Rezension über:

Dirk Syndram: Die Juwelen der Könige. Schmuckensembles des 18. Jahrhunderts aus dem Grünen Gewölbe, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2006, 187 S., ISBN 978-3-422-06589-5, EUR 24,90
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Rezension von:
Babette Ball-Krückmann
Fürstenfeldbruck
Redaktionelle Betreuung:
Michaela Braesel
Empfohlene Zitierweise:
Babette Ball-Krückmann: Rezension von: Dirk Syndram: Die Juwelen der Könige. Schmuckensembles des 18. Jahrhunderts aus dem Grünen Gewölbe, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 10 [15.10.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/10/11039.html


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Dirk Syndram: Die Juwelen der Könige

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Das neue Buch von Dirk Syndram (seit 1993 Direktor des Grünen Gewölbes und seit 2002 verantwortlich für die Neueinrichtung des Dresdener Residenzschlosses) ist in dem umfangreichen und einmaligen Dresdener Bestand und seiner Neupräsentation im wieder erstandenen Grünen Gewölbe begründet. In der aufwendigen, künstlerisch erlesenen Gestaltung der Schmuckstücke spiegelt sich zum einen die stilistische Entwicklung der Zeit wider, zum anderen sind die gewonnenen Einblicke in den Gebrauch der Edelsteine von spezifisch kulturhistorischer Bedeutung.

In seinem Einleitungsaufsatz zeichnet Syndram die Geschichte der sächsischen Juwelengarnituren nach. Obwohl sie bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts einsetzt, kommt sie erst in den 80er Jahren desselben Jahrhunderts richtig in Schwung, unterstützt durch eine neue höfische Mode mit strengen und eng am Körper anliegenden Schnitten, die von Frankreich übernommen wird. Prägende Vorbilder für die künftige Edelsteinkultur an den deutschen Höfen, insbesondere für Sachsen waren dann auch Ludwig XIV. und sein Bruder Philipp von Orléans. So erlebte August der Starke noch als junger Herzog während seiner Kavalierstour 1687 den Sonnenkönig bei einer festlichen Gala im Glanz seines Juwelenschmucks. Derart beeindruckt, plante er als Kurfürst von Sachsen (1694) und König von Litauen-Polen (1697) 24 Garnituren, von welchen zehn ausgeführt wurden und sich bis heute nahezu vollständig erhalten haben. Zu nennen sind hier an erster Stelle die Diamantrosen- und die Brillantgarnitur. Hinzu kamen vier Jagdgarnituren: eine Silber-, eine Gold-, eine Achat- und eine Karneolgarnitur. Es folgten eine Smaragd-, eine Saphir- und eine Rubingarnitur und schließlich noch eine Schildpattgarnitur.

Der aus dem Französischen stammende Begriff "Garniture" wird mit der erstmaligen Inventarisierung des sächsischen Juwelenschmucks 1719 greifbar. Bezeichnet wird ein größeres Schmuckensemble, dessen einzelne Elemente sowohl hinsichtlich der Auswahl der Steine als auch im Hinblick auf deren künstlerische Bearbeitung aufeinander abgestimmt sind. Es handelt sich immer um Gewandschmuck, den der Herr, respektive der Herrscher trug. Zur Grundausstattung einer Garnitur gehörten somit mindestens drei Dutzend Rock- und ebenso viele Westenknöpfe. Ergänzt wurden die Knöpfe durch vielfältige Zierstücke wie Hut-, Gürtel-, Knie- und Schuhschnallen, Hutkrempen, Repräsentationswaffen, Peitschen, Spazierstöcke und nicht zuletzt Ordenssterne und Kleinodien.

Woher aber kam diese Faszination für Juwelen und ihre enorme Vervielfältigung in den Garnituren? Edelsteine waren von jeher ein äußerst kostbarer Besitz. Sie standen nicht beliebig zur Verfügung und konnten nur mit großem finanziellem Einsatz erworben werden. Darüber hinaus erforderten sie Kennerschaft, wie sie sich etwa August der Starke im Laufe der Zeit erworben hatte. Eingesetzt als Gewandschmuck verliehen sie dem Träger fürstlichen Glanz und machten zugleich auch dessen materiellen Reichtum als pars pro toto sichtbar. Somit waren Edelsteingarnituren vorzüglich geeignet, die herrscherliche Würde zu demonstrieren und der repraesentatio majestatis zu dienen. Diese Möglichkeit hatte Ludwig XIV. als Erster in vollem Umfang erkannt und eingesetzt. Noch ein anderer Gedanke drängt sich auf, nämlich dass durch den Reichtum des Edelsteinschmucks und die Immaterialität seines Glanzes, vor allem durch die Diamantgarnituren, auch die sakrale Aura des Herrschers, seine von Gott verliehene weltliche Macht aufschien. Außerdem wurden im sächsischen Kurfürstentum die Steine mehrfach als Sicherheit für schnell zu beschaffende Kredite eingesetzt. Sie ermöglichten somit rasche finanzielle Transaktionen und verliehen dem Staat Handlungsspielraum.

