Julian Goodare / Lauren Martin / Joyce Miller (eds.): Witchcraft and Belief in Early Modern Scotland (= Palgrave Historical Studies in Witchcraft and Magic), Basingstoke: Palgrave Macmillan 2007, xiii + 264 S., ISBN 978-0-230-50788-3, GBP 50,00
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Schottland, eines der Länder mit einer hohen Verfolgungsintensität in der europäischen Hexenverfolgung, steht im Zentrum dieses Sammelbandes. Wie bereits der Titel deutlich macht, ist er eng verbunden mit den Forschungen von Christine Larner [1] über Hexerei und Glauben. Er geht aber über deren Forschungen insofern hinaus, als den vorliegenden Untersuchungen eine Computerdatenbank zugrunde lag.
Diese ist unter der Leitung von Julian Goodare an der University of Edingburgh zwischen 2001 und 2003 als Resultat der Arbeit eines Teams von drei Forschern als "survey of Scottish witchcraft" entstanden. Die Ergebnisse der aus dem Material resultierenden Untersuchung, die 2003 in einer kleinen Tagung vorgestellt wurden, liegen in fünf Beiträgen vor, welche aber nur die Hälfte der in dem vorliegenden Sammelband veröffentlichten Texte ausmachen. Somit führen die Herausgeber Aufsätze zusammen, ohne dass allen Beitragenden die Möglichkeit gegeben war, ihre Untersuchungen in einer gemeinsamen Tagung vorzustellen. Dies zieht in bestimmten Punkten, besonders bei der Rezeption der Forschungssituation, immer wieder Doppelungen nach sich. Zudem ist es schade, dass dem Leser nur versteckt und auch erst auf Seite 67, Anm. 3, mitgeteilt wird, dass die den Forschungen zugrundeliegende Datenbank auch online zugänglich ist. [2]
Der Nachteil mangelnder Homogenität wird durch die gute und die Beiträge verbindende Einleitung von Julian Goodare ausgeglichen. Er hebt hervor, dass sich die einzelnen Untersuchungen vornehmlich der Frage zuwenden, warum Menschen im frühneuzeitlichen Europa an Hexen glaubten. Schwerpunkt der Annäherung ist die Frage nach "Wissen, Glaube, Denken", wobei sich die Herausgeber aber durchaus der Problematik der Begrifflichkeiten bewusst sind, da besonders der Terminus des "Glaubens" durch die Bewertung als "Aberglaube" in historiographischem Zusammenhang vielfach eine negative Konnotation erhalten hat.
Wenngleich der chronologische Rahmen der Untersuchung mit einem Überblick über die ganze Frühe Neuzeit weit gefasst ist, so erlaubt die Konzentration auf Schottland die Ausarbeitung klarer Ergebnisse. Dabei kann das Forschungsteam davon profitieren, dass sehr viele Hexenprozessakten für Schottland publiziert vorliegen und damit die vergleichende Analyse im Gegensatz zu anderen europäischen Regionen erheblich erleichtert ist.
Sowohl die Einleitung (Julian Goodare und Joyce Miller) wie die Beiträge von Julian Goodare, Lauren Martin und Joyce Miller stellen die Hexenvorstellungen in Schottland in den europäischen Kontext. Das Verdienst dieses ersten Teils ist es, viele Informationen zusammen getragen und in die europäische Entwicklung eingeordnet zu haben. Dabei verlieren die einzelnen Texte jedoch durch eine Reihe von unbelegten Vermutungen und Annahmen erheblich an Qualität. Auch der Beitrag von Lauren Martin/ Joyce Miller ist eher eine Projektbeschreibung, denn eine Analyse, wie auch die Untersuchung von Edward Cowan "Witch persecution and folk belief" zu unkritisch anthropologische Ergebnisse mit Verhörprotokollen zusammenzieht und hieraus Glaubensvorstellungen für die Lowlands zu rekonstruieren sucht.
Die Stärken des Buches sind eher im zweiten Teil zu finden und zwar überall dort, wo sich die Autoren einer Region oder einer bestimmten Gruppe in Bezug auf Glaubensvorstellungen zuwenden. So kann Lizanne Henderson überzeugend herausarbeiten, wie die bisherige Annahme in der Forschung [3], die Highlands seien erheblich weniger von Hexenverfolgung betroffen gewesen, im Kern richtig ist, allerdings einiger Korrekturen bedarf. In Bezug auf die Faktoren für die Verfolgungsintensität sei nämlich nicht eine grundlegend andere Vorstellungswelt für diese unterschiedlichen Verfolgungsstärken verantwortlich, sondern eher die Organisation der "kirks", die in den Highlands aufgrund der Geographie nur selten zusammen treten konnten. Insgesamt müsse man gerade für Personen aus der Gàidhealtachd, also aus den gälisch sprechenden Gebieten, von einer hohen Dunkelziffer, nicht nur wegen der fehlenden Schriftlichkeit, sondern auch aufgrund der geographischen Situation und der teilweise in den Lowlands erfolgten Verurteilung, die dann aber nicht für die Highlands gerechnet würden, ausgehen.
Ähnlich ausführlich können die Ergebnisse der Beiträge von Lauren Martin "Scottish witchcraft panics", Joyce Miller "Men in black", Owen Davies "Comparative Perspective on Scottish Cunning Folk" und Michael Wasser "The Mechanical World View" hier nicht dargestellt werden. Alle vier Aufsätze leisten durch ihre Konzentration auf bestimmte Vorstellungswelten einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion des frühneuzeitlichen Hexenglaubens in Schottland, seiner Beeinflussung durch die Daemonologia Jakobs VI. einerseits und die regionale Erzähltradition andererseits.
Aus diesem Rahmen fallen schließlich noch der Beitrag von Brian Levack, der sich speziell der Frage der Bessenheit zuwendet, und die Vorstellung von Objekten aus der Sammlung des National Museum of Scotland. Levacks Untersuchung sticht deshalb heraus, weil er zeigen kann, wie Besessenheitsvorwürfe zwischen 1590 und 1690 kaum eine Rolle spielten, dann aber in der Schlussphase der Verfolgung ab 1690 in Schottland zunehmend wichtig wurden. Dies führt er überzeugend auf die Rezeption der neuweltlichen Literatur von Cotton Mather und die Rezeption der Prozesse in Salem/MA zurück, so dass es zu einer außereuropäischen Weiterentwicklung kam, die dann aber wieder auf den europäischen Raum zurückwirkte.
Dank des oben erwähnten Webauftritts sind viele Ergebnisse der Forschungsgruppe einem breiten Publikum zugänglich. Die Stärke des vorliegenden Bandes liegt darin, dass gerade die schwierigen Glaubensvorstellungen im Zentrum stehen und in fast allen Beiträgen auch der europäische Vergleich versucht worden ist. Allerdings bleibt der Band eine Sammlung von Einzelbeiträgen und kann auch nicht immer in methodologischer Hinsicht überzeugen, besonders dann, wenn Aussagen aus Prozessen als Volksglauben verstanden werden. Insgesamt liegt jedoch ein wichtiger neuer Beitrag mit teilweise sehr guten Anregungen, die über die Forschungen von Christine Larner hinausgehen, vor.
Anmerkungen:
[1] Christine Larner: Enemies of God. The witch hunt in Scotland. London 1981; dies., Witchcraft and Religion: the Politics of Popular Belief. Oxford 1984.
[2] http://www.shc.ed.ac.uk/Research/witches/.
[3] Larner op. cit.
Ludolf Pelizaeus