer hervorgegangene, 1551 endgültig allein der Krone unterstellte Christus-Orden, der Ordem de Cavalaria de Nosso Senhor Jesus Cristo . Er konkurrierte hinsichtlich Anciennität und Prestige mit dem in seinen Anfängen aus einer religiösen Bruderschaft schon 1162 entstandenen Ritterorden von Avis, dem Ordem Militar de São Bento de Aviz, welchem Alfonso II. (reg. 1212-1223) bleibende Statuten und die Stadt Avíz gewährte. 1385 erfolgte die definitive Loslösung vom spanischen Calatrava-Orden, was päpstlicherseits 1389 bestätigt wurde. Ebenfalls zunächst mit Spanien verbunden war der Santiago-Orden (Ordem Militar de Santiago), der ebenfalls unter Alfonso II. einen eigenständigen portugiesischen Zweig auszubilden begann.
Wie aus diesen wenigen Hinweisen unschwer ersichtlich, trug die Konstituierung der verschiedenen Ordensrittergemeinschaften wesentlich zur Identitätsfindung der portugiesischen Aristokratie und Monarchie, zumeist in Absetzung und Distanzierung von Spanien, bei. Es wäre aber ein Trugschluss - und die oben erwähnten französischen und russischen Gründungen bestätigen dies -, würde man Bedeutung und Blütezeit der monarchischen Orden auf das Mittelalter beschränken.
Genau diesem Anliegen, die Signifikanz und Relevanz der Orden in der Zeit nach 1400 für die Geschichte Portugals aufzuzeigen, ist der vorzustellende Sammelband Francis A. Dutras gewidmet. Diese von Ashgate Publishing veranlasste Kompilation ist umso begrüßenswerter und verdienstvoller, als die einschlägige Bibliographie zu diesem Themenkomplex nahezu mit jener von Dutras zusammenfällt.[1] Von daher kommt der vorliegenden Veröffentlichung nicht nur der Rang eines Standard- und Referenzwerkes, sondern auch eines in dieser Art einzigartigen Vermächtnisses zu.
In drei Großabschnitte unterteilt ('The Military Orders in Portugal, 1450-1777', 'The Military Orders and Portugal Overseas', 'The Military Orders and Medicine'), werden hier, zum Teil erstmals in englischer Übersetzung, bereits früher (zwischen 1970 und 2005) erschienene Aufsätze des Verfassers, nach römischen Ziffern durchnumeriert, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie behandeln, nach einigen erläuternden allgemeinen Fragestellungen gewidmeten Kapiteln (I-VI), auch spezifische Epochenfragen, so zur Restauration von 1640 (VII) oder zur Pombal-Ära (VIII). Ein besonderes Interesse gilt der in der breiten Wissenschaftsöffentlichkeit bislang eher unterrepräsentierten Bedeutung der Orden für die Überseeexpansion, was Dutra personell-biographisch für Vasco da Gama (IX) und Manuel Gonçalves Doria, den ersten Afro-Brasilianer als Santiagoritter (XII), und die Familie Vieira im Christus-Orden (XV), sowie regional für die Atlantischen Inseln (also die Azoren und die Kapverdischen Inseln) (X), Indien (XI) und Brasilien (XIII, XIV) belegen kann. Dass hierbei neben den reinen ordensgeschichtlichen auch umfassende sozial-, wirtschafts- und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen nicht nur berücksichtigt, sondern exemplarisch behandelt werden, erhöht die Exzellenz des Bandes. Hervorzuheben ist weiterhin das Eingehen auf - zumal in diesem Kontext - völlig unbeachtete Aspekte, etwa den Zusammenhang von Seefahrertum und Ordensmitgliedschaft (XVI), sowie die breit in drei unterschiedlichen Perspektiven - zu Position und Sozialstatus des fisico-mor und surgião-mor im frühmodernen Portugal, den beiden Leibärzten Catharinas von Bragança sowie einer biographischen Studie zu Salvador Moreira, einem Arzt des 17. Jahrhunderts in Maranhão - behandelte Bedeutung der Orden für die Medizingeschichte Portugals und seiner Besitzungen (XVII-XIX).
So vorbildhaft all diese Betreffe behandelt werden, so muss der Leser doch stets der Tatsache eingedenk bleiben, dass Dutra hier keine durchgängige zusammenhängende Ordensgeschichte vorlegen wollte. Nirgends wird dieser fragmentarische Charakter des Werkes deutlicher als in der verlegerischen Aufbereitung, welche man auch bei bestem Willen nicht anders als defizitär, um nicht zu sagen katastrophal bezeichnen kann. So wurde für den Band keinerlei eigenständige durchgehende Seitennummerierung eingefügt, die Artikel präsentieren sich entweder - bei bloßem Neuabdruck - in ihrer ursprünglichen Gestalt (nicht nur hinsichtlich der Seitenzählung, sondern auch des Layout), oder sie tragen - bei Neuübersetzungen - eine artifizielle, stets bei eins beginnende Neupaginierung. Eine effiziente Orientierung im Band wird daher, trotz des ausführlichen Registers, welches aber auch nur zuerst auf die römische Ziffer und dann auf die spezifische Seitenzahl verweist, mehr denn erschwert, ja eigentlich unmöglich gemacht. Wer die heute zur Verfügung stehenden drucktechnischen Erfassungsmittel auch nur ein wenig kennt, wird umso weniger Verständnis für die Entscheidung des Verlages aufbringen, den in seiner Bedeutung doch so fundamentalen Band in solch armseliger äußerer Form erscheinen zu lassen - und dies bei einem immerhin doch stolzen Ladenpreis.
Von diesem rein äußerlichen Manko abgesehen, ist das anzuzeigende Buch hinsichtlich seiner historiographischen Signifikanz nicht zu überschätzen. Es vereint klassische Geschichtsschreibung mit modernen Fragestellungen und erschließt dem Leser ein wohl zumeist nahezu unbekanntes Terrain zentraler europäischer und weltweiter Vergangenheit. Portugal steht leider nicht im Hauptaugenmerk der historischen Wissenschaft, noch weniger die Geschichte der monarchischen Orden. Gerade deshalb ist dem Werk Dutras eine weite Verbreitung zu wünschen. Es gehört zu den wenigen Bänden, welche für sich in Anspruch nehmen können, trotz der genre-bedingten Fragmentierung das Thema erschöpfend und exemplarisch behandelt zu haben.
Anmerkung:
[1] Dies gilt vor allem für das angelsächsische - und daher international leichter zugängliche - Schrifttum. An portugiesischen Veröffentlichungen wäre hier allenfalls, in einem epochal reduzierten Ansatz, zu denken an: Fernanda Olival: As Ordens Militares e o Estado Moderno. Honra, Mercê, Venalidade em Portugal (1641-1789), Lisboa 2001.
Josef Johannes Schmid