Im Anschluss an den historischen Abriss werden in einem zweiten, knappen Abschnitt die bis heute überkommenen Garnituren mit ihren einzelnen Bestandteilen vorgestellt. In ihrer Abfolge lässt sich die Leidenschaft August des Starken und der enorme Aufwand, der für das Zusammentragen der Edelsteine notwendig gewesen war, ablesen. Dem steht die künstlerische Bearbeitung in nichts nach.

Sie tritt im dritten Teil des Katalogs in den Vordergrund, in dem nach musealen Kriterien "Ausgewählte Schmuckstücke" vorgestellt werden. Hier kommt nun das einzelne Stück gut zur Geltung, besonders auch durch die gelungenen Fotografien. Ab und zu sollte man allerdings ein Maßband zur Hand nehmen, um sich die tatsächliche Größe der Stücke deutlich zu machen. Die Beschreibungen in den begleitenden Katalogtexten sind hilfreich, um sich der künstlerischen Qualität anzunähern und sich in die stilistischen Merkmale der verschiedenen Goldschmiede einzusehen.

Von den vielen bedeutenden Stücken sei die Hutaigrette der Karneolgarnitur hervorgehoben. Sie entstand 1719 in Zusammenarbeit zwischen dem Steinschneider Johann Christian Hübner und dem Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger. Das Zentrum bildet eine Karneolkamee in Form einer Rosenblüte, die in ihrer Mitte einen Diamanttropfen aufnimmt. Ihre kompakte Materialität steht im Wechselspiel zu den sie rahmenden, zarten und geschwungenen Federn, teils dicht mit Diamanten besetzt, teils graviert. Befestigt wurde die Hutzier am Hutrand mit einer sich drehenden Karneolrosette. Darüber bezeichnet ein aus Diamanten gebildetes "A" August II. (den Starken). In diesem Stück offenbaren sich sowohl höfische Extravaganz als auch handwerkliche Meisterschaft und die künstlerische Gestaltungskraft Dinglingers. Die zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die expressive Wirkung des Stücks noch gesteigert wurde durch Reiherfedern, die in eine rückwärtige Hülse eingesteckt wurden.

Von einem unbekannten Goldschmied stammt das Ordenskleinod vom Goldenen Vlies mit einem "orientalischen Opal" von 1724. Bei den für Coulant, Feuereisen und Flammenbündel verwendeten Opalen Cabouchons handelte es sich um sehr seltene Edelsteine. Mehrere Ordenskleinodien mit exotischen Steinen sollten den Beginn neuer Garnituren markieren, um durch sie die Juwelenbestände zu erweitern. Hier ist besonders das schöne Spiel zwischen den großen glatten Oberflächen der Opale und den begleitenden Diamanten im Rosenschliff zu betonen.

Beschlossen wird das Buch von einer kurzen und prägnanten Abhandlung über "Steine, Schliffe und Fassungen" von Christine Engemann-Wendt, die seit Jahren mit der Restaurierung der Juwelengarnituren betraut ist. Sie vermittelt dem Leser das notwendige Grundwissen über den Werkstoff und seine Bearbeitung.

Alles in allem liegt hier ein für Kunsthistoriker wie auch für Laien aufschlussreiches, gut lesbares und reich bebildertes Buch vor. Es stellt einen bislang noch wenig wahrgenommenen Aspekt der höfischen Lebenswelt vor allem in der Zeit des spätbarocken Absolutismus dar. Das Besondere an dem Thema der Juwelengarnituren ist, dass sie einmal als Gewandschmuck konzipiert waren und gleichzeitig zum Schatzkammerbestand gerechnet wurden. Sie bildeten mit ihrer Präsentation im Juwelenzimmer den Höhepunkt eines Rundgangs durch das Grüne Gewölbe. Mittlerweile erfreut sich Schatzkammerkunst steigenden Interesses. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Bestände der drei großen Schatzkammern Wien, Dresden und München. Während für München derzeit ein Katalog über die Hauptwerke der Schatzkammer in Bearbeitung ist (Hg. Sabine Heym), liegen für Wien mehrere Überblickswerke vor sowie die bereits etwas zurückliegende Publikation von Manfred Leithe-Jasper und Rudolf Distelberger, Kunsthistorisches Museum Wien, 2 Bde., Schatzkammer und Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe, Wien 1998 (4. Aufl.).

Babette Ball-Krückmann