Stefan Creuzberger: Kampf für die Einheit. Das gesamtdeutsche Ministerium und die politische Kultur des Kalten Krieges 1949-1969 (= Schriften des Bundesarchivs; 69), Düsseldorf: Droste 2008, XII + 604 S., ISBN 978-3-7700-1625-9, EUR 49,50
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Das Gesamtdeutsche Ministerium (BMG) wurde oft als "Broschürenministerium" verspottet, weil es sich zur Aufgabe gemacht hatte, durch die Herausgabe von Schriften, Plakaten und Flugblättern den Einheitswillen der Deutschen zu stärken und die eigene Bevölkerung gegen die kommunistische Infiltration zu immunisieren. Stefan Creuzberger legt in seiner Arbeit, in der er Einblick in die politische Praxis der Cold War Culture geben möchte, auch die bisher nur wenig beachteten Under-cover-Operationen des BMG offen. Das BMG, das die Überwindung der deutschen Teilung zum Programm erhoben hatte, verstand sich auch als ein Apparat des Kalten Kriegs. Mitarbeiter des Ministeriums ließen sich in die vom State Department und dem amerikanischen Geheimdienst in den 1950er Jahren verfochtene Strategie der "psychologischen Kriegführung" und Befreiungspolitik, durch die eine Destabilisierung der DDR erreicht werden sollte, einbinden.
Entsprechend dem von Creuzberger verfolgten Konzept der Cold War Culture stehen für die Zeit von 1949 bis 1962 nicht die beiden Minister Kaiser und Lemmer im Zentrum der Arbeit, sondern Staatssekretär Franz Thedieck und Referatsleiter Ewert von Dellingshausen, beides eingefleischte Antikommunisten. Thedieck gelang es, nicht zuletzt dank seines guten Drahtes zu Kanzleramtsminister Hans Globke und seiner politischen Übereinstimmung mit Adenauer 14 Jahre lang die Aktivitäten des BMG - häufig auch gegen den Widerstand des eigenen Ministers - entscheidend zu prägen. Er, vor allem aber Dellingshausen fungierten als Verbindungsmänner zu den amerikanischen Geheimdiensten und den deutschen Nachrichtenstellen, sie unterstützten und kontrollierten gemeinsam mit US-Stellen antikommunistische Befreiungsorganisationen wie den "Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen", die "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit", die Ostbüros von CDU, SPD und FDP und arbeiteten auch mit militanten russischen Emigrantengruppen zusammen. Noch 1960, als die USA von ihrer Befreiungspolitik abrückten, war Dellingshausen ein beredter Befürworter von subversiven Aktionen. Er plädierte in seinen geheimen Vermerken für die Unterminierung des Wirtschafts-, Verwaltungs- und Sicherheitsapparates der DDR durch eine von der Bundesrepublik aus dirigierte "echte Untergrundbewegung in der Zone" (208). 1953 hatte das BMG Aktivitäten zur Zersetzung der Volkspolizei in der DDR gefördert.
Auf Betreiben Dellingshausens scheute man im BMG auch nicht davor zurück, eine Geheimkartei anzulegen, in die keineswegs nur Personen, die sich kommunistisch betätigt hatten, aufgenommen wurden. Ins Visier des BMG gerieten auch Westdeutsche, die sich positiv über die DDR geäußert hatten oder mit links stehenden Kreisen und Verfechtern einer Politik der Neutralität sympathisierten. So sammelte das BMG beispielsweise belastendes Material über die Pazifistin Klara Marie Faßbinder, um ein Disziplinarverfahren gegen sie voranzutreiben, durch das ihr die Lehrbefugnis an der Pädagogischen Akademie in Bonn entzogen werden sollte. Als treibende Kraft erwies sich das BMG auch, als das Kabinett im September 1950 beschloss, den öffentlichen Dienst von Kommunisten zu "säubern".
Creuzberger muss letztlich einem Mitarbeiter des Bundesministeriums des Innern weitgehend beipflichten, der schon 1955 feststellte, "die Demokratie dürfe nicht bei der Abwehr des Kommunismus in Methoden verfallen, die in ihrer geistigen Uniformität der Kampfart der totalitären Weltanschauung entsprächen." (438) Der Autor fragt allerdings nicht, ob die Annäherung an die Methoden des Gegners nicht auch daher rührte, dass das BMG bedenkenlos mit Organisationen zusammenarbeitete, in denen einstige Nationalsozialisten glaubten, ihren antibolschewistischen Vernichtungsfeldzug fortsetzen zu können. So unterlässt Creuzberger den Hinweis darauf, dass der führende Kopf des eng mit dem BMG kooperierenden "Volksbundes für Frieden und Freiheit", Eberhard Taubert, als Mitarbeiter in Goebbels' Propagandaministerium eine Antikomintern ins Leben gerufen hatte, die zugleich einen radikalen Antisemitismus propagierte. Die Zusammenarbeit des BMG mit Organisationen wie dem "Volksbund für Frieden und Freiheit" oder auch dem "Bund Deutscher Jugend", einer paramilitärischen, sich vor allem aus ehemaligen Offizieren und Nationalsozialisten rekrutierenden Organisation, die im Rahmen von "Gladio", einer Geheimorganisation der NATO, des CIA und des britischen Auslandsgeheimdienstes, agierte, und bereits Proskriptionslisten von Personen, die im Falle eines sowjetischen Überfalls liquidiert werden sollten, vorbereitet hatte, war nicht nur unter moralischen Gesichtspunkten bedenklich. Sie goss auch und vor allem Wasser auf die Propagandamühlen der DDR-Oberen. Dem Autor wird man auch nicht uneingeschränkt zustimmen können, wenn er behauptet, dass die "psychologische Kriegsführung" des BMG immer dann gebremst worden sei, wenn Gefahr bestand, dass die Bevölkerung der DDR "unnötigen Risiken" ausgesetzt werde (439). Die Kontaktaufnahme mit antikommunistischen Befreiungsorganisationen und westlichen Nachrichtendiensten bezahlten Tausende von DDR-Bürgern mit hohen Zuchthausstrafen und einige auch mit ihrem Leben.
Aufgrund seiner Blickrichtung auf die Kultur des Kalten Kriegs streift Creuzberger die Kontaktaufnahme des BMG zu den christlichen Kirchen als Garanten einer westeuropäischen, abendländischen Erziehung nur am Rande, obwohl er betont und anhand von Statistiken auch nachweisen kann, dass die Kirchen am meisten von den verdeckten finanziellen Transaktionen des BMG profitierten. Auch dem Kulturaustausch und den innerdeutschen Kontakten widmet er nur fünf seiner über 600 Seiten zählenden Arbeit. Bis zum Amtsantritt Lemmers im Jahre 1957 hatte sich das BMG den Grundsatz zu eigen gemacht, innerdeutsche Kontakte nur dann zu befürworten, wenn dadurch der Widerstandswille der Menschen in der DDR gestärkt werde. Unerwähnt lässt Creuzberger, dass das Ministerium sich mit dieser Auffassung in Gegensatz sowohl zum Vorsitzenden des Gesamtdeutschen Ausschusses Wehner als auch zum Bundespräsidialamt setzte, die beide für eine Intensivierung der innerdeutschen Kontakte und des Kulturausschusses votierten, weil sie die Menschen in der Bundesrepublik für gefeit gegen die kommunistische Verführung hielten.
Es war das große Verdienst Lemmers, dass er sich für die Freizügigkeit im innerdeutschen Verkehr einsetzte und den Austausch auf technischem, wirtschaftlichem und sportlichem Gebiet zu fördern versuchte. Creuzberger vertritt die Auffassung, dass Lemmers deutschlandpolitische Tabubrüche nicht in die Zeit der 1950er Jahre "passten". Er beschreibt Lemmer als eine "politisch tragische Figur" (531), dessen sorglose Äußerungen und Amtsführung Thedieck "an den Rand der Verzweiflung brachte[n]." (81) Gewiss war Lemmer eine führungsschwache Persönlichkeit, aber seine deutschlandpolitischen Vorstöße waren zeitgemäßer als die von Thedieck und seinen Gleichgesinnten weiterhin verfolgte Befreiungspolitik, die am 17. Juni 1953 ein Debakel erlebte und auch von den USA seit Mitte der 1950er Jahre nur noch halbherzig verfolgt wurde. Dass Lemmer gegenüber der Presse Kritik an der Zusammenarbeit des BMG mit den Nachrichtendiensten und Apparaten des Kalten Kriegs übte, dürfte seinem immer wieder offen geäußerten Wunsch nach deren Entmachtung entsprungen sein, die freilich erst Wehner als gesamtdeutscher Minister nach 1966 gelang.
Der deutschlandpolitische Kurswechsel unter den Ministern Mende und Wehner in den Jahren 1963 bis 1969 wird von Creuzberger kenntnisreich, aber nicht mehr in der Ausführlichkeit wie die Politik des BMG in den 1950er Jahren nachgezeichnet. Mende unterstützte trotz Gegenwinds aus Regierungskreisen die Bemühungen des Berliner Senats um einen Abschluss eines Passierscheinabkommens, durch das Westberliner erstmals seit dem Mauerbau an Weihnachten 1963 ihre Verwandten im Ostteil der Stadt besuchen konnten. In seine Ära als Minister für gesamtdeutsche Fragen fiel auch die Institutionalisierung des Häftlingsfreikaufs. Sein Vorstoß, innerdeutsche Verwaltungskontakte unterhalb der Ebene der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR herzustellen, scheiterte am Widerstand der SED.
Auch Wehner kam seinem Ziel einer Überwindung der bisherigen Abschottungspolitik und eines geregelten innerdeutschen Miteinanders nur durch eine Politik der kleinen Schritte näher. Als Impulsgeber für eine neue Ostpolitik musste er immer wieder Kompromisse mit Bundeskanzler Kiesinger und der CDU/CSU eingehen. Zu Recht betont Creuzberger, dass mit Wehners Amtsübernahme die "Zeiten des staatlich geförderten Antikommunismus" zu Ende gingen (482). Die von ihm errichtete Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben, in die einige der antikommunistischen Befreiungsorganisationen inkorporiert wurden, sollte für "mehr Objektivität und weniger Polemik" in der Berichterstattung über die DDR Sorge tragen (492). Dass Wehner eine "systematische Säuberung" des BMG von "CDU-Leuten" betrieb und das Ministerium dem "Diktat offen zur Schau gestellter parteipolitischer Grundsätze" unterwarf (401/404), mag grosso modo richtig sein. Angesichts der Publikation von Broschüren mit Titeln wie "Die rote Flut", in denen die SPD gezielt diffamiert wurde, wird man aber kaum ernsthaft behaupten können, dass das BMG in den 1950er Jahren parteipolitische Neutralität gewahrt habe.
Creuzberger hat eine gelungene Studie über die Einbeziehung des BMG in die von den USA und ihren Geheimdiensten geprägte Cold War Culture der 1950er Jahre geschrieben. Handlungs- und Aufgabenfelder des BMG, die jenseits des vom Autor gewählten Ansatzes liegen, bleiben jedoch manchmal unterbeleuchtet. Die Geschichte des BMG in den 1960er Jahren, zu der der Autor nur wenig Neues zutage fördern kann, wird noch geschrieben werden müssen.
Petra Weber